Anterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 191.
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Sonntag, den 1. Oktober.
( Nachdrud verboten.)
Einzig autorisierte Uebersetzung von Adolf He B. Es war, als ob etwas ganz Ungewöhnliches in Romaschom lebendig wurde; das ganze Zimmer schwankte vor seinen Augen. Der Brief war mit den festen, ausdrucksvollen, zarten Zügen geschrieben, die nur Alexandra Petrowna gehören konnten, so eigenartig, unregelmäßig und künstlich war die Schrift. Romaschow, der oft Billetts von ihr mit EinLadungen zum Mittagessen oder zu einer Partie Wint erhielt,
hätte diese Schrift unter Taufenden wieder erkannt.
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1905
einander. Romaschow war jetzt noch mehr davon überzeugt, daß der Brief von Schurotschka geschrieben war. Beim Nach hausegehen dachte er die ganze Zeit über an diesen Brief und konnte selbst nicht recht begreifen, welche Gefühle er in ihm erweckte. Da war eifersüchtiger Neid gegen Nasanski Eifersucht gegen die Vergangenheit, und dann eine Art triumphierendes, böses Mitleid mit Nikolajew , gleichzeitig aber auch eine neue Hoffnung hafte, aber füße und lockende. Als wenn dieser Brief auch ihm einen geheimnisvollen, unsichtbaren Faden in die Hand gäbe, der in die Zukunft führte.
Der Wind hatte sich gelegt.
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eine unbestimmte, nebel
Die Nacht war voll tiefer Stille, und ihre Dunkelheit
schien samtartig und warm. Aber in der schlaflosen Luft, in :. es ist bitter und schwer auszusprechen," las er unter der Ruhe der unsichtbaren Bäume, in dem Duft der Erde war Nasanskis Hand.„ Aber Sie selbst haben alles darauf an„ Aber Sie selbst haben alles darauf an- geheimnisvolles, schöpferisches Leben zu spüren. Romaschow gelegt, unsere Bekanntschaft zu einem so traurigen Ende zu ging dahin, ohne den Weg zu sehen, und es fam ihm immer führen. Am allermeisten im Leben schäme ich mich der Lüge, bor , als wenn etwas Mächtiges, Erhabenes, Freundliches ihm die immer aus Feigheit und Schwäche entspringt, und werde mit heißem Atem ins Gesicht wehte. Und in seiner Seele war Sie deswegen nicht belügen. Ich habe Sie geliebt und liebe eifersüchtiger Summer über seinen einstigen so helfen und Sie noch heute und weiß, daß ich mich nicht so bald und nicht unwiederbringlichen Kinderfrühling, war stiller, nicht bös so leicht von diesem Gefühle werde freimachen können. Aber artiger Neid gegen seine reine, zärtliche Vergangenheit Zu Hause fand er einen zweiten Brief von Raisa Aleranzuletzt werde ich dennoch den Sieg davon tragen. Was würde geschehen, wenn ich anders handelte? Meine Kräfte und Auf- drowna Peterson. Sie schrieb in albernem, erhabenem Stil opferungsfähigkeit würden schon reichen, die Führerin, von einem hinterlistigen Betruge, schrieb davon, daß sie alles Wärterin und barmherzige Schwester eines unselbständigen, verſtände, und schrieb von allen Schrecken der Nache, deren berkommenen, fittlich verwahrlosten Menschen zu sein, aber ein verwundetes Weiberherz fähig sei.
ich hasse das Gefühl des Mitleids und stets erniedrigender Schwäche, die alles verzeiht, und will nicht, daß Sie es in mir erweden. Ich will nicht, daß Sie sich vom Almosen des Mitleids und hündischer Ergebenheit ernähren. Ein anderer Mensch aber können Sie nicht sein, trotz Ihres Verstandes und Ihrer schönen Seele. Sagen Sie auf Ehre, aufrichtig, Sie können nicht? Ach, teurer Wassili Nilytsch, wenn Sie doch könnten! Wenn! Mein ganzes Herz, all meine Wünsche streben ja zu Ihnen. Ich liebe Sie! Aber Sie selbst haben mich nicht gewollt. Für einen geliebten Menschen kann man die ganze Welt umfehren, und ich habe Sie doch nur um so weniges gebeten. Können Sie nicht?
Reben Sie wohl. Ich füsse Sie in Gedanken auf die Stirn. Wie einen Verstorbenen, weil Sie für mich gestorben sind. Ich rate Ihnen, diesen Brief zu vernichten. Nicht, weil ich etwas fürchte, sondern weil er für Sie eine ewige Quelle des Grams und quälender Erinnerungen sein wird. Ich wiederhole noch einmal
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„ Das Weitere interessiert Sie nicht," sagte Nasanski und nahm den Brief aus Romaschows Händen.„ Das war ihr einziger Brief an mich.
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Was wurde später?" fragte Nomaschow mühsam. " Später? Später haben wir uns nicht mehr gesehen. Sie. 30g irgendwohin fort und hat, glaube ich, geheiratet.. einen Ingenieur. Das ist nebensächlich."
Und Sie waren niemals bei Alerandra Petrowna?" Romaschow sprach diese Worte ganz im Flüstertone, aber beide Offiziere zitterten infolge der Worte und konnten lange den Blick nicht von einander losreißen. In diesen wenigen Sekunden wurden zwischen beiden gleichsam alle Schranken menschlicher List, Verstellung und Undurchdringlichkeit entfernt, und sie lasen sich gegenseitig frei in der Seele. Sie verstanden mit einem Male hundert Dinge, die sie bis jetzt für sich bewahrt hatten, und ihre ganze heutige Unterhaltung befam plöglich eine besondere, tiefe, gleichsam tragische Bedeutung.
Wie? Sie auch?" brachte Nasanski endlich leise mit einem Ausdruck unsinniger Furcht in den Augen heraus. Aber er kom sofort wieder zu sich und rief mit frampfhaftem Lächeln: Pfui, welches Mißverständnis! Wir sind ganz vom Thema abgekommen. Der Brief, den ich Ihnen gezeigt habe, ist vor hundert Jahren geschrieben, und diese Frau lebt jest irgendwo, weit fort von hier, vielleicht irgendwo im Raufajus Also, wobei waren wir stehen geblieben?" " Ich muß nach Hause, Wassili Nilytsch. Es ist spät," sagte Romaschow aufstehend.
Najansti hielt ihn nicht zurück. Man verabschiedete sich nicht fühl und nicht trocken, aber so, als schämte man sich vor
" Ich weiß, was ich jetzt zu tun habe!" hieß es in den Briefe. Wenn ich nicht infolge Ihrer gemeinen Handlungsweise an der Schwindsucht sterbe, fo, glauben Sie mir, werde ich es Ihnen grausam heimzahlen. Vielleicht glauben Sie, niemand weiß, wo Sie all Ihre Abende zubringen? Blinder Tor! Auch die Wände haben Ohren. Mir ist jeder Ihrer Schritte bekannt. Aber trotz Ihres Aeußeren und Ihrer schönen Redensarten werden Sie dort nichts erreichen, außer daß N. Sie zur Tür hinausjagt wie einen Hund. Mit mir rate ich Ihnen vorsichtiger zu sein. Ich gehöre nicht zu den Frauen, die zugefügte Beleidigungen verzeihen Ich bin im Kaukasus geboren,
Und weiß den Dolch gar wohl zu führen!! früher hre, jetzt niemandes Raija.
P. S. Seien Sie unbedingt Sonnabend auf der Reunion. Wir müssen uns erklären. Ich reserviere Ihnen die dritte Quadrille, aber das hat jetzt nichts mehr zu bedeuten! R. P. "
Dummheit, Gemeinheit, ein ganzer Provinzsumpf und böses Geklatsch wehte Romaschow aus diesem unorthographischen, abgeschmackten Briefe an. Und er selbst kam sich von Kopf bis zu Füßen wie mit schwerem, nicht wieder zu entfernenden Schmuß besudelt vor, der infolge dieses fast ein halbes Jahr andauernden Verhältnisses mit einem ungeliebten Weibe an ihm haften geblieben war. Er legte sich, gleichsam erdrückt und niedergeschmettert von den Ereignissen des Tages, ins Bett und dachte, schon beim Einschlafen, über sich selbst in den Worten, die er am Abend von Nasanski gehört hatte:
„ Seine Gedanken waren grau, wie Soldatentuch." Er schlief schnell ein und versant in einen schweren Schlaf. Und wie das in der letzten Zeit immer nach traurigen Ereignissen mit ihm geschah, sah er sich im Traume als kleinen Knaben. Da war fein Schmuß, fein Gram, fein einförmiges Leben mehr, im Körper wohnte fühne Entschlossenheit, seine Seele war hell und rein und spielte in unbewußter Freude. Und die ganze Welt war hell und rein, und mitten in ihr glänzten die lieben, bekannten Straßen Moskaus in dem schönen Glanze, den man nur im Traume sehen kann. Irgendwo, am äußersten Ende dieser frohlockenden Welt aber, weit hinten am Horizont, war ein dunkler, bösartiger Fleck zurückgeblieben: Da lag das graue, traurige Städtchen mit dem schweren, langweiligen Dienst, mit Rottenschulen, Saufgelagen im Kafino, mit dem lästigen, widerwärtigen Liebesverhältnis, mit dem Gram und der Einsamkeit. Das ganze Leben klang und lenchtete vor Frende, aber der dunkle, feindselige Fleck lauerte heimlich, wie ein schwarzes Gespenst auf Romaschow