Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 204.

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Das Duell.

Roman von A. Kuprin .

Donnerstag, den 19. Oktober.

( Nachdruck verboten.)

Einzig autorisierte Uebersetzung von Adolf Heß. Sie trennten sich. Aber gleich darauf rief Wettin den Kameraden zurück. Romaschow wandte sich um.

,, Menagerie besehen?" fragte Wetkin listig und deutete mit dem Mittelfinger über die Schulter auf Rafalstis Saus. Romaschow nickte mit dem Kopf und sagte im Tone tiefster Ueberzeugung:

Brehm ist ein prächtiger Mensch. Ein lieber Kerl!" " Stimmt!" pflichtete Wetkin ihm bei. Nur der Gestank!"

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so lächerlich. Man braucht Sie nur leicht zu berühren, so ziehen Sie sich zurück wie eine schamhafte Mimose." Alexandra Petrowna, Ihr Brief heute hat mich so beunruhigt, da steht ein Sah..

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Lieber, Lieber, nicht doch!." Sie ergriff seine beiden Hände, drückte sie fest und blickte ihm direkt in die Augen. In diesem Blick lag wieder etwas für Romaschow ganz Neues eine Art schmeichelnder Zärtlichkeit und angestrengter Auf­merksamkeit, sowie Unruhe, und weiter lag in der rätselhaften Tiefe ihrer blauen Augen ein sonderbarer, unverständlicher, eine geheime, dunkle Seelensprache redender Ausdruck... ,, Bitte, nicht doch. Denken Sie heute nicht daran Sind Sie wirklich nicht zufrieden damit, daß ich die ganze Zeit aufgepaẞt habe, bis Sie vorbeikamen? Ich weiß ja, was Sie für ein Hasenfuß sind. Wagen Sie nicht, mich wieder so anzusehen!"

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Sie lachte verwirrt und befreite ihre Hände. Nun genug Romotschka, Taps, wieder Küssen Sie die Hand nicht! So. Jetzt die andere. So. Schlaufopf. Kommen Sie. Vergessen Sie aber nicht," sagte sie mit schnellem, heißem Flüstertone, heute ist unser Tag, Sönigin Alexandra und ihr getreuer Ritter Georgii. Verstanden?

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Als Romaschow gegen fünf Uhr an das von Nikolajews bewohnte Haus heranfuhr, fühlte er mit Erstaunen, daß seine zuversichtliche Morgenstimmung verschwunden und an ihre Stelle eine sonderbare, ganz grundlose Unruhe getreten war. Er fühlte, daß diese Empfindung nicht auf einmal und nicht eben jetzt, sondern schon weit früher sich eingestellt hatte; offenbar war die Unruhe in seinem Innern allmählich und unmerklich gewachsen und hatte schon früher begonnen. Was kommen Sie." ,, Sier, bitte schön.. eine bescheidene Gabe...". konnte das sein? Aehnliche Erscheinungen hatte er schon als Sind wahrgenommen, und er wußte, daß er, um sich zu beheiten! Nein, ich scherze. Danfe Ihnen, lieber Nomotschka. Was ist das? Parfüm? Was machen Sie für Dumme ruhigen, den Grund dieser unklaren, unruhigen Stimmung Wolodja!" sagte sie laut und ungezwungen beim Eintritt ins herausfinden mußte. Als er sich eines Tages auf diese Weise Gastzimmer. Da haben wir noch einen Teilnehmer am einen ganzen Tag herumgequält hatte, fiel ihm erst gegen Picnic, und noch dazu auch ein Geburtstagskind." Abend ein, daß er mittags beim Ueberschreiten von Eisenbahn­schienen durch das plötzliche Pfeifen einer Lokomotive betäubt und erschreckt war, und daß sich dann unbemerkt diese ver­zweifelte Stimmung eingestellt hatte; sobald er sich dessen aber erinnerte, wurde ihm sofort leicht und sogar fröhlich zumute. Und nun machte er sich daran, in Gedanken schnell alle Eindrücke des Tages in umgekehrter Reihenfolge wieder durch­zugehen. Der Laden Swiderstis; das Parfüm; dann hatte er den Kutscher Leib gemietet, der fuhr ausgezeichnet; war zur Post gegangen, hatte sich nach der Uhr erkundigt; war ein herrlicher Morgen. Stephan... Sollte Stephan der Grund sein? Aber nein für den hatte er einen Rubel beiseite gesteckt. Aber was war es denn? Was war es eigentlich? Am Baun standen schon drei zweispännige Equipagen, zwei Burschen hielten gefattelte Pferde am Zügel: den dunkel­braunen alten Wallach Olisars, den dieser kürzlich als Kavallerieausschußpferd gekauft hatte, und die hübsch ge­wachsene, ungeduldige Fuchsstute Bet- Agamalows mit bösem Feuer in den Augen.

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Ach der Brief!" tauchte plötzlich eine Erinnerung in Romaschow auf. Diese sonderbare Bemerkung: Troy allem und allem, und zwar unterstrichen... das heißt, da ist etwas nicht in Ordnung. Vielleicht zürnt Nikolajew mir! Ist eifersüchtig? Vielleicht ein Geschwätz? Nikolajew war die letzten Tage so fühl mit mir. Nein, nein, ich fahre vorüber!"

Weiter!" schrie er dem Kutscher zu.

Aber im selben Augenblid fühlte erhörte nicht etwa und sah nicht, sondern fühlte wie die Haustür sich öffnete er fühlte es am süßen, stürmischen Schlagen seines Herzens. Romotschka! Wohin wollen Sie?" ertönte hinter ihm die fröhliche helle Stimme Alexandra Petrownas. Er zog den Kutscher Leib am Gurt und sprang aus dem Wagen. Schurotschka stand im schwarzen Rahmen der offenen Tür. Sie trug ein glatt anliegendes weißes Kleid mit roten Blumen am Gürtel an der rechten Seite; dieselben Blumen leuchteten hell und warm in ihrem Haar. Sonderbar: Romaschow wußte ganz sicher, daß sie es war, und erkannte sie dennoch gleichsam nicht. Er bemerkte an ihr etwas Neues, Festtägliches und Strahlendes.

Während Nomaschow seinen Glückwunsch murmelte, nötigte sie ihn, ohne seine Hände aus den ihrigen zu lassen, mit zarter, vertraulicher Gewalt, gleichzeitig mit ihr in den dunklen Flur zu treten, und dabei sprach sie schnell und halblaut:

" Danke Ihnen, Romotschka, daß Sie gekommen sind. Ach, ich war so bange, daß Sie absagen würden. Hören Sie: feien Sie heute lieb und lustig, achten Sie auf nichts. Sie sind

Im Gastzimmer ging es laut und unordentlich her, wie stets vor einem allgemeinen Aufbruch. Der dichte Tabaks­qualm erschien dort, wo die schrägen vom Fenster ausgehenden Garben der Frühlingssonne ihn durchschnitten, hellblau. Mitten im Simmer standen in lebhafter Unterhaltung fieben oder acht Offiziere, und am allerlautesten schrie unter unauf­börlichem Husten mit seiner heiseren Stimme der lange Tal­Da waren: Hauptmann Osadtschi und die unzer­mann. trennlichen Adjutanten Olisar und Bet- Agamalow, und Leutnant Andrusewitsch, ein kleiner, unternehmender junger Mann mit sobarfem Rattenschnäuzchen, und noch jemand, den Romaschow nicht gleich sah. Sofja Pawlowna Talmann faß lachend, gepudert und geschminkt, gleich einer großen heraus­gepusten Puppe, mit zwei Schwestern des Leutnant Michin auf dem Sofa. Beide jungen Damen trugen gleiche, einfache, selbstgemachte hübsche weiße Kleider mit grünen Bändern; beide waren rosig, schwarzhaarig, dunkeläugig und sommer­sprossig; beide hatten blendend weiße, aber unregelmäßige Bähne, die ihrem Mund einen besonderen, eigenartigen Reiz verliehen; beide waren hübsch und lustig. Waren einander und gleichzeitig ihrem sehr wenig hübschen Bruder sehr ähnlich. Von den Regimentsdamen waren noch die Frau Leutnant Andrusewitsch, eine kleine, dice, dumme und komische Dame mit weißem Gesicht, eingeladen, die alle möglichen zweideutigen Geschichten und schmutzige Anekdoten kolportierte; endlich waren da noch die hübschen, redseligen, lispelnden Fräulein Lykatschews.

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Wie stets in Offiziersgesellschaften, hielten sich die Damen feparat von den Herren in einer Ecke. Neben ihnen saß, nachlässig und gedenhaft in einen Stuhl hingepflanzt, der Stabshauptmann Diez. Dieser infolge seiner geschnürten Figur und seines abgenutzten und selbstsicheren Gesichts­ausdruckes einem preußischen Leutnant wie er in deutschen Bigblättern farifiert wird- ähnliche Offizier war wegen einer dunklen Skandalaffäre aus der Garde in das Linien­regiment verfekt worden: Er zeichnete sich durch unerschütter­liche Sicherheit im Verkehr mit Männern und freche Zudring­lichkeit im Verkehr mit Damen aus. Er spielte sehr viel und stets glücklich, aber nicht im Offizierskasino, sondern in Bürger­flubs, im Hause städtischer Beamter und polnischer Gutsbesitzer der Umgegend. Im Regiment liebte man ihn nicht; alle hatten gleichsam die unbestimmte Erwartung, daß in Zukunft irgend eine schmuzige Geschichte mit ihm passieren würde. Es hieß, er hätte ein Verhältnis mit der jungen Frau des verlebten Brigadekommandeurs, der in derselben Stadt wohnte. Ferner waren seine nahen Beziehungen zu Frau Talmanu stadtkundig.