743 Fräulein D r i e r e:„Sehr schön! Die Rolle Lucienne's ist entzückend!" M et r t e l:„Wirklich?" Fräulein D r i c r e:„Doch Sie müssen Ihr Stück um- schreiben, ein Versdrama daraus machen.. Martel(zögernd):„Ja, aber... eben noch... bekundete Herr Lafrippe eine solche Vorliebe für Prosastücke l... Wenn Sie es so lesen möchten, wie es jetzt..." Lafrippe:„Nein, nein I... Ich bin sicher, daß Ihre Prosa nicht von weit her ist!...(Erstaunen bei Martel) Da sie ein Vers- dichter von Talent sind, können Sie unmöglich ein guter Prosa- schriftsteller sein!" Martel(lächelnd):„Das ist ein Paradoxon!" Lafrippe(sehr ernst):„Es ist die Frucht einer langjährigen Erfahrung!... Ein Beispiel: Rostand ist ein großer Poet, nicht wahr? Nun, schreibt Rostand Prosastücke?" Martel(lächelnd):„Nein." Lafrippe:„Schön!... Hervieu, Paul Hervicu, der uns wenigstens zwei Meisterwerke geschenkt hat, schreibt er Versstücke? ... Nein! Er könnte es nicht!... Sie haben hoffentlich nicht den Ehrgeiz, soviel Talent zu besitzen wie Hervieu und Rostand zu- sammcn?" Martel(verwirrt):„Nein, ganz gewiß nicht!" Lafrippe:„Sie werden sich sofort an die Arbeit machen. Fräulein Driere:„Und uns schnell ein Meisterwerk liefern, das... Ich verspreche Ihnen, Sie sollen nicht lange auf die Premiere zu warten brauchen!" Martel:„Ich weiß nicht, wie ich Ihnen danken soll, mein Fräulein!" Lafrippe(ihn zur Tür begleitend):„Ja, mein Lieber, eine gute Komödie in Versen, in schönen Versen— etwas Besseres gibt's doch nicht!" Ganz verwirrt von seinem Glück, kehrt Julian Martel nach Hause zurück. Noch am nämlichen Abend reist er nach Val d'Ajol. einem Keinen, weltentrückten Flecken in den Vogesen , wo seine Großmutter wohnt. Dort vergräbt er sich in die Einsamkeit und schreibt das gewünschte Versdrama. Er geht ganz aus in seinem Werk. Um nur ja durch keine äußeren Eindrücke gestört zu werden, empfängt er keinen Besuch, macht er keinen Besuch, ja nicht einmal eine Zeitung nimmt er während dieser Wochen in die Hand. Drei Monate später. Martel(mit erhobenem Haupt und siegesgewisser Miene das Kabinett von Herrn Lafrippe betretend):„Guten Tag, Herr Direktor!" Lafrippe(kardial):„Sieh' da!... Sie sind's? Wie geht's?" Martel:„Sehr gut!" Lafrippe:«Wo haben Sie denn so lange gesteckt? Bringen Sic etwas?" M a r t e l:„Ich bringe mein Stück!" Lafrippe(erstaunt):„Ihr Stück? Welches Stück?" Martel(verwirrt):„Wie denn— welches Srück? Nun, mein Stück, mein vollkommen umgearbeitetes Stück, welches Sie vor drei Monaten bestellt haben!... Ach! ES war ein hartes Stück Arbeit, aber ich bedauere es nicht!... Mein Versdrama wird..." Lafrippe:„Sagen Sie mal, was erzählen Sie mir da für Sachen? Ein Versdrama für die„Folies-Manitou"?..." Martel(unruhig):„Nun ja.�.. Fräulein Driere und Sie..." Lafrippe:„Fräulein Driere?... Hören Sie, Verehrtestcr. von wo kommen Sie eigentlich?" Martel: Aus Val d'Ajol." Lasrippe:„Gibt's denn dort keine Zeitungen?" Martel:„Doch. Aber ich habe seit drei Monaten kein Blatt in die Hand genommen." Lafrippe:„Das war sehr unrecht!... Wirklich unrecht!... Sie hätten dmm nämlich erfahren, daß die«Folies Manitou" seit 14 Tagen ihr Genre geändert haben." Martel(bestürzt):„Wie?" Lafrippe:„Ja, ich spiele nur noch Operetten. Martel(geknickt):„Ope...". Lafrippe:..... retten... Wenn Sre ein hübsches Libretto haben...?" Martel(sich an eine letzte Hoffnung klammernd):„Und Fräulein Driere?",,... Lafrippe:„In Amerika ... Und das ist kein Verlust für- die französische Kunst." Martel(verzweifelt):„Oh!... Ohl... Die ganze Arbeit... die ganze Arbeit umsonst!" Lafrippe:„Ja. sehen Sie. das Theater bereitet einem bis- weilen solche kleinen Ueberraschungen!... Aber was sprechen Sie da von vergeblicher Arbeit? Ich kenne Sie jetzt! Ich weiß, daß sie Talent haben! Das ist immerhin ein Resultat, sollte ich meinen I— kleines feuiUetou. ig. Holzkauf. Bäckermeister Hinrichs stand in seinem Laden, als er einen Wagen hcraiikonrmen hörte. Er trat schnell vor die Tür und spähte die Dorfstraße hinunter. Richtig: Willfried war's. der alte grauköpfige Fuhrmann Saß, die Peitsche in der Hand, auf seinem wackeligen Kastenwagen und lenkie seine mageren Bräunest. Dabei paffte er aus einer kurzen Pfeife. „Na, Willfried. Wohin?" Willfried zügelte die Pferde, wies mit der Peitsche irgendwo hin und brummte mürrisch:„Nach der Stadt." „Hättest wohl Lust, mir was mitzubringen?" Willfried sah ihn von der Seite an:„Was soll'S sein? Vie! Platz Hab' ich auf dem Rückweg nicht." „Holz brauch' ich!" Hinrich zwinkerte mit den Augen.„Und weil Du immer ein Lager hast im Forst—" Willfricd überhörte den letzten Satz:„Hast Holz in der Stadt gekauft? Bei wem?" „Stell' Dich nicht dumm an!" Hinrichs zwinkertr noch'f�« hafter.„Wo kauft man.denn Holz? Keiner gibt's so billig ab toi« der Willfricd."'*■ „Ich?" Der alte Fuhrmann machte ein so erstauntes Gesicht, daß der Bäcker laut lachen muhte. „Komm' in den Laden. Trink' einen Bitteren." Willfried war schon unten. Er hakte einen Strang aus und folgte dem Bäcker. Dann trank er zwei Gläschen, kratzte sich den grauen Kopf und fragte:„Wie viel?" „So viel Du hast. Dein Wagen darf gepackt voll sein. UnÄ weil Du doch durch den Forst mutzt,— es wär' heute eine schöne Nacht dazu. Hast doch noch was lagern?" Der Bäcker zwinkerte wieder. „Gewiß Hab' ich lagern! Aber—" „Mach' keine Geschichten. Es zahlt sich." Eigentlich sollt' ich nicht. Hab' schon dem Krämer versprochen» sein Holz mitzubringen. Das füllt den Wagen." „Ei da! Die Geschäfte geh'n! Was. Willfried?" Willfried tat sehr ehrwürdig und zog eine Holzanwcisung hervor:„Da, beim Förster hat er's gekauft, der Kletter." Es klang vorwurfsvoll. „Der Kletter sst ein Esel, Willfried." Der Bäcker lachte.„Hol's ihm ein andermal. Das darfst ja am Tage riskieren." „Ja," sagte Willfried,„'s ist eigentlich schade um die schöne Nacht. Aber die Grünröcke streichen jetzt herum, man wird seines Lebens nicht froh." „Dann hast den Schein, wenn einer dazukommt. Und sagst; hast Dich in der Nummer geirrt." Willfried stand noch immer nachdenklich:„Es ist so ein Misst trauischer. Denkt leicht was Schlechtes von allen Menschen. Iahst für Jahr räubern die Spitzbuben im Forst, daß es eine Schande ist, sagt er." „Ist's auch." Der Bäcker lachte.„Da, trink' noch einen. Unser Herrgott läßt das Holz für alle wachsen. Ich bin auf in der Nacht. Klopf' nur an die Backstubentür. Wir schmeißen'S auf den Hof." Willfried fuhr davon und dachte: Wenn der Kletter chrltS» Leute um ihr Brot bringt und fein Holz beim Förster kauft, kann ihm ein Denkzettel nicht schaden.— Am anderen Morgen ging Kletter, der Krämeq die Dorfstraße entlang und guckte über alle Zäune. Neben ihm, gemächlich die Pfeife schmauchend, schritt Willfried, der Fuhrmann:„Es ist eine SchaudeP „Und Du bist sicher," sagte Kletter,„das Holz war nicht da?" „Kein Stück. Ein leerer Platz." „Hast Du Dich nicht im Ort geirrt? Ter Wald ist groß." „Ich kenn' ihn. Jagen 15 stand doch auf Deinem Schein, nicht? Nummer 64. Also 63 und 65, die Haufen Hab' ich geseh'n. Aber 64— nein. Der war futsch." „Kreuzmillionen l Was es für Spitzbuben hier gibt." „Mächtig wird geräubert, sagt der Förster." „Aufpassen sollen fiel" schrie Kletter. „Wozu bezahlt man sie! Liegen im Nest in der Nacht. Derweil tragen die Spitzbuben den ganzen Wald fort!" „Es ist schlimm," bestätigte Willfriod. Sie waren vor dem Bäckerladen angelaugt. Hinrichs siaiH schmunzelnd vor der Tür.„So wütig. Kletter?" „Mein Holz haben die Hallunken gemaust! Im Wald!" „Ja, Iva? kaufst es beim Förster!" „Wo kaufst Du's denn? In der Apotheke?" Hinrichs sonnte sich:„Es gibt schon Leute. Ich Hab' das meine'rein." „Laß sehen. Wird schönes Gefaser sein!" Kletter drängte auf den Hof. Willfried wollte ihn zurückhalten:„Gehen wir weiter." Kletter stand schon vor dem Holzstoß und schüttelte den Kopf; „Just wie mein's. Und billig, sagst Du?" Hinrichs lachte:„Halb so teuer wie beim Förster." Willfried gab ihm einen heimliche» Rippenstoß. Kletter betrachtete das Holz von ajkn Seiten:„Aber genau die Art wie das meinige." „Holz ist Holz." sagte Willfried.„Es gibt viel von der Sorte." Ein Stück lag quer auf dem Stoß. Kletter nahm's:„Eins Nummer? Eine— seine Miene erstarrte._ Ein drohender Blich zum Bäcker:„Num— mer vier— und— sech— zig?Il" „Das Stück muß mir einer über den Zaun geworfen haben." Hinrichs sandte Willfried einen vorwurfsvollen Blick zu. „Vielleicht haben sie Dir den ganzen Hänfen über den Zäun geworfen!" Wetter ward höhnisch.»Gestohlen ist'frl
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22 (24.9.1905) 186
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