Dann fiihrten die Unteroffiziere ihre Züge im Laufschrittzu den Turngeräten, die an verschiedenen Enden des Platzesstanden. Unterfähnrich Lbow, ein starker, geschickter Burscheund ausgezeichneter Turner, legte schnell Mantel und Uniformrock ab und lief, nur im blauen Kattunhemd, als erster zumBarren. Er sprang am Barrenende zum Stüh, schwangdreimal vor- und rückwärts, beschrieb mit dem ganzen Körpereinen Kreis, so daß sich einen Augenblick seine Füße direktüber dem Kopf befanden, stieß sich kräftig vom Barren ab,flog in elastischem Bogen anderthalb Schritt vorwärts, über-fchlug sich in der Luft und kam geschickt wie eine Katze auf denBoden zu stehen.„Unterfähnrich Lbow, machen Sie wieder Faxen!" riefSliwa mit verstellter Strenge. Der„alte Bruder" hegte imGrunde seines Herzens eine besondere Borliebe für denUnterfähnrich, der ein ausgezeichneter Soldat und vorzüg-licher Kenner des Dienstes war.„Zeigen Sie, was in derInstruktion verlangt wird. Hier ist keine Ostermesse und keinZirkus."„Zu Befehl, Herr Hauptmann!" krächzte Lbow vergnügt.„Zu Befehl, fällt mir gar nicht ein," zwinkerte er Roma-schow zu.Die vierte Korporalschaft übte an der schrägen Leiter.Die Soldaten traten nacheinander heran, hängten sich mitgestreckten Armen an eine Sprosse, machten Klimmzug undkletterten mit den Händen in die Höhe. Unteroffizier Schapo-walenko stand unten und machte Bemerkungen:„Nicht mit den Beinen baumeln. Fußspitzen nach oben!"Die Reihe kam an den Gemeinen vom linken Flügel.Chlebnikow, der der ganzen Rotte zum Spott diente. Roma-schow wunderte sich oft, wenn er ihn ansah, wie man diesenkümmerlichen, verhungerten Menschen, fast einen Zwerg mitschmutzigem, bartlosem, schiefem Gesicht, zum Soldaten hattemachen können. Und wenn der Leutnant seinem blödsinnigenBlick begegnete, in dem ein für allemal vom Tagt der Geburtan stumpfsinnige, ergebene Furcht gleichsam geronnen war,so rührten sich in Romaschows Herzen ein sonderbar traurigesGefühl und Gewissensbisse...Chlebnikow hing unförmlich und plump wie ein Ge-hängter an der Leiter.„Aufziehen, Hundeschnauze, aufziehen!" schrie der Unter-offizier.„Nun, wird's bald!"Chlebnikow machte Anstrengungen, hoch zu kommen,zappelte aber nur hilflos mit den Beinen und baumelte mitihnen hin und her. Eine Sekunde wandte er sein kleines,graues, von einer aufgestülpten Nase kläglich überragtes Ge-ficht zur Seite und nach unten. Und plötzlich riß er von derSprosse los und fiel wie ein Sack auf den Boden.„A— a! Machst wohl nicht gern jemnastijche Uebungen!"brüllte der Unteroffizier.„Du Schuft, verdirbst mir denganzen Zug! Ich werd' Dich!"„Schapowalenko, untersteh Dich nicht, zu schlagen!" riefRomaschow vor Scham und Zorn aufflammend.„UnterstehDich niemals zu schlagen!" rief er, lief zum Unteroffizier undpackte ihn an der Schulter.Schapowalenko stand stramm und legte die Hand an denMützenschirm. Nur in seinen Augen, die, mit einemmalfoldatenmäßig, jeden Ausdruck verloren hatten, zitterte einkaum bemerkbares, spöttfiches Lächeln.„Zu Befehl, Herr Leutnant. Nur gestatten Sie: Istganz unmöglich, mit dem fertig zu werden."Chlebnikow stand in krummer Haltung daneben; erblickte stumpfsinnig auf den Offizier und rieb sich mit demHandrücken die Nase. Mit einem Gefühl heftigen, ver-geblichen Mitleids wandte Romaschow sich von ihm ab und tratzum dritten Zuge.Nach dem Turnen, als die Leute zehn Minuten Er-holungspause hatten, traten die Offiziere wieder mitten aufdem Platz am Barren zusammen. Die Unterhaltung hattesofort die bevorstehende Maiparade zum Gegenstände:„Ich sage Euch, jeder General hat seine Rücken," sagteSliwa mit besonderer Handbewegung und ließ seine wässe-rigen Augen erstaunt umhermarschieren.„Ich weiß noch,wir hatten einen Generalleutnant Ljwowitsch als Korps-kommandanten. Er war von der Genietruppe zu uns ge-kommen. Und da beschäftigten wir uns denn bei ihm nurmit Graben. Dienstreglement, Tenipo, Exerzieren— allesNebensache. Vom Morgen bis Abend wurden alle möglichenSchützengräben aufgeworfen, bis zum Verrecken! Im Sommeraus Erde, im Winter aus Schnee. Das ganze Regiment warvon Kopf bis zu Füßen mit Lehm beschmiert. Der Kom-mandeur der zehnten Rotte, Hauptmann Aleinikow, Gott Hab'ihn selig, wurde für den Annenorden vorgeschlagen, weil erin zwei Stunden eine Lünette oder Barbette gegraben hatte."„Großartig!" flocht Lbow ein.„Dann— das war schon zu Ihrer Zeit. Pawel Pawlitsch,das Schießen unter General Aragonski."„Ah. das„Gerüstschießen.,? lachte Wetkin.„Was heißt das?" fragte Romaschow.Sliwa machte eine verächtliche Handbewegung.„Das heißt, daß wir damals nur Sinn für die Schieß-instruktion hatten. Der Soldat antwortete bei der Besichfi-gung mit so unfehlbarer Sicherheit, daß er zum Beispiel statt„Geschützriesen"—„Gerüstschießen" sagte,— so waren allendie Köpfer vernagelt! Der Zeigefinger hieß nicht Zeige-finger» sondern Drückfinger; das rechte Auge war das„Ziel-auge"."„Wissen Sie noch, Athanasius Kyrillitsch, wie damalstheoretisch geochst wurde?" sagte Wetkin.„Ballisfische Linie,Derivation... Weiß Gott, ich habe es selbst niemals ver-standen. Es kam vor, daß man den Soldaten sagte:„Dahast Du ein Gewehr, sieh in die Mündung. Was siehst Du?"„Ich sehe eine e m m a t s ch i näre Linie, die Laufachse heißt."Dafür schössen wir aber! Wissen Sie noch,?lthanasiusKyrillitsch?"„Nun natürlich. Wegen ihrer Schießleistungen kamunsere Division in die ausländischen Zeitungen. Zehn Prozentüber ausgezeichnet— nun sag' einer! Das haben wir abergedeichselt, liebe Leute! Die besten Schützen wurden voneinem Regiment ins andere übernommen. Und wenn eineRotte mal für sich schoß, so knallten die jüngeren Offiziereaus Revolvern hinter der Anzeigerdeckung. Eine Rottezeichnete sich so aus, daß man nachzählte; da saßen in derScheibe fünf Kugeln melir, als abgefeuert waren. Hundert-undfünf Prozent Treffer, der Feldwebel konnte mit demKleistertopf kaum mitkommen!"„Und unter Slessarew die Schrebersche Gymnastik, wissenSie noch?"„Wie sollte ich nicht, sitzt heute noch bei mir. Habengeradezu Ballett getanzt. Was da nicht alles die Generalemachten, hol's de? Kuckuck! Aber ich sage Ihnen, meineHerren, im Vergleich mit den jetzigen Zuständen ist doch allesUnsinn und fauler Zauber. Jetzt heißt es einfach— so nehmtdenn Abschied, Brüder; jetzt kann man nur einpacken!Früher wußte man wenigstens, was gefragt wurde, aber jetzt?Ach, sei so gut, lieber Soldat— mein„Nächster", man mußhuman sein!— Hauen muß man die Kerls! Ach, dieses„Entwickeln der geistigen Fähigkeiten",„Gewandtheiten"und„Kombinationsgabe". Suworow-Soldaten! Man weißjetzt gar nicht mehr, was man den Kerls beibringen soll. Dahat man wieder einen neuen Scherz ausgedacht, die durch-gehende Attacke..."„Ja, das ist keine Schokolade!" nickte Wetkin mit-fühlend.lFortsetzrmg folgt.)sNachdruik verVoten.)Islänäifcke lVringsfifcKerei.Der Heringsfang ist zum Teil beendet, zum Teil geht er seinerBeendigung für dieses Jahr entgegen. Während die Fischer� derNordsee vielfacb über schlechten Fang klagen, ist in den isländischenGewässern auch heuer der Heringsfang ein außerordentlich ergiebigergewesen. Was die Natur der Insel Island nämlich an Boden-Produkten versagt hat, hat sie in reicher Fülle ihren Flüssen undSeen, besonders aber den sie umgebenden Gewässern des Meeres,gespendet. Diese sind reich an Fischen der verschiedensten Art, undso wird Fischfang aus Lachse, Stockfische, Heringe, Haie und Walevon den Isländern mit vielem Eifer, obwohl mit wechselndem Er-folge betrieben. Am Hcringsfange sind die eingeborenen Isländerallerdings, trotzdem auch hier in den letzten Jahren Fortschritte zuverzeichnen gewesen sind, doch weniger beteiligt als andere Nationen.Die Norweger haben einen großen Teil der Heringsfanges in denisländischen Gewässern in den Händen. Das ist stets seit langerZeit so gewesen. Vielleicht kommt das daher, daß der Norweger,wie die Beioohner des nördlichen Europa überhaupt, große Kennerund Liebhaber von Heringen sind, während bei den Isländern dieserFisch als Nahrungsmittel niemals recht eingeführt gewesen ist undauch heute noch nicht genügend gewürdigt wird. Wahrscheinlich istder Grund hierfür die Abneigung des Isländers gegen Salz, weil erden Skorbut so sehr fürchtet. Alle ihre präservierten Nahrungs-mittel werden nämlich entweder durch Trocknen und Räuchern süßoder durch Sauergärung sauer haltbar gemacht; den Hering aberkann man wegen seines hohen Gehaltes an Tran nicht ohne Sab»haltbar machen.