Anterhaltungsblatt des Vorwärfs
Nr. 203.
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Mittwoch, den 18. Oktober.
( Nachdrud verboten.)
Einzig autorisierte Uebersetzung von Adolf Seß. Hauptmann Duvernois? Die Soldaten hatten ihm den Spiznamen gegeben: Doverni noga( 3ieh' die Beine nach)." Nein, Duvernois ist geizig und liebt mich nicht das weiß ich
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sid So ging er alle Rottenfommandeure von der ersten bis zur sechzehnten Rotte durch und schloß selbst die nicht zur Linie gehörige Trainrotte mit ein; dann machte er sich seufzend an die jüngeren Offiziere. Er hatte die Hoffnung auf Erfolg noch nicht verloren, wurde im Innern aber doch schon etwas unruhig, als ihm plötzlich ein Name in den Kopf kam: Oberst leutnant Rafalski!"
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,, Rafalski. Und da zerbreche ich mir den Kopf: Hainàn! Rock, Handschuhe, Mantel- flink!"
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Mein lieber Himmel! Liebe Bäume!" flüsterte er mit feuchten Augen.
Oberst Brehm" wohnte in einem mit besonders hohent grünem Zaun umgebenen Hofe. Auf der Pforte stand die furze Inschrift:„ Nicht ohne Klingeln eintreten, Hunde!!" Romaschow klingelte. Aus der Pforte trat ein träger, zerzauster, verschlafener Offiziersbursche:
" Herr Oberstleutnant zu Hause?" Bitte, Herr Leutnant!" " Geh', meld' mich."
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" Nein, bitte so," der Bursche scheuerte sich träge dent Schenkel.„ Herr Oberst lieben nicht, daß man anmeldet..." Romaschow trat auf dem Backsteinwege ins Haus. Hinter der Hausecke sprangen zwei riesige junge mäusefarbene Doggen mit gestuzten Ohren hervor. Einer von ihnen bellte laut, aber gutmütig. Romaschow schnalzte mit den Fingern, und die Dogge tappste munter mit den Vorderbeinen bald rechts, bald links, und bellte noch lauter. Der andere Hund ging hinter Oberstleutnant Rafalski, Kommandeur des vierten Ba- dem Leutnant her und schnüffelte mit ausgestreckter Schnauze taillons, war ein alter, wunderlicher Junggeselle, der als neugierig an seinen Mantelschößen herum. Im Hintergrunde großer Tierfreund im Regiment scherzhafterweise, natürlich des Hofes stand im grünen Gras ein kleiner Esel; er träumte nicht ins Gesicht, Oberst Brehm" genannt wurde. Er ver- friedlich in der Frühlingssonne, blinzelte mit den Augen und fehrte mit keinem Kameraden, machte nur die offiziellen Ofter- bewegte vor Vergnügen die Ohren. Hier wimmelte es von und Neujahrvisiten und war im Dienst so nachlässig, daß er Hühnern und bunten Hähnen, Enten und chinesischen Gänsen beim Exerzieren und im Rapport stets Verweise und arge mit einem Auswuchs am Schnabel ; Perlhühner schrien durch Wischer bekant. Seine ganze Zeit, alle Mühen und die ganze dringend, und ein majestätischer Truthahn umfreiste mit ausunausgesetzte Fähigkeit seines Herzens zur Liebe und An- gebreitetem Schweife und mit den Flügeln den Boden streifend hänglichkeit widmete er seinen lieben Tieren, den Vögeln, Hochmütig und wollüstig die zarten Truthühner. Neben einem Fischen und Vierfüßlern, deren er eine ganze große, originelle Troge lag mit der Seite auf der Erde ein riesiges rosa YorkMenagerie bejaß. Die Regimentsdamen, die sich im Grunde shire- Schwein. ihrer Seele über seine Gleichgültigkeit gegen sie gekränkt Oberst„ Brehm" stand in einer schwedischen Lederjoppe, fühlten, sagten, sie verständen nicht, wie man es bei Rafalski| mit dem Rücken der Tür zugewandt, am Fenster und bemerkte aushalten könne: das wäre einfach fürchterlich mit den Tieren! nicht, wie Romaschow eintrat. Er war an einem Aquarium „ Und dann, verzeihen Sie den Ausdruck aber der Ge- beschäftigt und hatte die Hand bis an den Ellbogen hineinstant! Bfui!" getaucht. Romaschow mußte sich zweimal räuspern, bis Brehm" sein mageres, langes, bärtiges Gesicht mit altem Schildpattkneifer umwandte.
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Alle seine Ersparnisse gab Oberst" Brehm" für Tiere aus. Der Sonderling beschränkte seine persönlichen Bedürfnisse auf das unumgänglichste; trug Mantel und Uniform aus Gott weiß welcher Zeit, schlief wie es ging, aß Soldatenessen der fünfzehnten Rotte; schrieb aber für das Soldatenessen trotz dem eine Summe an, die mehr als bedeutend war. Kameraden, namentlich jüngeren Offizieren, schlug er, wenn er bei Geld war, selten kleine Gefälligkeiten ab. Die Gerechtigkeit verlangt hinzuzufügen, daß es nicht üblich war, sogar als lächerlich galt, ihm geborgtes Geld zurückzugeben dafür war er eben der Sonderling, Oberst Brehm".
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Wenn lockere Fähnriche in der Art Lbows ihn um zwei Rubel anpumpen wollten, sagten sie: Ich möchte gern Ihre Menagerie sehen". Das war nämlich der Weg zum Herzen und zum Geldbeutel des alten Junggesellen. Iwan Antonitsch, haben Sie feine neuen Tiere? Bitte, zeigen Sie sie mir. Sie verstehen das alles so interessant zu erzählen..." Romaschow war ebenfalls häufig bei ihm gewesen, bis Sahin aber ohne eigennützige Absichten: er liebte Tiere in der Tat mit ganz besonderer Zärtlichkeit. Als Kadett und später als Junker in Moskau ging er weit lieber in den Zirkus als in das Theater, noch lieber in den Zoologischen Garten und in die Menagerie. Der Traum seiner Kindheit war, einen Bernhardiner zu besigen, jezt träumte er davon, Bataillonsadjutant zu werden, um ein Pferd zu bekommen. Aber beiden Träumen war die Verwirklichung versagt: Dem Traum der Kindheit wegen der Armut, in der seine Familie lebte, und dem Adjutantentraum, weil man ihn wegen seiner wenig repräsentablen Figur kaum zum Adjutanten ernenney würde.
Er ging aus dem Hause. Warme Frühlingsluft strich zart schmeichelnd um seine Wangen; der nach dem letzten Regen aufgetrocknete Boden federte elastisch unter seinen Tritten. Die weißen Müßen der Traubenkirschen und die blauen der Syringen hingen dicht und niedrig hinter dem Zaun hervor auf die Straße. In Romaschows Innern dehnte fich plötzlich etwas mit ungewöhnlicher Macht, als wenn er fliegen wollte. Er blickte sich ringsum und zog, als er fah, daß niemand auf der Straße war, Schurotschtas Brief aus der Tasche, durchlas ihn und preßte die Lippen fest auf die Unterschrift.
"
A- a, Unterleutnant Romaschow! Seien Sie will fommen." sagte Rafalski höflich.„ Verzeihen Sie, daß ich Ihnen nicht die Hand gebe-- sie ist naß. Ich sezze da gewisser maßen einen neuen Syphon ein, habe den früheren vereinfacht und was Hübsches zustande gebracht. Wollen Sie Lee?" " Dante ergebenst. Habe schon getrunken. Ich bin ge kommen, Herr Oberstleutnant.
Sie
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Romaschow faßte sich ein Herz.
Iwan Antonitsch, ich habe eine große, große Bitte an
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Geld?"
" Ja, ich geniere mich, Sie zu belästigen, Ich brauche wenig, zehn Rubel. Baldige Rückzahlung verspreche ich nicht, aber..
Iwan Antonitsch zog die Hände aus dem Wasser und trocknete sie an einem Handtuch ab.
" Zehn kann ich Ihnen geben. Mehr habe ich nicht, aber zehn mit Vergnügen. Sie machen doch keine Dummheiten? Nu, nu, mu, ich mache ja Scherz. Kommen Sie."
Er führte ihn durch die ganze Wohnung, die aus fünf, sechs Zimmern bestand. Es waren weder Möbel noch Vorhänge darin. Die Luft war von einem scharfen Geruch erfüllt, wie in der Behausung kleiner Raubtiere. Die Fußböden waren derart beschmiert, daß die Füße ausglitten.
In allen Ecken waren kleine Höhlen und Lagerstätten aus Baumstümpfen, Fässern ohne Boden, wie kleine Häuschen angebracht. In zwei Zimmern standen Bäume mit vielen Aesten,
einer für Vögel, der andere für Marder und Eichhörnchen mit künstlichen Höhlungen und Nestern. Aus der Art, wie diese tierische Brutstätten eingerichtet waren, ging fleißiges Nachdenken, Liebe zu den Tieren und große Beobachtungsgabe hervor.
Der Oberstleutnant hatte Romaschows Bitte anscheinend ganz vergessen. Er führte ihn von einer Höhle zur anderen, zeigte ihm seine Lieblinge und sprach von ihnen mit solcher Begeisterung und solcher Anhänglichkeit, solch eingehender Kenntnis ihrer Gewohnheiten und Eigenschaften, als wenn es sich um gute, liebe Bekannte handelte. In der Tat hatte er eine für einen in dieser öden kleinen Stadt lebenden Lieb