Dainel halte die Tür offengelassen, denn in dem verrußten niedrigen Raum kroch das Licht nur an den Wänden hin an dem trüben Tag. Er stellte sich auf die Schwelle und spähte nach dem ersten Beisitzer der Gemeinde aus. Aber der Hans Matheis Stork hatte den Weg noch nicht gefundm. Da sagte auf einmal die Stimme des Maire hinter ihm: „Ihr seid gut weggekommen bei dem Brand, kein Stück Vieh, ich wett, nicht einmal ein Hühnerei ist dringeblieben." Daniel drehte sich um. „Ich Hab die Hühner noch nicht gezählt. Es langt mit dem andern," antwortete er kurz. »Ja, ja, so geht's, wenn man nicht Sorg hat zur Sach," versetzte der Maire. Draußen lamentierten die Weiber, ein paar Mannen schimpften laut, daß es zur Hütt« herüberdrang, der Maire aber hatte noch keinen Fluch getan, keine Ueberraschung, keine Aufregung an den Tag gelegt, die Worte schlichen aus seinem Mund wie Eidechsen, die scheu aus den Mauerlöchern in die Sonne gieren. Aber in seinen Augen saß eine Drohung, die breiten Finger trommelten Sturm auf der Tischplatte. Daniel war langsam an den Tisch getreten. „Hätt die Gemeind mehr Sorg gehabt zu der Sach, so wär die Herberg neu im Holz und fester im Stein ge- standen." „Das ist der Gemeind ihr Sach." „Mein Sach ist's wie Eure!" Sie starrten sich fest in die Augen, scharf und spitz stießen Red' und Gegenred' aufeinander. „Euer Sach? Ihr seid drauf gelegen, und sie ist Euch unterm Hosenboden wegbrennt, wie wenn man mit dem Ripser drüber wegzündet." Daniel war noch fahler geworden, wachsgelb im Gesicht. Der Maire kniff die Lippen zusammen, als hätte er schon zuviel gesagt. „Grüß Gott miteinander." Der Storkenhans trampte über die Schwelle und wischte die tränenden Augen. Er prustete, und sein dickes, rotes Gesicht glänzte vor Schweiß. Die Bank keuchte, als der schwere Mann sich setzte. Erst sah er sich vergebens nach einem Glas um, dann schlug er schallend auf den Tisch. „Ist das ein Verlust! Jetzt hat die Gemeind nicht ein- mal mehr die Assekuranz dazu. Man könnt bigoscht meinen, der Daniel Hab sie expreß gekündet." „Und ich Hab sie expreß gekündet, damit die Gemeind dafür steht," antwortete Daniel gereizt. Dem Beisitzer schlug die Stimme um, blaurot wulsteten sich die Backen, als er schrie: „Herrgott, Ninive , jetzt hat's geschellt! Meint Ihr, wir bauen Euch ein Schloß auf den Berg? Kein Sou kommt aus der Gemeindskasse. Das Haus ist dem Daniel schon lang zu schlecht gewesen, jetzt ist's ein Dreckhaufen." „Ja, es hat ebbes. Er hat dem Gemeindrat seine Kondi- Ronen schon lang gestellt," schaltete der Maire ein. „Bau Dir selber eins, wie Du's magst, wegen mir ein Kaiserschloß!" tobte der Storkenhans. Daniel stand noch vor ihnen am Tisch. Er schnallte den Hosengurt fester, als gelte es einen Fausthandel. „Storkenhans, das sag' ich Dir, mit Deinem Maul schleckst Du die Tinte nicht ab vom Vertrag, der zwischen mir und der Gemeind Recht spricht. Die Gemeind baut." Er klopfte mit der rechten Hand auf den Tisch, und seine Stimme zitterte in verhaltenem Zorn. Da stand der Maire auf und sagte: „Erst spricht das Gericht. Es ist avisiert, und der Daniel muß ihm Bericht geben vom Brand. Hernach, wenn sich alles ausweist, kann man vom Bauen reden." Der Storkenhans hatte röchelnd nach Lust geschnappt, als ihm der Daniel übers Maul fuhr, jetzt blies er den Atem von sich, um zu antworten. Aber der Maire stieß ihm den Ellbogen in die Rippen im Vorbeigehen. Da schwieg er. Daniels Schläfen hämmerten. Was hatte das Gericht bei ihm zu suchen? Aber trotzig warf er den Kopf zurück. „Hört zu, Herr Bürgermeister: Mein Sach ist hin, sie liegt mit auf dem Haufen. Aber wenn die Gemeind jetzt baut, ich helf ihr dazu. Es bleibt bei dem, was ich vorgeschlagen Hab vor mehr als einem Jahr: Ein rechtes Haus, und ich stell eine eigene Hypothek drauf mit vier, nein mit drei vom Hundert und fünfhundert Franken, sechshundert mehr für die Macht." Der Storkenhans war schneller als der Maire und schnaubte: «Ein Hotel wie auf den Drei Aehren! Teufel noch ein-
mal. Las war ein Fressen für die Sau. Gut, so bau eins« stell's auf Gemeindsboden, aber ohne die Gemeind!" Der Maire nahm ihm das Wort aus dem Mund. „Ja, so stimmt's, ohne die Gemeind." Wild lachte Daniel heraus. „Ohne die Gemeind und auf Gemeindsboden. Weil ihr da unten zu borniert seid und den Vorteil nicht greift, den Sou im Sack breit drückt anstatt zu bauen— und wenn's hernach doch soweit ist, da soll der Junt bauen! Auf Ge- meindsbodenl Herrgottsteufel, der Boden ist mein so gut wie Euch allen miteinander. Ich allein Hab mehr Recht dran als ganz La Motte. Und das Haus, wo ich drin versückt bin« das ist mein Haus gewesen, meins einzig und allein." Mit einem Fußtritt warf er die Türe ins Schloß und pflanzte sich breit vor die beiden. Draußen machten sie lange Ohren. „Unser Mieter bist Du. und einer, wo einem noch in die Asche setzt," sprudelte der Storkenhans. Der Maire blinkerte mit den kurzsichtigen Augen und näherte sein Gesicht dem des Gemeindepächters. „Ter Josef Junt hat schon regiert hier oben; der Daniel meint gar, es Hab keiner mehr drein zu reden. Da täuscht er sich. Jetzt redet erst das Gericht. Dem Goldadler kann's gleich sein, wenn das Haus herunterbrennt, der ist aus der Sach, denn der Daniel hat ihm's Nest heruntergeworfen, aber die Gemeind ist's einenweg noch nicht gleich, und wenn die Junt hundert Jahr die Herren spielen auf dem Berg. Der Daniel Junt ist ihr verantwortlich für die Ferme. Und wenn sie verbrennt, so ist er verantwortlich für die Brunst!" „Sehr gut, justament, so ist's," pflichtete der Beisitzer geräuschvoll bei. „Ah, so kalkuliert die Gemeind!" hohnlachte Daniel, und es schüttelte ihn vor Grimm. „Ich bin ihr verantwortlich, sie hockt mir auf, und ich, ich bin für sie da? Ich petitionier, ich zeig ihr's Loch, wo ein Weg geht, und sie kehrt mir den Buckel? Jeder sitzt auf seinem Eigenen da unten, und ich bin da oben nur ein Mieter? Weil die Junt vor bald hundert Jahren sich eingchaust haben auf dem Berg und Ihr derweil im Tal zu Eigenem gekommen seid? Wenn ich bei jedem Tritt, den ich gegen den Grund ge- geben Hab hier oben, gedacht hätt, er ist nicht dein, und in meinem Haus an die Wand geschrieben hätt, es gehört nicht dir, meinet Ihr denn, ich hätt eine Lust gehabt an der Weid und der Ferme? So wahr als ich's Leben Hab, Ihr, der Bürgermeister und der Storkenhans, der Gemeinderat und jeder da unten, Ihr seid m i r verantwortlich und mir ver- pflichtet, wenn ich's Euch bin. Ich komm und sag, die Gemeind muß bauen, ich verstick, mein Stall ist zu klein, das Haus ist zu eng, baut und ich zinse, und Ihr baut nicht! Ja, Kreuz und Blut, wo ist denn da noch ein Recht!" „Just das ist Gesetz und Recht," trotzte der Maire. „Ja, ich weiß, so hat's mir auch der Notari ausgelegt, wie ich in der Stadt war. Aber sell ist kein Recht, ein Dreck ist's. Ihr habt nicht bauen w o l l e n. und ein Wille ist noch kein Recht!" lFortsetzung folgt.)
(Sinchduick verboten.) Oer Schiffbrüchige. Erzählung von W. W. Jacobs' lSchlutz.) „Es ist ein Wunder, daß er noch lebt," sagte Herr Detlef Strobel. beim Eintritt der alten Frau ins Zimmer aufblickend; „das klingt wie ein Märchen. Zeigen Sie uns doch die Narbe auf Ihrem Kopf noch mal. Maat." Der liebenswürdige Herr Kröger kam dem Wunsche nach. „Wir wollen nachher, wenn Sie Abendbrot gegessen haben, mit 'rumgehcn," fuhr Herr Strobel fort und erhob sich mit seiner Frau, um Abschied zu nehmen.„Das wird ein großes Vergnügen für mich sein, wenn der alte Liebermann reingelegt wird." Frau Rogenbuck schnaufte und warf einen geringschätzenden Blick auf seine sich entfernende Gestalt. Frau Kröger machte sich, auf die Aufforderung ihres Gatten hin, daran, den Tisch zu decken. Es war eine lange Mahlzeit, woran hauptsächlich Herr Kröger schuld war, aber endlich war sie beendet, und nachdem dieser Herr geholfen hatte, den Laden zu schließen, gesellten sie sich zu den Strobels, die schon vor der Tür warketcn, und machten sich auf den Weg. Der Spaziergang gestaltete sich sehr lebhaft durch Herrn Kröger, der alle zehn Meter Gruselanfälle bekam beim Gedanken an die übernatürlichen Dinge, deren er Zeuge sein sollte, und durch Herrn Strobel, der, um nicht schlechter zu sein, darauf bestand, alle Augenblicke regungslos stehen zu bleiben, bis seine kichernde bessere