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und wartete, bis an ihn die Reihe käme. Und in seiner Ein-| Tagesbefehle. Untergebene, die sich vergangen, fertigte er samkeit weinte der kleine Romaschowder reine, sorglose, in diesen Tagesbefehlen mit saftigem, derbem Sarkasmus unschuldige leidenschaftlich über seinen älteren Doppel- ab, den die Offiziere weit mehr fürchteten als Disziplinar­gänger, der in der bösen Finsternis gleichsam zerfloß und ver- strafen. Deswegen ging in den Rotten jetzt schon vierzehn schwand. Tage lang eine hastige, fieberhafte Tätigkeit vor sich, und die Sonntage wurden gleichmäßig ungeduldig von den ermüdeten Offizieren wie von den ausgemergelten, verdummten Sol­daten erwartet.

Mitten in der Nacht wachte er auf und bemerkte, daß sein Kopfkissen feucht von Tränen war. Er konnte sich nicht gleich zurückhalten, und sie liefen noch lange in warmen, feuchten, schnellen Strömen über seine Wangen.

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Für Romaschow aber ging, wegen seines Arrestes, der ganze Reiz diefer süßen Erholungszeit verloren. Er stand sehr früh auf und konnte dann trotz allem Bemühen nicht einschlafen. Er fleidete sich träge an, trant ohne Appetit Tee und schrie einmal sogar deswegen Hainan an, der wie stets lustig, munter und plump wie ein junger Hund herum­lief. ( Fortsetzung folgt.)

Ein Meistersinger.

Mit Ausnahme weniger ehrgeiziger Streber ertrugen alle Offiziere den Dienst wie einen ihnen aufgezwungenen, un­angenehmen, widerwärtigen Frondienst, der sie bedrückte und den sie nicht liebten. Die jüngeren Offiziere kamen schul­jungenmäßig zu spät zum Dienst und drückten sich sachte, wenn sie wußten, daß man sie dafür nicht fassen konnte. Die Rottenfommandeure, meistens Leute mit großer Familie, die, im Sumpf ihrer häuslichen Verhältnisse, durch die Romane ihrer Frauen vollständig in Anspruch genommen waren, Stöhnten unter dem Druck grausamer Armut und dem Leben über ihre Mittel sowie unter der Last übermäßiger Ausgaben die Ewigkeit ausgestattet, startes Papier, goldener Schnitt, jedes Ge­und hoher Wechsel. Sie häuften Schulden auf Schulden, borgten an einer Stelle, um an einer anderen zu bezahlen; biele kamen dahin, und zwar meistens auf Andrängen ihrer Frauen, aus der Regimentskasse oder von dem Gelde, das Soldaten für freiwillige Arbeiten zufam, Summen zu ent­nehmen; andere hielten Monate, sogar Jahre lang Soldaten Geldbriefe zurück, die sie vorschriftsmäßig hätten abliefern müssen. Einige lebten nur vom Wint"," Stoß" und Lands­fnecht"; mancher spielte falsch man wußte das wohl, blickte aber durch die Finger. Dabei tranken alle stark: sowohl im Trotzdem ist das Buch mit dem ernsthaften Apparat der Kasino, wie bei gegenseitigen Besuchen; andere, wie Sliwa, mit Daten und Charakteristik; hinten ein Anhang, in dem die Universitätsliteratur versehen. Born eine steif feierliche Einleitung Quellennachweise und Varianten wichtig verzeichnet werden und wo wir genau erfahren, in welchem Augenblick eines der Gedichte das Licht der Welt erblickt, ob es mit Bleistift oder mit violetter Tinte geschrieben, ob auf Quartbogen oder Oktav, auf blauem Post­papier oder weißen Blättern. Kurz diese bisher unbekannte Lyrit ift mit einem Anhub in die Weltliteratur, in das Himmelreich der Klassiker geworfen worden.

tranken in der Einsamkeit.

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Auf diese Weise konnten die Offiziere sich gar nicht ernst­lich mit ihren dienstlichen Obliegenheiten beschäftigen. Den ganzen inneren Mechanismus der Rotte hielt meistens der Feldwebel in richtigem Gange; er besorgte die ganzen Schreib­angelegenheiten und hielt den Rottenkommandeur unmerklich, aber fest in seinen muskulösen wohlerfahrenen Händen. Zum Dienst gingen die Rottenoffiziere mit demselben Widerwillen wie die Subalternen, und sie nahmen die Fähnriche nur um ihr Prestige zu wahren, selten aus ehrgeizigem Dünkel, bisweilen etwas heran.

Vor einigen Tagen ist in Berlin ein Gedichtbuch erschienen, für dicht auf einem besonderem Blatt, bestünde es auch nur aus zwei Beilen. Der Poet, der diese Gesänge verübt, hat alle Reime bereits Wer die geheimen Liebhabereien aber in durch den Tod gebüßt. die Deffentlichkeit trieb und ihnen dies pomphafte Gewand anhängte, der muß doch wohl des Glaubens sein, ein Großer im Reiche der Lyrik sei neu entdeckt. Dder sollen die Gedichte nur Bekenntniswert haben, sollen sie biographische Zeugnisse sein, nicht Bereicherungen der Kunst? Auch solcher Anspruch kann nicht geltend gemacht werden. In den tausend Reimen findet sich kein individuelles Gefühlchen, tein noch so bescheidenes Erlebnis.

" Für den Erivecker einer großen öffentlichen, nicht literarischen, deutschen Kunst war die Lyrik als solche nicht eine Sunst der Deffentlichkeit, sondern lediglich der Ausdrud privater Mitteilung im Freundeskreise, gedruckte Lyrik vollends ein Widersinn und eine Verirrung des öffentlichen Kunstgeistes", so erzählt der Herausgeber. Die Bataillonskommandeure taten namentlich im Winter Mit anderen Worten: Der Erzenger der erwähnten Reime verstand so gut wie gar nichts. Es gibt im russischen Heere zwei solche unter Lyrik die Postkarten-, Fremdenbuch- und Depeschenpoesie, Zwischenposten den des Bataillons- und Brigadekomman- jene Ausdrücke gehobener Stimmung, wo einem nichts Profaisches deurs: diese beiden befinden sich stets in ganz unbestimmter mehr einfällt und deshalb Reimereien den Sinn ersetzen müssen. und untätiger Lage. Im Sommer müssen sie wenigstens soll man nicht auch mit dem Widersinn buchhändlerisch spekulieren! Das Zeug zu drucken ist allerdings ein Widersinn aber warum Bataillonsererzieren vornehmen, an den Regiments- und Indessen der Herausgeber will mehr als läppische Reime ge­Divisionsübungen teilnehmen und die Strapazen des Manövers fammelt haben. Er schwelgt: Das Jch, in welchem diese Vorgänge auf sich nehmen. In ihrer freien Zeit aber saßen sie im( die achtundvierziger Belegung, der der Krieg von 1870/71 Kasino, lasen hartnäckig den" Invaliden"( ein Militärblatt), ihren finden, ist zugleich der lebendige Kern

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Daher stritten sich über das Avancement, spielten Karten, gestatteten und Mittelpunft all feines Schaffens und Gestaltens. den jüngeren Offizieren gern, sie zu bewirten; veranstalteten der unwiderstehliche Bauber der Originalität, des Persönlichen bei sich zu Hause gesellige Abende und bemühten sich, ihre auch in der kleinsten dieser Kundgebungen, die Fülle tiefsinnigen Ernstes und nie versiegenden Humors, die volle, unverwechselbare zahlreichen Töchter an den Mann zu bringen. und unnachahmliche Eigenart des Genius, aus deren Tiefen heraus er gleicherweise den Ton findet, um zu Königen und zu Kindern zu sprechen" usw. Das ist etwas viel auf einmal, und wir sind sehr im Zweifel, ob man einem Shakespeare und Goethe mit Recht eine solche Univerfalität genialer Vorzüge nachrühmen dürfe. Aber der Heraus geber dringt noch tiefer ein in seinen Helden. Der Dichter hat also auch zu Königen geredet und bringt im Anschluß an die verschiedenen Phasen dieses einzig dastehenden Verhältnisses, die ganze Stala der Ausdrucksfähigkeit seiner Sprache, seines Verses zur Anwendung" schwärmt der Herausgeber. Und dann folgen volle 106 Beweise für dieses Gutachten. Blättern wir in den Beweis­stücken:

Vor den großen Besichtigungen aber strengten alle von oben bis unten sich übermäßig an und plackten sich gegen seitig. Dann gab es keine Erholung mehr; man wollte durch überzählige Dienststunden und angestrengte, freilich sinnlose Energie die verlorene Zeit wieder einholen. Mit den Kräften der Soldaten rechnete man nicht; die Leute wurden voll­ständig ausgepumpt. Die Rottenkommandeure zwiebelten und dämpften die jüngeren Offiziere, die ihrerseits wider natürlich und gemein schimpften; die Unteroffiziere, die vom Schreien heiser waren, schlugen grausam. Uebrigens schlugen nicht allein die Unteroffiziere. Solche Tage waren ein Das erste Gedicht stammt aus dem Jahre 1840, das letzte aus richtiges Leiden, und von der Sonntagserholung mit ein dem Jahre 1882, ein gutes Stück Weltgeschichte liegt somit zwischen paar Stunden Schlaf träumte das ganze Regiment vom dem frühesten und dem spätesten Reim. In die deutsche Kinderstube Der Verfasser, wie Kommandeur bis zum letzten zum letzten struppigen, schmutzigen des Vormärz führt gleich das dritte Poem. man gleich erkennen wird, ist ein Sachse, der ein wenig launisch in Burschen, wie von einer Paradieseswohltat. In diesem Frühjahr bereitete man sich mit verstärkter der Auswahl seiner politischen leberzeugungen ist. Während er noch am 15. Dezember 1840 früh um 7 Uhr bei der Ueberführung von Vehemenz zur Maiparade vor. Aus zuverlässiger Quelle war Napoleons irdischen Ueberresten nach Paris " dem traditionellen befannt geworden, daß der Korpskommandeur die Besichti- Bonapartefult front, dichtet er wenige Jahre später einen Gruß gung vornehmen würde ein General, der hohe Anforde- seiner Trenen an Friedrich August den Geliebten bei seiner Zurück rungen stellte, der in der militärischen Weltliteratur durch funft aus England den 9. August 1844". Darin versicherte er: feine Schriften über den Karlistenkrieg und den deutsch - fran­zösischen Feldzug 1870 großes Ansehen genoß, an dem er als Volontär teilgenommen hatte. Noch weit größeren Rufes

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erfreuten sich seine im Lapidarstil Suworows gehaltenen

Im treuen Sachfenland ertönt die frohe Kunde, von Englands fernem Strand sein König kehrt zurück;