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wandte sich zu Romaschow. Also auf Wiedersehen, Jurij Alerejitsch."

Die beiden gaben sich nicht die Hand, sondern berührten die Müßen. Als aber Romaschow den sich entfernenden, im Staube weißen, festen Nacken Nikolajews fah, fühlte er sich plötzlich so von der ganzen Welt verlassen und so einsam, als wenn aus seinem Leben das Allerwichtigste, Allergrößte herausgenommen wäre.

Er ging langsam nach Hause. Hainan trat ihm im Hofe entgegen, schon von weitem vergnügt und lustig grinsend. Er nahm dem Leutnant den Mantel ab und lachte die ganze Beit vor Vergnügen und tanzte die ganze Zeit auf ein und Semjelben Flect.

Saft nicht gegessen?" fragte er mit teilnehmender Ver­traulichkeit. Bist wohl hungrig? Ich laufe gleich ins Kasino, bring' Dir zu essen."

"

Scher' Dich zum Teufel!" Heulte Romaschow ihn an. Scher Dich fort und wag' nicht zu mir ins Zimmer zu kommen. Und wer nach mir fragt ich bin nicht zu Hause, wenn auch der Kaiser selbst kommt."

,, Xerxes ".

( Nachdrud verboten.)

Ein Charakterbild.- Von Carl Busse .

( Schluß.)

Gymnasium gewesen war. Er hätte gern die bunte Müze getragen

Auf der Universität wurde es nicht anders, als es auf dem

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schon aus Eitelkeit aber weil er zu ängstlich war, sich dem blanten Schläger zu stellen, hielt er sich dem Burschenleben fern. Er verstand es meisterhaft, alle seine Schwächen vor sich selber zu Tugenden aufzublajen. Er studierte, da sein Vermögen nicht groß genug war, als daß er auf einen Beruf hätte verzichten können, Philologie- teils in dem Gedanken, einmal eine Berufung an eine Universität zu erhalten, teils vielleicht auch, in dem, als Lehrer es den Schülern heimzahlen zu tönnen was er selber gelitten. Erst als Probekandidat, dann als Hilfslehrer amtierte er an zwei Gym­nasien, unbeliebt bei Lehrern und Schülern, und wurde endlich mit Beginn des Wintersemesters einem Institut überwiesen, in dem sich fein Schicksal entschied.

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Ueber den einsamen See ziehen zwei Taucher, die schenen Bögel, die plötzlich unter dem Wasserspiegel verschwinden, als hätt' die Tiefe fie verschluckt. Abendsonne zittert über die ruhende Fläche, Er legte sich auf das Bett, vergrub den Kopf in die Kissen sie streift Schilf und Rohr, läßt die glasigen Flügel einer Seejungfer und biß mit den Zähnen hinein. Seine Augen brannten, ein aufleuchten, trifft das blanke Rohr des Revolvers. Heinrich Hecker stechender, fremder Schmerz schnürte gleichzeitig seine Kehle zieht eine Patrone aus der vollen Schachtel. Er wundert sich, daß zusammen und trieb sie auseinander, und er wollte weinen. fie flebrig ist wie mit Talg eingeschmiert. wie mit Talg eingeschmiert. Wahrscheinlich, um Er fuchte gierig diese heißen, angenehmen Tränen, dieses stärkere Reibungen zu verhindern. Und nun lädt er. Mit leichtem lange, bittere, erleichternde Schluchzen. Und er rief sich ab- Bittern der Hände, mit großer ängstlicher Vorsicht. fichtlich wieder und wieder den vergangenen Tag in das Gefeine Feinde. Alle gegen ihn; er gegen alle Es war hier wie überall. Die Schüler seine Feinde, die Kollegen sein Los. Er dächtnis zurück, wobei er alle gegenwärtigen schimpflichen und fürchtete die Schüler, wenigstens einige, die ihn frech und frei an­schändlichen Ereignisse gleichsam verdichtete; stellte sich, gleich- blickten. Er peinigte dafür die anderen, die sich nicht wehrten, die fam wie von außen, gedemütigt, unglücklich, schwach und ver- nur duldeten. Sie haßten ihn alle, auch die Lehrer. Er war das ge­stoßen, und voll trauriger Rührung über sich selbst vor. Aber wohnt. Aber einen wollt er auf seiner Seite haben: den Direktor. Tränen kamen nicht. Weshalb? Viele Gründe gab es da. Der Mann fonnt ihm nüßen. Ein günstiger oder ungünstiger Bericht von ihm fiel ins Gewicht. Und Seinrich Heder wollte vorwärts. Es kam die Zeit, wo er fich nicht mehr damit begnügen wollte, nur vor sich selbst als Genie dazustehen. Er hatte genug gewartet. Und vor allem: er wollt' vorwärts, um sich ein Mädchen leichter zu erringen, das die Schönste der Stadt und gleichzeitig die Tochter seines Chefs war.

Dann geschah etwas Sonderbares. Es schien Romaschow, daß er überhaupt nicht geschlafen, nicht einmal eine Sekunde geträumt, sondern nur einen kurzen Augenblick ohne Ge­Santen mit offenen Augen dagelegen hätte. Und plötzlich fand er sich wach mit dem früheren Gram im Herzen. Aber im Zimmer war es schon dunkel. Es zeigte sich, daß in diesen unverständlichen Zustande geistiger Erstarrung über fünf Stunden verflossen waren.

Er wünschte zu essen. Er stand auf, schnallte den Säbel um, warf den Mantel um die Schultern und ging ins Kasino. Es war nicht weit, alles in allem zweihundert Schritte, und Romaschow ging dorthin nicht über die Straße, sondern auf einem Umwege über leere Pläße und Zäune mit Stellen zum Ueberklettern.

Im Speisezimmer, im Billardzimmer und in der Küche brannten Lampen; daher erschien der schmutzige, vollgestellte Hof des Offiziersfasinos schwarz, wie mit Tinte übergossen. Die Fenster waren überall weit geöffnet. Man hörte Reden, Gelächter, Gesang, ab und zu das Klappern von Billard­fugeln.

Romaschow war schon in den hinteren Eingang ein­getreten, blieb aber plöblich stehen, als er im Speisezimmer die erregte und spöttische Stimme Hauptmann Sliwas hörte. Das Fenster war zwei Schritte entfernt, und als Romaschow borsichtig hineinblickte, sah er den etwas gekrümmten Rücken feines Rottenkommandeurs.

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Die ganze Rotte marschiert wie ein Mann at! at! at! at!" ſagte Sliwa, die ausgestreckte Hand gleichmäßig hebend und senkend. Er allein aber, wie zum Trog O! o! gerade wie ein Ziegenbock."

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Er stieß unruhig und albern ein paarmal mit dem Zeige­finger in die Höhe. Sch habe ihm klipp und flar gesagt: Verehrtester, gehen Sie doch in eine andere Rotte. Besser, Sie treten ganz aus dem Regiment aus. Was kann aus Ihnen für ein Offizier werden? Sie Bindestrich", Sie..." Romaschow blinzelte mit den Augen und krümmte sich. Und es schien ihm, daß, wenn er sich jetzt rührte, alle Offiziere im Eßzimmer ihn bemerken und sich aus dem Fenster lehnen würden. So stand er ein oder zwei Minuten. Dann ging er, bemüht, möglichst leise zu atmen, frumm und den Kopf einziehend, auf den Zehenspißen die Wand entlang, immer schneller zum Tor, durchquerte schnell die mondbeleuchtete Straße und verschwand im dunklen Schatten des gegenüber liegenden Zaunes.

( Fortfehung folgt.)

Der Revolver ist geladen. Die fleine, dunkle, freiskunde Mündung weist nach dem See, dorthin, wo noch immer die beiden Taucher ziehen.

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Bei dem Direktor hat er sich beliebt zu machen gesucht. Es war nicht gelungen. Es war ein Tag gekommen, wo er um die Hand des schönsten Mädchens angehalten und einen Korb mit nach Hause gebracht hat. Seitdem wird es ihm grün und gelb vor den Augen, wenn er den Direktor fieht grün und gelb wie damals auf der Schule, wo ihm die lachenden Schüler auch ein Mädel wegnahmen. Er ist ganz boll von Wut und Zorn; jeden Tag tropft mehr davon in sein Herz; wieder hat er die dumpfe Ertvartung, als müsse etwas geſchehen. Es geschieht etwas. Er weiß mit einem Male, welchen Spik­namen er hat. Von Schülerhand fand er sich gezeichnet; darunter stand: erre31

Als ob dieser Name aus seiner eigenen Gymnasialzeit hundert Meilen durch die Luft geflogen ist und hier gezündet hat! Durch irgend einen feiner früheren Mitschüler muß er hierhergeschleppt ſein. Und mit dem Namen ist aller Hohn, alle Verachtung, alle Ges viele Jahre war er frei davon, frei von em verhaßten Namen, in ringschäßung, die sich damit verknüpfte, auch hierher gewandert. So deffen alvei Silben sich die ganze erduldete Schmach birgt. Nun er­wacht mit ihm die Vergangenheit und wälzt eine alte Flutwelle von Gift hinüber in die neue, die schon in ihm ist.

Kleine alltägliche Ereignisse, alle mit einem Stachel für ihn, kommen dazu. Es wäre sonst nicht zu erklären, wie das geschehen fonnte, was geschah. Er fühlte, daß er fort mußte, hatte sich schon fortgemeldet, wollte nur noch furze Zeit unterrichten. Da tam der Direftor in eine heiße Nachmittagsstunde hinein, um zuzuhören. Der Angiffchweiß trat dem Lehrer auf die Stirn. Er konnte taum reden. Sie versagten völlig, vielleicht weil sie matt waren durch die Hize, Er wußte, was von dieser Stunde abhing. Er rief die Schüler auf. vielleicht weil sie nicht antworten wollten. Immer ängstlicher, ver­zweifelter wurde er. Er stellte Fragen, von denen er wußte, daß fie töricht waren. Er sah, wie der Direktor die Lippen zusammen­preßte, wie hinten in der Bant ein Schüler ibn angrinite. licher Spannung darauf wartete, daß seine Mitschüler die Quale Und mit einem Male war ihm wie damals, als er in unerträg­reien beginnen würden. Auch jest sprach feiner, nicht der Direktor, nicht die Schüler. Und sie waren doch seine Todfeinde, die ihn be lauerten: drunten die Horde, die alles Gelernte ver.eugnete, drüben am Fenster der Chef, der wohl schon, währent er reglos verharrte, sein Todesurteil schrieb den Bericht, der ihm die Karriere ver­darb. Er raffte sich auf; er fragte nach dem Berserkönig, den Alexander der Große besiegt hatte. Und da tam eine Antwort endlich eine:

Xerges!"

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Hörte er denn recht? Lachte ihn die ganze Klasse höhnisch an? Budte der Direktor unwillig die Achseln?