Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 231.

Dienstag, den 28. November.

( Nachdrud verboten.)

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11]

Die Huerta.

Roman von V. Blasco Jbanez. Autorisierte Uebersetzung von Wilhelm Thal.

Als der Mann Batiste mitten auf dem Wege bemerkte, verlangsamte er seinen Schritt, und als Roseta ihren Vater erreichte, hatte sie einen großen Vorsprung vor ihrem Be­gleiter.

Batiste blieb stehen, um zu warten, bis der Unbekannte an ihm vorüber war und um zu sehen, wer er überhaupt war. , Gute Nacht, Herr Batiste!"

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...

1905

empört, das Waffer für immer entziehen! Daran mußte man doch auch denken das beste war, man wartete ab. Doch Batiste stand zu sehr unter dem Einfluß jenes eigen­sinnigen Bornes der phlegmatischen und gesetzten Leute, die die Ruhe ebenso langsam wiederfinden, wie sie sie verlieren. Zum Wasser!"

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Und Batistet, der fröhlich die Worte seines Vaters wieder­holte, ergriff die Spaten und verließ, bon seiner Schwester und den Kleinen begleitet, das Haus. Sie wollten alle an dieser Arbeit teilnehmen, die einem Feste glich. Die Familie erhob sich wie ein Volt, das sich in einer Empörung die Freiheit erobert.

Sie lenkten ihre Schritte nach dem Kanal, der im Schatten murmelte. Die ungeheuere Ebene verlor sich in einer bläu­Es war dieselbe schüchterne Stimme, die ihn am Nach- lichen Dunkelheit in der Ferne; das Röhricht wiegte sich wie mittag begrüßt: der Enkel des Vater Tomba. Dieser Bursche eine raunende, dunkle Masse, und die Sterne gligerten im schien keine andere Beschäftigung zu haben, als auf den Wegen tiefen Azur des Himmels. herumzustrolchen, um Batiste zu begrüßen und ihn mit seinen füßen Worten einzulullen.

Er betrachtete seine Tochter, die rot wurde und die Augen zu Boden schlug.

Nach Hause! Ich werde Dich bringen."

Und mit der furchtbaren Majestät des latinischen Vaters, der mehr Furcht als Liebe einzuflößen sucht und absoluter Herr und Gebieter über das Leben seiner Kinder ist, setzte er seinen Weg fort, von der zitternden Roseta begleitet, die einer un vermeidlichen Tracht Prügel entgegenzuwandern glaubte.

Sie irrte sich. In diesem Augenblick hatte ihr Vater feine anderen Kinder mehr auf der Welt, als seine Ernte, als dieſes arme, runglige, durstige Getreide, das ihn laut zu rufen und um einen Schluck Waffer zu bitten schien, um nicht sterben zu müssen. Daran dachte er, während seine Frau das Abend­effen bereitete. Das junge Mädchen ging in der Küche hin und her, besorgte scheinbar verschiedene Arbeiten, um nicht die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, und fürchtete von einer Minute zur anderen den Ausbruch des väterlichen Zornes. Doch Batiste dachte noch immer an sein Feld, während er an dem niedrigen Tische saß, an dem alle Seleinen beim Lichte des Tonlämpchens mit gierigen Augen die Kafferolle be­trachteten, in der der Stockfisch mit den Kartoffeln brodelte. Während des Essens seufzte die Frau wieder, jedenfalls weil sie einen Vergleich anstellte zwischen der fabelhaften Summe, die das Urteil ihnen raubte und dem hastigen Eifer, mit dem die ganze Familie die Rinnbaden arbeiten ließ. Batistet, der Aelteste, bemächtigte sich in scheinbarer Zerstreut heit sogar des Brotes der Kleinen. Die Furcht verlieh Roseta einen wahrhaft wilden Appetit.

Batiste selbst aẞ kaum, doch er betrachtete den Eßkampf der Seinen. Nie hatte er so klar wie in dieser Stunde die Last begriffen, die seine Schultern bedrückte. Alle diese Münder, die sich nur öffneten, um die mageren Ersparnisse der Familie zu verschlingen, würden nichts mehr zu essen be­kommen, wenn das Korn da drüben vertrocknete. Und warum? Weil die Menschen ungerecht sind, weil es Gesetze gibt, die den Arbeiter belästigen! Nein, er konnte sich in ein solches Unrecht nicht fügen. Seine Familie tam in erster Reihe. Hatte er denn nicht die Kraft, die Seinen vor den größten Gefahren zu beschützen? Hatte er nicht die Pflicht, ihnen ihren Lebensunterhalt zu schaffen? Er war der Mann, zum Dieb zu werden, damit sie ihr Brot hatten. Und warum hätte er sich auch unterwerfen sollen, da es sich ja nicht ums Stehlen, sondern um die Rettung seiner Ernte handelte, die ihm doch gehörte? Das Bild des Kanals, der in einer Ent­fernung von wenigen Schritten sein wohltätiges Wasser murmelnd dahinwälzte, war für ihn ein wahres Martyrium. Das brachte ihn in Wut, daß das Leben an seiner Tür vorbei­ging, ohne daß er einen Nußen davon hatte, weil die Geseze es so verlangten! Plöglich erhob er sich, wie jemand, der eben einen Entschluß gefaßt und, um ihn auszuführen, alle Hinder­nisse mit Füßen tritt.

" Zum Wasser! Zum Wasser!"

Seine Frau bekam Angst, denn sie erriet sofort die Gefahr diefes verzweifelten Entschlusses. Großer Gott, was ist denn? Man würde ihm eine noch schwerere Geldstrafe auferlegen! Bielleicht würden ihm die Richter sogar, über den Widerstand

Batiste trat bis zu den Knien in den Kanal, um die Schüße herabzudrücken, die das Wasser zurückhielt, während seine Frau, sein Sohn und seine Tochter die Böschung mit Hacken angriffen und Durchgänge herstellten, durch die das Wasser in großen Wirbeln stürzte. Die Erde sang vor Fröh­lichkeit, mit einem gierigen Glucksen, das allen das Herz er freute. Trink' Du Aermste, trink'! Und mit den Füßen im Schmutz watend, mit gebeugtem Rücken, liefen sie von einem Ende des Feldes zum anderen, um zu sehen, ob das Wasser auch überall hinkam.

Die ganze Familie empfand ein Gefühl der Frische und des Wohlbehagens. Batiste atmete mit der wilden Genug­tuung, die der Genuß des Verbotenen verleiht. Welche Last ihm das von der Brust nahm! Jetzt konnten sie kommen, die Leute vom Gericht, und tun, was sie wollten. Sein Feld trank, das war die Hauptsache.

Mit dem feinen Gehör des Mannes, der an die Einsamkeit gewöhnt ist, glaubte er in dem benachbarten Röhricht ein felt­fames Knistern zu vernehmen. Sofort lief er nach dem Hause und kam in aller Eile, sein neues Gewehr in der Faust, zurück. Dann blieb er, den Finger am Hahn, über eine Stunde bei der Schüße stehen.

Das Wasser schoß jetzt nicht mehr stromabwärts, es ver­breitete sich vollständig durch Batistes Aecker  , die es mit un­ersättlicher Gier tranfen. Vielleicht beklagte man sich da drüben, vielleicht streifte Pimento in seiner Eigenschaft als Atandador in der Nachbarschaft umher und entrüstete sich über diese freche Abweichung von der Vorschrift. Doch Batiste blieb wie eine Schildwache stehen, er verteidigte seine Ernte, kämpfte für seine Familie mit dem Heldenmut der Verzweiflung, wachte über die Sicherheit der Seinen, die auf dem Felde arbeiteten, um das Wasser zu verbreiten, und war fest entschlossen, auf den ersten Feuer zu geben, der es versuchte, die Schütze wieder hochzuziehen und den Strom des Wassers zurückzudämmen. Sie war so wild die Haltung dieses Mannes, dessen mächtige Gestalt sich unbeweglich mitten im Kanal abhob; man merkte, dieses schwarze Phantom war so fest entschlossen, jeden, der da auftauchte, mit Flintenschüssen zu empfangen, daß niemand das Röhricht verließ und die Furchen über eine Stunde ohne den geringsten Protest tranken.

Und nun ereignete sich etwas noch Merkwürdigeres. Am folgenden Donnerstag ließ der Atandador Batiste nicht vor das Tribunal fordern. Die Huerta wußte jetzt, daß der einzige Gegenstand von Wert in Barrets ehemaliger Hütte ein zwei­läufiges Gewehr war, das der Eindringling kürzlich mit der afrikanischen Leidenschaft des valencianischen Bauern gekauft, der sich gern des Brotes beraubt, um hinter der Tür seiner Hütte eine neue Waffe stehen zu haben, die Neid zu erregen und Achtung einzuflößen bermag.

V.

Tagtäglich sprang Roseta, Batistes Tochter, beim Morgen­grauen aus dem Bett; mit noch schlummerschweren Augen redte sie die Arme mit hübschen Bewegungen, die ihren an mutigen Blondinenförper erzittern ließen, und öffnete dann die Tür des Häuschens.

Schnell erschien, um ihre Röcke herumspringend und vor Freude heulend, der kleine häßliche Hund, der die Nacht