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Marie fonnte ordentlich in Feuer fommen, wenn sie civas fah, das ihr gefiel. Sie entdeckte auch alle Augenblick etwas Neues. Die Bisitenkartenschale, Mama! Nein, fieh doch bloß, diese reizende Schale! Weißt Du, das wär' was für Marens Schwester, die fönnten wir ihr zu Weihnachten schenken, sie hat sich schon immer so etwas gewünscht." " Du bist wohl!..." sagte die Mutter lafonisch, und Lotte lachte hell auf: Die Schale für Deine Schwägerin? Na weißte, willste denn für die so biel Geld ausgeben?"
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Marie seufzte etwas im Weitergehen. Was wird sie denn Toften? Doch höchstens zehn Mark, na, und nobel muß man sich zeigen, sonst reden sie über Ginen."
" Na ja, die von Deines Mannes Verwandtschaft find so," nickte die Mutter giftig." Immer de Hand auf, und haben, haben, haben!" " Du wirst doch aber nicht zehn Mark ausgeben? Ich bitte Dich, zehn Mart, für Marens Schwefter? Fünfe sind für die reichlich genug." Mag selbst hatte aber so viel für Käthe angesezt," verteidigte Na, denn mach' ihm man den Standpunkt flar!" Die Mutter lachte furz auf. Der Gesellschaft tann's wohl nicht genug toften? Sind die denn immer so freigebig? Mag hat immer die Hand in der Tasche."
fich Marie.
Na, nicht wahr, das sage ich auch!" Maries Gesicht nahm einen triumphierenden Ausdrud an:" Wir haben uns gestern schon fast d'rum gezantt, ich sage auch, wozu muß denn Käthe für zehn Mart triegen, fie hat mir zum Geburtstag auch nur für drei Mart geschenkt, na, und zu Weihnachten wird sie auch nicht viel mehr anlegen, die legt ja überhaupt nur immer für jeden' n Taler an." Schmierig," bemerkte Lotte wegwerfend.
Jawohl, schmierig! Das sag' aber nur Magen." Marie war im Fahrwasser. Mag wird Dir's schon flar machen, sie kann nicht mehr ausgeben, und sie bringt immer was Hübsches und immer was, was' n Wunsch erfüllt und zeigt, daß sie Einen lieb hat und nachdenkt, was freut, und dafür muß man sich dankbar zeigen, noch dazu, wo man's fann. Ja, solche Predigten habe ich zu hören getriegt."
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Mar ist wohl verdreht?" Lotte blieb stehen, einen Augenblid, fie war böllig erstarrt. Ra, weißte, wenn er's fann, denn soll er's lieber Dir zulegen, aber so' s Geld rausschmeißen, das ist ja tell! Nee, so find wir nicht, bei uns wird ganz genau eingeteilt. Wer sich bei unsern Geburtstagen nobel zeigt, zu dem sind wir's auch, die andern können sehen, wo sie bleiben. Ich hab' noch genug mit Tante Lina."
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Na, das war ja auch zu schäbig," sagte die Mutter empört. " Ja, weiß der Himmel!" Lotte nicte. Ich schent' ihr zum Geburtstag' n schönes Tuch für fünf Mart, und sie kommt zu meinem an mit' ner Vase für zwei Mark fünfzig."
Und denn vergißt sie noch' n Preis abzumachen," fiel die Mutter entrüftet ein.
Sie kann ja auch lange warten, bis ich mich wieder spendabel zeige," höhnte Lotte." Zu Weihnachten kriegt sie' n Abreißtalender fertig ist die Laube!"
Das ist auch reichlich genug," lachte Marie. Na, wir werden wohl von Magens Tante Klara wieder was Elegantes kriegen, die macht's nie unter fünfzehn, zwanzig Mark. Boriges Jahr den schönen Armleuchter und zum Geburtstag das Nidelservice, da wird's auch jetzt wieder was werden."
Dann müßt Ihr aber auch tief ins Portmonnaie greifen," meinte Lotte etwas neidisch.
" Ra... ja...!" Marie sagte es etwas gedehnt. Aber, weißt Du, allzu tief doch nicht. Nun fommt die so aus Buckow , die tennt ja Berlin und die Berliner Preise nicht; wenn wir' n hübsches billiges Stück aus dem Bazar kaufen, denkt die ja Wunder was sie Triegt."
" Das Beste wär's überhaupt, es faufte sich jeder selber, was er haben will." Der Neid in Lottens Stimme wuchs. Pfui, Lotte," rief Marie.
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" Na, was willst'n? So gibt man bloß Geld aus für andere Leute und selber fällt man rein."
„ Na, da muß man sich eben borsehen!" Marie und die Mutter riefen es fast aus einem Munde, und die Mutter fuhr entrüstet fort: Selber faufen? Ich versteh' Dich nicht, Lotte, wie man so etwas überhaupt bloß aussprechen tann! Wo bleibt denn da der Weihnachtszauber und die ganze Weihnachtspoesie?"
e. s. Ueber nene Weihnachtsgaben für die Jugend sprach am Dienstag Dr. M. D8born in der Vereinigung Die Kunst im Leben des Kindes". Das Albrecht Dürerhaus hatte es über nommen, Bücher, Bilder, Spielsachen zur Jalustrierung des Gefagten auszustellen. Der Vortragende wies auf zwei neuerdings erschienene 3erfe hin, die sich mit dem Kinde und dem in ihm wirkenden Kunsttrieb beschäftigen. Die beiden Autoren dieser Bücher, Dr. A. Lewinstein und Dr. Kerschensteiner, tommen darin zu dem Ergebnis, daß das Kind, wenn es zeichnet und die Natur wiedergibt, nicht sich von Sinneswahrnehmungen, sondern von seinem Gedächtnis, von seiner Vorstellung, von seinem Bewußtsein leiten läßt. Es ist nicht, wie der Vortragende formulierte, Naturalist, sondern folgt einem naiven Jdealismus. Ein Beispiel verdeutlicht sinnfällig das Gesagte. Wenn ein Kind einen Mann im Profil zeichnet, so zeichnet es die beiden Ohren hin, obgleich es nur eines fieht. Es
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weiß, daß jedermann zwei Ohren hat und bringt das zum Ausdruck. Es zeichnet die Haare unter dem Hut, die Gestalt unter dem Rock, es zeichnet ebenso zwei Augen. Ist das Geficht dem Beschauer von born ganz zugewandt, so setzt es die Nase regelrecht und ganz sichtbar hinein, obgleich die Wirklichkeit es ihm nicht so zeigt. Dies stimmt mit primitiven Zeichnungen der Naturvöller überein und überrascht daher nicht. Es müßte fomisch zugehen und diesen Hinweis unter ließ der Vortragende wenn ein Kind, das mit seinen in der Kultur der Jahrhunderte ererbten Eigenschaften gebunden ist, plöglich eine Naivität und Sinnlich feit in der Anschauung entwideln wollte, mit der es den Erwachsenen beschämen würde. Schuld daran ist eben unsere unfinnliche, gelehrte und unlebendige Erziehung, die nicht zum Sehen führt, sondern zum Buchstaben, nicht zur Sinnlichkeit, zur unmittelbaren Anschauung, sondern zum toten Wissen. Und dieser Sieg des toten Wissens über das Auge, das eigentlich Maßstab sein sollte, was das Sehen anlangt, fommt eben geradezu grotest und beinahe gespenstisch in der Tatsache zum Ausdruck, daß das Kind das hinzeichnet, was es nicht fieht. Diese Tatsache aber beleuchtet zugleich den Wert der Bestrebungen, die der genannte Verein mit dem ominösen Namen, der zu parodistischen Erweiterungen und Parallelen auffordert, verfolgt. Wir sollten eben bei uns anfangen, uns zu einer fröhlicheren, traditionsloseren, natürlicheren, furchtloseren Anschauung der Natur bekennen. Aber die Autorität nechtet die Erwachsenen und Inebelt die sinnliche Anschauung und das Wissen und der Glaube an die Autorität, die befiehlt, was zu sehen ist, straft das Auge, dieses untrügliche Kontrollorgan, Lügen. Fangen wir so bei uns an und befreien wir uns von unnötigen Fesseln, so wird das Kind, das in solcher furchtlosen, natürlichen Umgebung auf wächst, unwillkürlich von diesem Geist sich vollsaugen und eine Ver einigung Die Kunst im Leben des Kindes" ist dann eine afchgraue Theorie, die unter Lachen und gutmütigem Spott verschwindet.
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k. Zeitungswesen in Japan . Der Herausgeber des japanischen Blattes Hochi Shimbun", Yasujiro Ishikawa macht in einem Londoner Blatte interessante Angaben über das Zeitungswesen in seinem Vaterlande. So sehr Japan auch den modernen europäischen Einrichtungen nacheifert, so steht dennoch Bedeutung und Verbreitung der Zeitungen ein wenig gegen unsere Verhältnisse zurück. Gleich wohl gibt es eine Anzahl von täglich erscheinenden Zeitungen, die in Tokio und Osaka veröffentlicht werden und sich rühmen können, eine Auflage von über 100 000 zu haben. Die Zeitung, die in Japan an meisten berbreitet ist, ist der Osaka Mainichi", dessen Auflageziffer täglich 220 000 Eremplare beträgt. Der Asahi", der in der= selben Stadt erscheint, hat eine fast gleich hohe Auflage. In Tokio ist die am meisten gelesene Zeitung der Hochi Shimbun", zu deutsch etwa„ Die Tagesnachrichten", von dem täglich 200 000 Erem plare verkauft werden. Der Hochi" ist die große oppositionelle Zeitung, das Organ des Expremierministers Ofuma. Weiter er scheint in Tokio der" Jiji Shimpo", der„ Nichi Nichi", der„ Kotumin" und der„ Asahi", deren Auflagen alle zwischen 50 000 und 180 000 betragen. Der„ Kolumin" ist das Organ der Regierung; man ers innert sich vielleicht daran, daß das Redaktionsgebäude dieser Zei tung bei dem Abschluß des Friedens mit Rußland angegriffen und beschädigt wurde, weil die Bewohner Tokios über seine ruhige und gleichgültige Stellung zu dem Friedensschluß entrüstet waren. Die Tageszeitungen Japans sind im ganzen billiger als die in Europa , selbst jetzt noch, wo doch auch bei uns der Preis schon vielfach herabgesunken ist. Wenn man sich auf eine japanische Zeitung monatlich abonniert, so kostet sie höchstens zwei bis drei Pfennige für den Tag, und das obwohl die Annoncengebühren in den Blättern Japans viel geringer sind als etwa in den Londoner Zeitungen. Bei fleinen Annoncen ist die höchste Summe, die für die Zeile gezahlt wird, eine Mart, und selbst in den teuersten Blättern beträgt die Insertions. gebühr für eine Seite nie mehr als 500 M. Wenn Nachrichten von großer Bedeutung bekannt werden, so ist es gebräuchlich, Extrablätter auszugeben. Es sind das einzelne Blätter, die nichts als den Wort laut der wichtigen Neuigkeiten enthalten und überall an den Straßen verkauft werden. In einer Hinsicht übertreffen die japanischen Beitungen fast alle europäischen Blätter. Es ist nämlich bei ihnen durchaus etwas Gewöhnliches, farbige Illustrationen beizugeben, und der Hochi" z. B. veröffentlicht jeden Tag eine Seite mit farbigen Abbildungen. Auch ein Feuilleton mit einem Roman, dessen Forts sehungen sich häufig durch mehrere Monate hinziehen, ift in Japan seit mehr als dreißig Jahren beliebt. Ueberhaupt ist das System, größere Arbeiten in Fortsetzungen verschiedene Nummern hindurchy zu bringen, in Japan biel verbreiteter als bei uns. Auch Leitartikel und wichtige politische Betrachtungen werden in mehreren Fortfegungen gebracht. Die Herstellung einer japanischen Zeitung ist sehr viel komplizierter als die einer deutschen, denn eine Sehmaschine tann beim Seben der Artikel nicht verwandt werden. Vielmehr muß alles mit der Hand gesetzt werden, da die japanische Sprache einige 50 000 verschiedene Buchstaben hat, von denen 28 000 im Der Sezer muß daher in täglichen Gebrauch verwendet werden. Japan ein Mann von nicht geringer Gewandtheit und Behendigkeit sein. Der Segerraum einer japanischen Zeitung ist ein großer Saal, an dessen vier Wänden lauter fleine Fächer angebracht sind, in denen sich die Typen befinden. Der Scher läuft nun mit dem Manuskript rund im Saal herum und sucht sich aus den tausenden von fleinen Abteilungen die Typen heraus, die er braucht. So ist die Gebertätigteit in Japan eine förperlich wie geistig gleich an
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