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Jakob fah sie bekümmert an und dachte, daß morgen Johannes und Ton merkte Jakob, daß die Sache schlecht stände und daß Bulver der Gottesgelehrte" sei, übermorgen Nikolas der Wundertäter", hier schon nicht mehr nüßten. Als er dann nach Hause ging, übers dann Sonntag, dann Montag, ein Unglückstag Vier Tage, an legte er, daß man vom Tode eigentlich nur Vorteil habe: man denen man nicht arbeiten dürfte! Sicher würde Marfa an einem brauchte weder zu essen noch zu trinken, noch Abgaben zu bezahlen, dieser Tage sterben; man mußte also den Sarg heute machen. Er noch die Leute übers Ohr zu hauen; und da der Mensch nicht ein holte seine eiserne Elle hervor, trat zur Alten und nahm ihr Maß. Jahr, sondern hundert, tausend Jahre im Grabe lag, war der Ges Dann legte sie sich nieder, er aber bekreuzigte sich und machte sich winn eigentlich ungeheuer. Vom Leben hatte der Mensch Verlust daran, den Sarg herzustellen. und vom Tode Gewinn. Diese Erwägung war gewiß richtig, aber dabei kränkend und bitter: warum herrschte in der Welt die sonderbare Einrichtung, daß dieses arme Leben ganz ohne Gewinn verstrich?

Als die Arbeit fertig war, setzte Jakob die Brille auf und schrieb in sein Buch:

" Marfa Jwanowna,

Ein Sarg

.

2 RbI. 40 Kop." Und er atmete auf. Die Alte lag die ganze Zeit über schweigend mit geschlossenen Augen da. Abends, als es dunkel wurde, rief sie plötzlich den Alten.

" Weißt Du noch, Jakob?" fragte sie ihn freudig, weißt Du? Vor fünfzig Jahren gab uns Gott ein Kindchen mit blondem Haar. ... Da saßen wir zusammen am Fluß und sangen Lieder... unter der Weide." Und traurig lächelnd fuhr sie fort:" Das Kindchen ist gestorben."

Jakob strengte fein Gedächtnis an, konnte sich aber durchaus nicht an ein Kind oder eine Weide erinnern.

" Du schwabest Unsinn," sagte er.

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Dann tam der Pfarrer, gab ihr das Heilige Abendmahl und die lette Delung. Nachher begann Marfa etwas Unverständliches zu murmeln,- und gegen Morgen verschied fie. Nachbarinnen wuschen den Leichnam, kleideten ihn an und legten ihn in den Sarg. Um nicht den Küfter extra bezahlen zu müssen, las Jakob selbst einen Psalm; für das Grab nahm man ihm nichts ab, da der Totengräber fein Gevatter war. Vier Mushits trugen den Sarg auf den Kirch­hof, aber nicht für Geld, sondern aus Gefälligkeit. Hinter dem Sarge schritten alte Weiber, ein paar Bettler, zwei Blödsinnige; und das begegnende Volt bekreuzigte sich andächtig. Jakob war sehr zufrieden, daß alles so wohlanständig und billig abging und daß kein Verlust damit verbunden war. Als er von Marfa Abschied nahm, strich er mit der Hand über den Sarg und dachte: eine schöne Arbeit! Bei der Heimkehr vom Kirchhof aber pacte ihn der Gram. Ihm war unwohl. Sein Atem ging heiß und schwer, die Beine wurden schwach, es zog ihn zum Trinken.... Und dann flogen wieder alle mög­lichen Gedanken durch seinen Kopf. Abermals fiel ihm ein, daß er sein ganzes Leben lag nicht einmal Marfa bedauert oder freundlich behandelt hätte. Die zweiundfünfzig Jahre, die sie in einer Hütte berlebt hatten, waren lang genug gewesen, aber er hatte während der ganzen Zeit auch nicht ein einziges Mal an fie gedacht; nicht so viel, als wäre sie ein Hund oder eine Kaze! Und dabei hatte sie jeden Tag den Ofen geheizt, hatte gefocht und gebacken, war nach Waffer gegangen, hatte Holz gehauen, hatte mit ihm in einem Bette geschlafen, und wenn er betrunken von einer Hochzeit heimgekehrt war, hatte sie jedesmal behutsam seine Geige an die Wand gehängt und ihn ins Bett gepackt, und alles das schweigend, mit schüchternem, bekümmertem Gesicht....

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Es tat Jakob nicht leid, zu sterben; aber als er jetzt zu Hause die Geige sah, krampfte sich sein Herz zusammen. Die Geige konnte man nicht mit ins Grab nehmen, die blieb als Waise zurück und mit ihr würde dasselbe geschehen wie mit dem Hausgerät und mit den Särgen.... Alles in dieser Welt ging so berloren!... Er trat aus der Hütte und setzte sich auf die Schwelle; die Geige hielt er an die Brust gedrückt. Sinnend über das verlorene Leben, begann er zu spielen, ohne selbst zu wissen, was; aber es tam traurig heraus, und Tränen flossen ihm über die Backen. Und je mehr er fann, desto trauriger sang die Geige. Da knadte zweimal die Klinke und im Pförtchen erschien Rothschild . Die Hälfte des Hofes durchs schritt er tühn; aber als er Jakob fah, blieb er plöblich stehen, schrumpfte ganz zusammen und spreizte aus Furcht die Finger, als wollte er zeigen, wie viel Uhr es sei. Komm' nur, ich tu' Dir nichts," sagte Jakob freundlich und winkte ihm.

Ungläubig und furchtsam begann Rothschild heranzutreten und blieb zwei Schritte vor ihm stehen.

" Haben Se Erbarmen, schlagen Se mich nicht!" sagte er und ließ sich nieder." Moses Schaftäs hat mich wieder geschickt. Sei nicht bang', hat er gesagt, geh' zum Jakob und sag', ohne ihn wär's unmöglich, hat er gesagt. Mittwoch ist die Hochzeit: Herr Schapo­walom gibt seine Tochter an einen fainen Mann. Es wird eine raiche Hochzeit," fügte er hinzu und zwinkerte mit einem Auge. " Ich kann nicht," sagte Jakob schwer atmend. Ich bin krant, Freund Und wieder spielte er, und Tränen tropften aus den Augen auf die Geige. Rothschild lehnte neben ihm, die Arme über der Brust gekreuzt, und hörte aufmerksam zu. Der erschreckte, un­gläubige Ausdruck in seinem Gesicht wich allmählich einem seltsam leidenden; er rollte die Augen, als empfände er ein quälendes Ent züden und sagte W- achchch..." Tränen rollten langsam über seine Wangen und tröpfelten auf den grünen Rock.

"

Und dann lag Jakob den ganzen Tag und grämte sich. Als abends bei der Beichte der Geistliche ihn fragte, ob ihm nicht ein besonderes Vergehen einfiele, strengte er sein schwaches Gedächtnis an und erinnerte sich an das unglückliche Gesicht Marfas und an den verzweifelten Schrei des Juden, den der Hund gebissen hatte; und er sagte taum hörbar:

Jetzt war er schon nicht mehr abgeneigt, ihr eine Kleinigkeit zuild kaufen, aber das war nun unmöglich; dazu war es schon zu spät... Lächelnd und nidend begegnete ihm Rothschild ." Ich suche Sie, Freundchen," sagte er liebenswürdig;" Moses Schaftäs läßt schön grüßen und bitten, doch einmal zu ihm zu kommen."

Aber Jakob war gar nicht danach zu Mute. Er hätte am liebsten geweint.

"

Laß mich," sagte er und ging weiter.

Wie haißt, laß mich?" Rothschild wurde unruhig und hüpfte bor Jakob her." Moses Schaftäs wird fain beleidigt! Er läßt

bitten!"

Jakob erschien es widerwärtig, daß der Jude außer Atem war, daß er blinzelte und so viele Sommersprossen hatte. Es war in der Tat ein häßlicher Anblick, wie die dünne, gebrechliche Gestalt in dem grünen Rod mit dunklen Flicken hin und her sprang.

" Was überläufst Du mich, Knoblauch!" schrie Jakob. Bleib weg!"

Der Jude ward böse und fing auch zu schreten an: Bitte, reden Se etwas laiser, sonst fliegen Se durch den Zaun!"

Aus den Augen, Du Hund!" brüllte Jakob und stürzte mit geballter Faust auf Rothschild los;" fort, Grindiger, oder ich schlage Dir die dreckige Seele aus dem Leib!"

Rothschild wurde leichenblaß vor Furcht, sank in die Knie und fuchtelte mit den Händen über dem Kopf herum, als schüße er sich vor Schlägen; dann sprang er mit einem Satz in die Höhe und rannte fort. Die Jungen freuten sich über den Anblick und stürzten Rothschild nach mit dem Rufe:" Jied! Jied!" Die Hunde setzten auch mit Gebell hinterdrein. Ein Pfiff ertönte; das Gebell wurde lauter, bösartiger... Dann mußte einer der Hunde den Rothschild gebissen haben, denn man hörte einen gellenden Ver­zweiflungsschrei.

Jakob ging langsam hinterbrein, bog dann am Fluß ab und kam nach Hause. Nachts, im Traume, erschien ihm Marfa, die im Profil einem Bogel glich, der trinken will, und das blaffe, jämmerliche Gesicht Rothschilds , und viele Schnauzen bewegten sich von allen Seiten heran und brummten von Verlusten... Er wälzte sich von einer Seite auf die andere und stand wohl fünfmal auf, um zu trinken. Morgens erhob er sich mit Anstrengung und ging nach dem Krankenhause. Magim Nikolaitsch befahl ihm, falte Umschläge auf den Kopf zu legen, und gab ihm Bulber; an seinem Gesichtsausdruck

" Die Geige gebt Rothschild ." ,, Gut," antwortete der Pope.

Und jetzt fragen alle Leute in der Stadt: Woher hat Noth schild solche schöne Geige? Hat er sie gekauft, oder gestohlen, oder ist sie ihm als Pfand verfallen?" Die Flöte hat Rothschild schon lange aufgegeben und spielt jetzt nur noch Geige. Der Bogen bringt eben so traurige Töne hervor wie früher die Flöte; aber wenn er sich bemüht, das zu wiederholen, was Jakob spielte, als er auf der Schwelle saß, tommt etwas so Ergreifendes heraus, daß alle Hören weinen; und er selbst rollt gegen das Ende die Augen und sagts -achchch! Und dieses neue Lied hat in der Stadt so gea fallen, daß alle Rothschild zu sich einladen und ihn nötigen, immen wieder das schöne Stück zu spielen.

Kleines feuilleton.

ge. Die Gewinnung der böhmischen Granaten. Der Granat findet sich eingewachsen und auf Klüften in den verschiedensten maffigen und schieferigen Gesteinen. Im ganzen lassen sich die Granaten einteilen in die mit Vorliebe als Schmucksteine ver wendeten edlen, durchsichtigen oder durchscheinenden, wie Kaneestein, Pyrop, edler Granat( Almandim), und die unedlen, von denen nur der schwarze Melanit ausnahmsweise zu Trauerschmuck benutzt wird. Zu den beliebtesten und gesuchtesten Granaten gehören die im böhmischen Mittelgebirge gefundenen von meist dunkelroter Farbe. Als ältester Fundort wird gewöhnlich das Dörfchen Meronitz bei Bilin bezeichnet, wo man namentlich in einem Hügel, dessen Höhe ein altes Holzkreuz ziert, schon seit uralter Zeit den wertvollsten böhmischen Granat, den blutroten Pyrop, in großen Mengen fand. Auf halber Höhe steht noch das mit einem Türmchen geschmückte Haus, in dem das Waschen der Granaten stattfand, doch ist es jetzt längst dem Verfall preisgegeben, da man schon seit etwa 30 Jahren die dortigen Gruben wegen des eindringenden Wassers hat aufgeben müssen. Von Meronis erreicht man über Lipshausen in etwa dre Stunden den Ort Tribliz, wo noch sehr viele Granaten gefunden werden; weitere ergiebige Fundstätten befinden sich bei den nahe gelegenen Dörfern Seebschüß, Starney und Klappei. Die Art und Weise der Gewinnung der Granaten ist eine höchst primitive, dte lebhaft an das Verfahren der ersten Goldsucher in Kalifornien und