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Der Held der Fellingerschen Tragikomödie ist von dieser Art: Ein feinfühliger, grundgütiger Mensch, dem jede Spur ehrgeiziger Bose fern liegt. Grillparzer, sein bewundertes Muster, hat zu dem jungen Dollereder einmal gutmütig gesagt:" Sehen Sie zu, vielleicht ŵvird etwas aus Ihnen." Die Jahre sind dahingegangen; tagaus, tagein hat er auf dem Bureau gesessen, Brot für die Seinen herbeizuschaffen; aber der Abend gehörte ihm, da schrieb er Gedichte, Stizzen, Dramen nach Herzenslust. Wenn die Welt nichts von ihm wußte, Frau und Kinder glaubten an ihn. Er selbst, der Bescheidene, fühlte wohl nach Abschluß jedes Werkes dunkel die Unzulänglichkeit, aber jeder neu aufsteigende Einfall beflügelte sein Hoffen wieder. Das nächste Mal, da mußte der große Wurf gelingen!
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Derer, die ohne jede Spur der inneren Nötigung, ohne Ernst und sich engagiert. Die fomische Alte, die nicht komisch war, der Hingabe pfuschend einen leichten Sieg erringen möchten, stehen humoristische Vater, die Naive, die in hohen Tönen piepst. Es die anderen, denen die Natur mit starker künstlerischer Grregbarkeit war darauf gemacht, daß sie alle da waren. Dazu ein bißchen Ches zugleich den sehnsüchtigen Trieb nach eigenen Formen mitgegeben, bruch und Beinahe- Ehebruch, Gerichtsverhör unter vier Augen, der doch die Kraft des Vollbringens versagt hat, und die, so geäfft durch Ehemann, der sich selbst behörnt, private und amtliche Beurteilung, ihr Verlangen, den bloßen Trieb für eine Bürgschaft des Ver- Beamtengeist und-Dünkel wie gerne ließe man sich gerade das mögens nehmend, in fruchtlosem Kampfe fich zermürben. gefallen mit einer tüchtigen Säure übergossen! große Reden und absichtliche Wiederholungen. Mit alldem eine Handlung aufgebaut na aufgebaut!, und mit all dem so ein bißchen gefißelt. Gerade so beinahe ein Feuilleton. Drei Absäßchen und drei Sternchen. Es fönnt's auch einer in einem schreiben. Ein paar Nadelftiche und beinahe der Anfang einer Satire. Und wichtig. D. h. Wichtigkeit, die nicht über die Harmlosigkeit hinauskommt. Leere, die von Oasen redet. Jm Grunde ein Kalauer in moderner" Geste und mit überlegener Miene. Bestenfalls eine Goguenarde. Und doch wieder zu breit und platt, man kann nicht mal Absynth dazu trinken und Zigaretten dazu rauchen. Cafégeist. Nicht frei von Bierdunst. Und nennt sich Lustspiel. Laßt auf Dolchen tanzen, ich wills mit den Händen in den Hosentaschen respektvoll zusehen. Aber sagt mir nicht, daß das ein Lustspiel wäre. Was für Philister seid ihr doch, ihr lebergeister! Gespielt wurde schlecht. Grob. Was noch mit Feinheit gut zu machen wäre, das wurde auch noch versäumt. Unausstehlich waren die Frauen. Herrgott, heißt man das Theaterspielen! Aber das ist ja nicht mal Theater, biel weniger gespielt. Gut war Mar Marr als nervöser Rechtsanwalt und Bramarbas. Gut war auch Frib Beckmann als Privatier Hildebrand. Es war aber auch kein allzugroßes Kunststück. Die viel unterstrichene Nemesis was für ein unmöglicher Titel!- wird das Stück bald erreichen, hoff ich. Der" Dichter" war, sich berneigend, wiederholt erschienen. Er machte eine gute Figur zu hz; feinem Stück. Und zu seinem Publikum.
Das Dienstjubiläum Dollereders versammelt die ganze Familie um ihn. Die Kleinen im Engelkostüm begrüßen ihn mit einem Liedchen, die älteste Tochter, eine Bildhauerin, hat eine Wüste des geliebten Vaters gemeißelt, und mit strahlender Freude übergibt ihm die Frau eine Heimlich ersparte Summe, die die Herausgabe seiner Dichtungen ermöglichen soll. Nur der Sohn, der draußen den anerzogenen Glauben an die väterliche Poesie verLoren hat, ist ohne Festgabe zurüdgekehrt. Der Tag der Feier ist ein Tag des schmerzlichen Erwachens, des jähen Sturzes aus der lieben Illusion. Wie der betagte Mann die Bände in die Hand nimmt, prüfend auf das Drängen der Frau, was wohl aus diesem Schatz die Ehre der Veröffentlichung verdiene, wird ihm das unbestimmte Bangen zur niederschmetternden Gewißheit. Nicht Eins ist reif, wertlos der Ertrag des ganzen Lebens! Er betrog sich selbst, Frau und Kinder betrogen ihn in der blinden Bewunderung ihrer Liebe. In diesem zweiten Aft mit seinen intimen FamilienSzenen und dem gut motivierten Umschlag kulminiert das kleine Stück. Am Schlusse sieht man Dollereder, wie er von dem Jubiläumsschmaus, auf dem die Kollegen in Spottversen seine Dichterei verhöhnten, gebrochen, aber ohne Groll gegen die Beleidiger heimkehrt, wie er sich aufrichtet an der treuen Liebe der Seinigen und doch, nachdem er eben erst von seinem Lebensirrtum feierlich sich losgesagt, gleich wieder dem alten Wahn verfällt. Sein eigenes Schicksal, welch ein bedeutsamer Stoff! Daraus muß eine große Tragikomödie werden! Instinktiv geht er zum Schreibtisch, ergreift die Feder, Frau und Tochter schleichen leise aus dem Bimmer.
In der unübertrefflichen Darstellung haller& wuchs einem dieser Mensch ans Herz. Er weckte mit den schlichtesten Mitteln, ohne auch nur einen Augenblid uns den prosaischen Bureauborsteher über den stillen Schwärmer vergessen zu lassen, einen so tiefüberzeugenden Eindruck vornehmer Seelenweisheit, wie ich ihn sonst nur noch in einigen Darstellungen Sauers gespürt. Etwas rührend Resigniertes lag über der Gestalt. Man begriff die Liebe, mit der Frau und Kinder an ihm hängen, fühlte sie mit. Schr gut und einfach war auch Jika Grüning in der Rolle der Frau. Die beiden ältesten Geschwister wurden mit teilweis recht gelungener Nüancierung von Marietta Olly und KleinRhoden gespielt. Das Publikum folgte mit offenbarem Intereffe. Der Autor konnte mehrmals erscheinen.
dt.
Lustspielhaus.„ Nemesis", Lustspiel in drei Akten von Arthur Pserhofer. Ein Schatten, aber kein Stüd. Kein Lustspiel, nicht einmal der Schatten von einem. Auch nicht einmal, wenn wir dem Genre Berlin ein Gewicht geben. Oder ist die deutsche Literatur glücklich so weit heruntergekommen, daß fie ein bißchen Bynismus, ein bißchen Wib, mathematischen Wiß und Kalauereien, Bonmots und ganze und halbe Anzüglichkeiten, deutliche Zweideutigkeiten und zweideutige Deutlichkeiten plumper Pariser Kopie, daß sie ein bißchen Sachkenntnis und aus ihr Fachfenntnis, ein Quäntchen guten Spott viel zu unterstrichen und kurzatmig leider, um eine rechte Freude dran haben zu können daß sie billige Verhöhnung und eine Nuance Schnodderigkeit ausgerechnete dabei inbegriffen, und einen Auftrag modernistischen, ironisierenden, schielenden und schillernden Berlin W.- Geistes für ausreichend zu einem Lustspiel hält! Wir wollen uns fein beSanten. Die Flagge des Lustspiels hängt schon genug in Feben. Ist das schon eins, wenn sie sich kriegen zum Schluß? So nach ein bißchen Chassé- croisé! Mit einem biederen Bourgeoisphilister, der mit seinem Stich überlegener Bonhomie und leise ironischem BeHagen verbindet, was auseinander ist. Und mit dem deklamierenden Bravaden. Und mit der dummen Gans Tochter sie hat weder richtige Frechheit noch Charme oder mit der unbefriedigten Frau, mit einem leisen Slich Unmoralität weder mit Reiz noch mit Schick, nicht mit der Kultur des Demimondainen und nicht mit demimondainer Kultur! Und dann der schüchterne Referendar mit dem notorischen Bech in der Liebe, Rollenfach: schüchterner Liebhaber. Und dann der sieghafte Bonvivant, Rollenfach: Bonvivant, Salonliebhaber. Sie waren alle da, wie sie der Theaterdirektor
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Humoristisches.
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Sicheres Zeichen. Ist Ihre Braut hübsch?" ,, Darüber kann ich mir kein Urteil erlauben aber Sie friegt immer einen Sitzplatz in der Elektrischen.
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- Kasernhofblüte. Leutnant( zu einem Nekruten, der den Mund weit offen hat): Was sind Sie eigentlich im Zivil?" Rekrut:„ Bei der Post!" Leutnant:,... Na, dann machen Sie Ihren Briefkasten gefälligst zu!"
- Hauptunterschied. A.( zu feinem früheren Mittagstischgenossen, der seit einiger Zeit verheiratet ist): Zwischen dieser einfönigen Wirthauskost und der Hausmannskost ist doch ein gewaltiger Unterschiednicht wahr?
B.: Na, der Hauptunterschied bei der Hausmannskost is halt der, daß D'' s Maul dazu halten mußt!"
Notizen.
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Uraufführungen. Tiefen Eindruck machte Karl Schönherrs dreiaktiges Schauspiel Familie" im Wiener Der GroßBurgtheater. Beherleins Drama necht" wurde im hamburger Thalia Theater abgelehnt.
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Dem Düsseldorfer Maler Ernst Hardt hat der„ Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein " für 1906 ein Ehrengehalt bewilligt. Des Künstlers Frühling am Niederrhein “ wurde von der städtischen Galerie zu Koblenz angekauft.-
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Velasquez' Gemälde, Venus mit dem Spiegel" ist in London zum Verkauf ausgestellt. Der Wert des Bildes wird auf 700 000-800 000 M. geschäßt.
c. Im Innern des Simplontunnels beträgt die Temperatur immer noch 45 Grad, und es fließt weiter kochendes Wasser, etwa 350 Liter in der Sekunde. Die Wassermasse im Tunnel nimmt zu, seitdem die Berge mit Schnee bedeckt sind.
t. Ein neuer Papierstoff. Nach der französischen Papierzeitung fell der Ginster bei geeigneter Behandlung einen sehr weißen und festen Papierbrei liefern. Die grüne Pflanze wird so fein wie möglich geschnitten, mit einer Lauge von Aetzsoda gemifcht, auf eine Temperatur von 170 Grad und unter einen Druck von
Kilogramm gebracht. Nach einem Kochen von fünf bis sechs Stunden wird der Brei mit Wasser gewaschen, etwas mit Schwefelfäure versetzt, mit Chlorkalk gebleicht und nochmals gründlich gewaschen.
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Die zärtlichen Verwandten". Das Quedlinburger Kreisblatt schreibt: Zurückgekehrt zu den Seinen ist der kurze Zeit vermißte Kaufmann Sch. hier. Derselbe hatte eine Geschäftsreise unternommen, ohne seine Angehörigen davon in Kenntnis zu sehen, weshalb fie in der Hoffnung lebten, es könnte ihm ein Unfall zu gestoßen sein."