Anterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 199.
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Donnerstag, den 12. Oktober.
( Nachdruck verboten.)
Das Duell.
Einzig autorisierte Uebersetzung von Adolf Heß. Romaschow schwieg und blickte auf den mageren, dunklen, aderigen Hals Petersons. Aber Raisa meinte mit der frechen Sicherheit, die sie stets beim Lügen offenbarte:
Jurij Alerejitsch philosophiert fortwährend. Er sagt, das Tanzen hätte sich überlebt und sei dumm und albern." , Er tanzt aber doch selbst," meinte Peterson mit tückischer Gutmütigkeit. Nun, tanzt, meine Kinder, tanzt; ich störe Euch nicht."
Raum war er fort, so sagte Raisa mit falscher Gefühlsseligkeit: Und diesen heiligen, ungewöhnlichen Mann habe ich betrogen!... Und wem zuliebe! O, wenn er wüßte, wenn er es nur wüßte!"
,, Mazurka générale!" schrie Bobetinski. Die Herren nehmen die Damen weg!"
Infolge der langen Bewegung heißer Körper und des vom Parkett aufsteigenden Staubes war es im Saal schwül geworden, und die Flammen der Lichter hatten sich in gelbe Nebelflecke verwandelt. Jezt tanzten viele Paare, und da der Platz nicht reichte, bewegte sich jedes Paar auf einem beschränkten Raume. Die Tanzenden drängten und stießen sich gegenseitig. Die Tour, die der Tanzordner angab, bestand darin, daß ein einzelner Herr irgendein tanzendes Paar verfolgte. Während er sich um dasselbe herumdrehte und gleichzeitig Mazurka tanzte, was sehr lächerlich und ungeschickt aussah, bemühte er sich, den Moment zu erfassen, wo die Dame ihm mit dem Gesicht gegenüberstand. Dann flatschte er schnell in die Hände, was so viel bedeutete wie: er nähme die Dame weg. Der andere Herr aber bemühte sich, ihn hieran zu hindern, und drehte und zog seine Dame fortwährend von einer Seite auf die andere, während er selbst bald zurückging, bald zur Seite sprang und sogar den freien linken Ellbogen in Aktion setzte und damit nach der Brust des Gegners zielte. Diese Tour veranlaßte im Saal stets ein wüſtes, unfeines und unschönes Treiben.
Schauspielerin!" flüsterte Romaschow leise und beugte sich dicht zu Naiſa hin.„ Lächerlich und traurig, Sie anzuhören."
„ Sie scheinen betrunken!" rief Raisa verächtlich und warf auf Romaschow einen Blick, wie er in Romanen üblich ist und mit dem Heldinnen Bösewichter von Stopf bis zu Füßen" zu mustern pflegen.
1905
Reizend! Ein Infanterie- Offizier in der Rolle des feuschen Joseph, des schönen!"
" Ja, ja, in der Rolle.." flammte Romaschow auf. " Ich weiß selbst, daß das lächerlich und erbärmlich ist Aber ich schäme mich nicht, über meine verlorene Reinheit, die einfache körperliche Reinheit zu trauern. Wir beide sind freiwillig in eine Sentgrube hinabgestiegen, und ich fühle, daß ich jetzt nie mehr wagen werde, mich einer guten, feuschen wohl: Sie, Sie, Sie! Sie sind älter und erfahrener als ich, Liebe hinzugeben. Und daran sind Sie schuld hören Sie Sie haben sich in Liebessachen schon hinreichend versucht." Die Peterson erhob sich mit erhabener Unzufriedenheit vom Stuhle.
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Genug!" sagte sie in dramatischem Tone. Sie haben erreicht, was Sie wollten. Ich hasse Sie. Ich hoffe, daß Sie von heute ab Ihre Besuche in unserem Hause einstellen, wo man Sie wie einen Verwandten aufgenommen, Sie gespeist und getränkt hat, wo Sie sich aber als solch ein Schuft erwiesen haben. Wie tut es mir leid, daß ich meinem Gatten nicht alles entdecken kann; er ist ein Heiliger, ich bete ihn an, und ihm alles offenbaren hieße ihn töten. Aber glauben Sie mir, er würde die Ehrenkränkung einer wehrlosen Frau zu rächen wissen!"
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Romaschow stand ihr gegenüber, blinzelte krampfhaft durch seinen Kneifer und blickte auf ihren großen, welfen, von Wut verzerrten Mund. Durch das Fenster drang betäubende Musik; mit verzweifelter Hartnädigteit huſtete die abscheuliche Posaune, und die zudringlichen Schläge der türkischen Trommel fuhren Romaschow direkt an den Kopf. Er hörte Raisas Worte nur in Bruchstücken und verstand sie nicht. Aber es war ihm, als wenn sie wie die Trommelschläge ihn direkt an den Kopf träfen und sein Gehirn erschütterten.
Raisa klappte geräuschvoll den Fächer zusammen. ,, D, niederträchtiger Schuft!" flüsterte sie tragisch und ging schnell durch den Saal ins Toilettezimmer.
"
Alles war zu Ende. Aber Romaschow empfand nicht die erwartete Befriedigung; von seinem Herzen fiel nicht, wie er sich früher vorgestellt hatte, eine schmutzige und schwere Last. Nein, jetzt fühlte er, daß er unschön, feige und unaufrichtig gehandelt hatte, indem er die ganze moralische Schuld auf ein beschränktes, klägliches Weib wälzte; und er malte sich ihre Bitterkeit, Fassungslosigkeit und ohnmächtige Wut aus und dachte an ihre bitteren Tränen und geschwollenen, roten Augen dort im Toilettezimmer.
" Ich falle, ich falle," dachte er voll Abscheu und Gram. Was ist das für ein Leben! Wie eng, flein und schmutzig... Dieses unfittliche, unnötige Liebesverhältnis, Sauferei, Langeweile, tödliche Einförmigkeit des Dienstes.. Wenn doch nur ein einziges lebendiges Wort, nur ein Augenblick reiner Friede sich einstellte! Bücher, Musik, Wissenschaft wo find die?"
Nein, sagen Sie, warum haben Sie mich betrogen?" rief Romaschow böse.„ Sie haben sich mir nur hingegeben, damit ich Sie nicht verließe. O, wenn Sie es noch aus Liebe getan hätten; wenn nicht aus Liebe, wenigstens aus Sinnlichkeit. Ich hätte es verstanden. Aber Sie haben es einzig Er trat wieder ins Eßzimmer. Hier geleiteten Osadtschi aus Unmoralität, aus niedriger Prahlsucht getan. Schreckt und Romaschows Rottenkamerad. Wetkin, den vollständig Sie wirklich nicht der Gedanke, wie häßlich wir beide ge- trunkenen Lech, der schwach und hülflos den Kopf beugte und handelt haben, als wir uns ohne Liebe aus Langeweile, zur versicherte, er sei Bischof, zum Ausgang. Ojadischi predigte Zerstreuung, sogar ohne Neugierde, nur aus: aus Spielerei angehört haben, wie Dienstmädchen Sonntags mit ernstem Gesicht und rollender Stimme wie ein ProtoSonnenblumenkerne fauen. Wissen Sie wohl: Das ist„ Gib uns den Segen, allerheiligster Priester. Die schlimmer, als wenn ein Weib sich für Geld hingibt. Das geschieht aus Not, Verführung... Wissen Sie, ich schäme mich und empfinde Ekel, an diese kalte, zweckloje, unverzeih
liche Gemeinheit auch nur zu denken!"
Mit faltem Schweiß auf der Stirn und traurigen, erloschenen Augen blickte er auf die Tanzenden. Da segelte, ohne ihren Herrn anzusehen, kaum die Füße aufhebend, mit unbeweglichen Schultern und der beleidigten Miene verdrießTicher Unnahbarkeit die majestätische Talmann, und neben ihr sprang, bergnügt wie ein Bock, Epifanow. Da war die Kleine Lykatschew, ganz Ponceau mit strahlenden Augen und entblößtem, unschuldigem Mädchenhals... Da stand Graf Olifar mit dünnen, steifen und wie Schenkel eines Zirfels geraden Beinen. Romaschow blickte hin und hatte Kopfschmerzen und wollte weinen. Aber neben ihm stand Raisa, blaß vor Wut, und redete mit übermäßigem Theaterpathos.
diakon.
gottesdienstliche Handlung hat begonnen
lauter wurde es im Eßzimmer. Die Luft war derart von Tabaksqualm erfüllt, daß die Gäste an den verschiedenen Tischenden sich kaum noch sehen konnten. In einer Ecke wurde gesungen, am Fenster saß man in dichten Haufen beisammen und erzählte sich unanständige Geschichten, die die gewöhnliche Würze aller Mittags- und Abendmahlzeiten bildeten.
Je mehr der Tanzabend sich dem Ende näherte, um so
Alle diese Geschichten waren gemein, zotig und geistlos, und wie das stets geschieht, hatte die Lacher nur ein Er3ähler, nämlich der sicherste und gemeinste, auf seiner Seite. Wetkin kehrte vom Hofe zurück, wo er Lech in einen Wagen gesetzt hatte, und bat Romaschow, sich zu ihm an den Tisch zu sehen.