Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 198.

101

16]

Das Duell.

Roman von A. Kuprin .

Mittwoch, den 11. Oktober.

( Nachdruck verboten.)

Einzig autorisierte Uebersegung von Adolf Heß. Romaschow trat näher. Sie drückte, während ihre Pupillen plöglich außerordentlich klein und scharf geworden waren, fest seine Hand. Ich habe Ihnen auf Ihre Bitte die dritte Quadrille reserviert. Hoffentlich haben Sie es nicht vergessen?"

Romaschow machte eine Verbeugung.

Wie sind Sie unliebenswürdig," fuhr die Peterson fort, Gesichter zu schneiden. Sie müßten sagen: Ich bin entzückt, Madame. Graf, nicht wahr, er ist ein Plumpfac?"

Was denn... Ich weiß wohl," brummte Romaschow unsicher. Danke für die Ehre."

Bobetinski eignete sich wenig dazu, den Abend lebhaft zu gestalten. Er dirigierte mit blasiertem und müde- gönner­haftem Aussehen, als wenn er eine für ihn schrecklich lang­weilige, für alle anderen aber wichtige Pflicht erfüllte. Vor der dritten Quadrille aber wurde er lebhafter, flog mit schnellen, kleinen Schritten durch den Saal, wie mit Schlitt­schuhen auf dem Eise, und rief besonders laut:

,, Quadrille- monstre! Cavaliers, engagez vos

Dames!"

Romaschow stand mit Raisa Alexandrowna dicht beim Musifantenfenster und hatte als Disabis Michin und Frau Leschtschenko, die ihrem Herrn faum bis an die Schultern reichte. An der dritten Quadrille beteiligten sich bedeutend mehr Zanzende, so daß die Paare fich an der Wand entlang und quer aufstellen mußten. Die einen wie die anderen mußten der Reihe nach tanzen, deshalb wurde jede Tour zweimal gespielt.

Ich muß mich erklären, muß ein Ende machen," sachte Romaschow, der vom Donner der Trommel und der durch das Fenster hereindringenden Blechmusik wie betäubt war. Genug!"" Auf seinem Gesicht lag unerbittliche Ent­schlossenheit." Bei den Regimentstanzordnern hatten sich längst einige besondere Gewohnheiten und liebe Scherze eingebürgert. So hielt man es in der dritten Quadrille stets für unumgänglich, Konfufion anzurichten und beim Kommando wie unabsichtlich amüsante Fehler zu machen, die stets denselben Tumult und Gelächter hervorriefen. Auch Bobetinski, der die Monstre­Quadrille unerwartet mit der zweiten Tour begonnen hatte, ließ bals Cavalier seul" tanzen, ließ dann die Herren, wie sich verbessernd, zu ihren Damen zurückkehren, bald kom mandierte er Grande ronde", änderte das Kommando und ließ die Herren ihre Damen wieder suchen. ,, Mes Dames, avancez. Pardon, reculez! Cavalier seul! Bardon, zurück, balancez avec vos Dames, zurück doch!"

.

Raisa Alexandrowna sprach unterdessen in giftigem Tone, vor Bosheit schwer atmend, dabei mit einem Lächeln, als wenn die Unterhaltung die lustigsten und angenehmsten Dinge zum Gegenstand hätte.

Ich erlaube nicht, so mit mir umzugehen. Verstanden? Ich bin feine junge Gans. Ja. Und anständige Menschen handeln nicht so. Ja."

14

Wir wollen uns nicht zanken, Raisa Alexandrowna," bat Romaschow eindringlich und weich.

,, zuviel Ehre zanken! Ich kann Sie nur ver­achten. Aber sich über mich luftig machen, erlaube ich niemandem. Warum haben Sie nicht einmal auf meinen Brief geantwortet?"

Aber Ihr Brief hat mich nicht zu Hause getroffen, schwöre ich Ihnen."

Ah, Sie wollen mir etwas weismachen! Als wenn ich nicht wüßte, wo Sie verkehren... Aber seien Sie über­zeugt..

,, Cavaliers en avant! Ronde des Cavaliers. A gauche! Links, links! Nach links doch, meine Herren. Ach, die verstehen auch gar nichts! Plus de la vie,

1905

Messieurs," schrie Bobetinski, die Tänzer in schnellen Kreisen fortziehend und verzweifelt mit den Füßen stampfend. " Ich kenne alle Intrigen dieses Frauenzimmers, dieser Liliputanerin," fuhr Raija fort, als Romaschow an seinen Blaz zurückgekehrt war. Sie bildet sich wirklich umsonst so viel ein! Diese Tochter eines diebischen Notars..

" Ich möchte doch bitten, sich in meiner Gegenwart nicht derart über meine Bekannten zu äußern," erwiderte Roma­schow finster.

Jetzt erfolgte eine rohe Szene. Die Peterson richtete eine wahre Flut von Schmähworten an Schurotschkas Adresse. Das künstliche Lächeln hatte sie bereits vergessen und bemühte sich jetzt, ganz bunt vor Erregung, die Musik mit ihrer Schnupfenstimme zu überschreien. Romaschow errötete bis zu Tränen infolge seiner Schwäche und Fassungslosigkeit und aus Schmerz über die Schurotschka zugefügten Beleidi­gungen sowie deshalb, weil es ihm bei dem betäubenden Lärm nicht möglich war, auch nur ein Wort vorzubringen, und hauptsächlich endlich, weil man bereits auf sie aufmerksam geworden war.

Ja, ja, ihr Vater hat gestohlen, sie braucht die Nase nicht so hoch zu tragen," schrie die Peterson. Sagen Sie ihr bitte, daß sie sich etwas rarer macht. Wir wissen auch von ihr allerhand! Ja!"

" Ich bitte Sie," stammelte Romaschow.

Warten Sie, ich werden Ihnen beiden schon die Zähne zeigen. Ich öffne dem Schafskopf Nikolajew , den sie nicht einmal im dritten Jahr auf die Akademie bringen kann, die Augen. Was soll aus dem armen Tropf werden, der nicht einmal fieht, was ihm dicht vor der Nase geschieht. Sie hat auch einen Liebhaber!"

,, Mazurka générale! Promenade!" schrie Bobetinski und glitt, ganz vornübergebeugt, in der Pose eines fliegenden Engels durch den Saal.

Unter dem schweren Gestampf der Schritte zitterte und schwankte der Fußboden im Taft; die Anhängsel am Kron­leuchter flirrten und spielten in bunten Farben, während die Tüllgardinen am Fenster sich mäßig hin und her bewegten. Warum wollen wir uns nicht friedlich trennen?" fragte Romaschow sanft. Er fühlte im Innern, daß dieses Weib ihm außer Abscheu eine häßliche, aber unbezwingbare Feig­heit einflößte. Sie lieben mich nicht mehr... Lassen Sie uns als gute Freunde scheiden."

-

-

" Ah! Sie wollen mir auf den Zahn fühlen? Seien Sie unbesorgt, mein Lieber" sie sagte: Bein Bieber" ich gehöre nicht zu denen, die man verläßt, ich verlasse andere, wenn ich will, aber ich kann mich wirklich nicht genug über Ihre Niedrigkeit wundern."

Wir wollen doch schnell enden," sagte Romaschow un­geduldig in dumpfem. Tone und biß die Zähne zusammen. ,, Entrealt fünf Minuten. Cavaliers, occupez vos dames!" rief der Tanzordner.

" Ja, wenn ich es will. Sie haben mich gemein betrogen. Ich habe Ihnen alles geopfert, alles gegeben, was ein an ständiges Weib geben kann... Ich kann meinem Gatten, diesem idealen, schönen Mann nicht in die Augen sehen. Jhretwegen habe ich meine Weibes- und Mutterpflichten ver­nachlässigt. O, warum bin ich ihm nicht treu geblieben!" ,, Mag ja alles sein!" Romaschow fonnte sich eines Lächelns nicht enthalten. Ihre zahllosen Romane mit allen eben erst in den Dienst getretenen jungen Offizieren waren im Regiment ebenso gut bekannt, wie alle anderen Liebes­geschichten, die sich zwischen sämtlichen fünfundsiebzig Offizieren und ihren Frauen und Verwandten abspielten. Ihm fielen jezt Ausdrücke ein, wie: Mein Schafskopf"," Dieses Etel von einem Mann"," Dieser Schwäter, der ewig herum­lungert" und andere nicht weniger fräftige Ausdrücke, die Raisa in Briefen und mündlich an ihren Mann verschwendet hatte.

" Ah! Sie haben die Frechheit, noch zu lachen! Gut!" flammte Raisa auf. Wir müssen anfangen!" fiel ihr plötz lich ein. Sie ergriff die Hand ihres Kavaliers, trippelte vor­wärts, wiegte den Oberkörper graziös in den Hüften und lächelte frampfhaft. Als sie die Tour beendet hatten, nahm ihr Gesicht plößlich wieder einen bösen Ausdruck an. bei einem wütenden Insekt," dachte Romaschow.

Wie