Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 207.

25]

Das Duell.

Roman von A. Kuprin .

Dienstag, den 24. Oktober.

( Nachdrud verboten.)

Einzig autorisierte Uebersetzung von Adolf e B.

Jezt erhob Romaschow sich höher und sah deutlich ihre schwarzen, großen Augen, die bald kleiner, bald größer wurden, wodurch in der Dunkelheit ihr ganzes ihm so bekanntes und unbekanntes Gesicht sich wunderbar veränderte. Er suchte mit heißen trockenen Lippen ihren Mund, aber sie wich ihm aus, schüttelte leise den Kopf und wiederholte langsam, flüsternd: ,, Nein, nein, nein... mein Lieber, nein. ., Geliebte.. wie bin ich glücklich! Ich liebe Dich..." wiederholte Romaschow in einer Art entzückten Traums. Ich liebe Dich. Sieh: Diese Nacht, diese Stille, und niemand außer uns. D, mein Glück, wie ich Dich liebe!"

..

Aber sie sagte flüsternd ,, nein, nein" und lag schwer atmend mit dem ganzen Körper auf dem Boden. Endlich sagte sie kaum hörbar, gleichsam mit Anstrengung: ,, Romotschka, warum sind Sie so schwach? Ich will es nicht verbergen, es zieht mich zu Ihnen hin, Sie sind mir lieber als alle anderen: wegen Ihrer Unbeholfenheit, Ihrer Reinheit, Ihrer Zärtlichkeit. Ich will Ihnen nicht sagen, daß ich Sie liebe, aber ich denke immer an Sie, ich sehe Sie im Traum, ich... ich fühle Sie... mich erregt Ihre Nähe und Ihre Berührung. Aber warum sind Sie stets so wehleidig? Ist doch Mitleid die Schwester der Verachtung. Glauben Sie mir: Ich kann Sie nicht verehren. D, wenn Sie doch stark wären." Sie nahm die Müße von Romaschows Kopf und begann sein weiches Haar langsam zu streicheln und zu glätten. Wenn Sie sich doch einen großen Namen, eine hohe Stellung erobern wollten!..

"

,, Das tae ich, tue ich!" rief Romaschow leise. Seien Sie uur mein. Kommen Sie zu mir. Ich will Sie das ganze Leben.

"

Sie unterbrach ihn mit freundlichem, traurigem Lächeln, das aus ihrer Stimme flang:

" Ich glaube, daß Sie das wollen, Liebling, aber Sie tun nichts. Ich weiß, daß Sie nichts tun. O, wenn ich nur ganz wenig auf Sie hoffen könnte, würde ich ja alles hinwerfen und zu Ihnen kommen. Ach, Romotschka, mein Herrlicher, ich habe ein Märchen gehört, daß Gott alle Menschen zuerst ganz gefchaffen, dann aber aus irgendwelchem Grunde jeden in zwei Teile zerschlagen und diese in der Welt zerstreut hätte. Und jezt sucht die eine Hälfte das ganze Leben lang die andere und findet sie nicht. Mein Lieber, auch wir beide sind zwei Hälften. Wir haben alles gemeinsam: Was wir lieben und was wir nicht lieben, unsere Gedanken, Träume und Wünsche. Wir verstehen uns durch Blicke und halbe Worte, sogar ohne Worte, allein feelisch. Und nun muß ich Dir entsagen. Ach, das ist schon das zweitemal in meinem Leben." " Ja, ich weiß."

"

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Hat er zu Dir gesprochen?" fragte Schurotschka schnell. Nein, das ist zufällig gekommen. Ich weiß es." Sie schwiegen. Am Himmel flammten als zitternde, grüne Fleckchen die ersten Sterne auf. Von rechts drangen faum hörbar Stimmen, Gelächter und Gesang herüber. Der übrige Teil des in weiche Finsternis versunkenen Gehölzes

war von heiliger nachdenklicher Stille erfüllt. Der Scheiße

1905

findlicher Roman! Aber er gerät schon von dem bloßen Namen in Raserei."

Als sie sprach, zitterte ihre Stimme und auch ihre Hand, die seinen Kopf streichelte.

st Dir kalt?" fragte Romaschow.

Nein, Lieber, mir ist gut," sagte sie sanft. Und plötzlich rief sie mit unerwarteter, unbezwinglicher Leidenschaft aus: Ach, mir ist so gut bei Dir, mein Geliebter!"

"

Dann legte er ihre Hand in seine, berührte leise ihre zarten Finger und begann in schüchternem, unsicheren Tone: Sag mir... ich bitte Dich. Du sagst ja selbst, daß Du ihn nicht liebst. Warum seid Ihr denn zusammen?"

Aber sie richtete sich schnell vom Boden auf, setzte sich hin und fuhr hastig mit den Händen über die Stirn und die Wangen, wie aus einem Schlaf erwachend.

Es ist schon spät. Komm. Man sucht uns vielleicht schon," sagte sie in verändertem, ganz ruhigen Tone.

Sie erhoben sich aus dem Grafe und standen sich schweigend, jeder den Atem des anderen hörend, sich dicht in die Augen blickend und sie doch nicht sehend, einander gegenüber.

,, Leb wohl!" rief sie plötzlich mit hellflingender Stimme. Leb wohl, mein Glüd, mein kurzes Glück!"

Sie schlang plöglich die Hände um seinen Hals, preßte ihren heißen, feuchten Mund gegen seine Lippen und drängte sich mit zusammengepreßten Zähnen, stöhnend vor Leidenschaft, mit dem ganzen Körper, von den Füßen bis zur Brust gegen ihn. Romaschow hatte eine Empfindung, als wenn die schwarzen Eichenstämme nach einer Seite entwichen, die Erde aber nach der anderen, und als wenn die Zeit stehen blieb. Dann befreite sie sich gewaltsam aus seinen Händen und sagte fest:

Leb wohl. Genug. Jetzt wollen wir gehen." Romaschow fiel vor ihr ins Gras, umschlang ihre Füße und begann ihre Knie mit langen festen Küssen zu bedecken. Sascha, Saschenka!" stammelte er unsinnig, warum willst Du Dich mir nicht hingeben? Warum nicht? Sei mein!. Komm, fomm," drängte sie ihn zur Eile. So stehen Sie doch auf, Georgii Alerejitsch. Man überrascht uns hier. Kommen Sie."

"

Sie gingen in der Richtung, aus der man Stimmen hörte. Romaschow knickten die Beine ein und zitterten, und in den Schläfen hämmerte das Blut, er wankte beim Gehen.

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" Ich will keinen Betrug," sagte Schurotschka hastig und noch schwer atmend. Nein, ich stehe über dem Betrug, aber ich will keine Feigheit: Im Betrug liegt stets Feigheit. Ich sage Dir die Wahrheit: Ich habe meinen Mann noch nie be­trogen und betrüge ihn auch so lange nicht, bis ich ihn aus bestimmten Gründen verlasse. Aber seine Schmeicheleien und Küsse sind für mich schrecklich, sie flößen mir Efel ein. Höre, ich habe erst jetzt nein, schon früher, wenn ich an Dich und Deine Lippen dachte ich habe erst jetzt verstanden, welch unendlicher Genuß, welch unendliche Seligkeit darin liegt, sich einem geliebten Manne hinzugeben. Aber ich will keine Feig­heit, ich will keinen heimlichen Diebstahl. Und dann. Wart, beug Dich zu mir, Lieber, ich will es Dir ins Ohr sagen, es ist unanständig... dann will ich kein Kind haben. Pfui, wie gemein: Ein Oberleutnant, achtundvierzig Rubel Gage, sechs Kinder, Windeln, Armut... O, wie schrecklich!" Romaschow sah sie verständnislos an. das ist doch un

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,, Aber Sie haben doch einen Mann vermeidlich," sagte er unentschlossen.

haufen war von hier nicht zu sehen, aber bisweilen lief an den Gipfeln der nächsten Eichen, wie der Abglanz eines fernen Schurotschka lachte laut auf. In diesem Lachen lag etwas Wetterleuchtens ein rotes, zitterndes Licht entlang. Schu- instinktiv Unangenehmes, was Romaschow innerlich kalt an rotschka streichelte leise Kopf und Gesicht Romaschows; als er aber mit den Lippen ihre Hand gefunden hatte, drückte sie selbst die Handfläche gegen seinen Mund.

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Ich liebe meinen Mann nicht," sagte sie langsam, wie in Gedanken. Er ist roh, undelikat, ohne jede Empfindung. Ach - ich schäme mich, es zu sagen aber wir Frauen vergessen nie die erste Gewalt, die man uns antut. Dann ist er so wütend eifersüchtig. Er quält mich jetzt noch immer mit diesem unglücklichen Najanski. Stöbert jede Kleinigkeit heraus, stellt so ungeheuerliche Anforderungen an mich, pfui! Forscht mich frech aus. Ach Gott ! Es war doch ein unschuldiger, halb

wehte.

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,, Romotschka... Ach, ach, ach, wie sind Sie dumm!" rief sie mit der Romaschow bekannten dünnen Kinderstimme, Berstehen Sie diese Dinge wirklich nicht? Nein, sagen Sie die Wahrheit verstehen Sie das nicht?" Er zückte verwirrt die Achseln. Ihm war so ungemütlich wegen seiner Naivität zumute. Entschuldigen Sie. Ihnen mein Ehrenwort..

aber ich muß sagen. ich gebe

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Nun, Gott behüte Sie; ist auch nicht nötig. Wie sind Sie rein, lieber Nomotschka! Wenn Sie einmal erwachsen sind,