Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 239.

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Die Huerta.

Freitag, den 8. Dezember.

( Nachdrud verboten.)

Roman von V. Blasco Jbanez. Autorisierte Uebersehung von Wilhelm Thal. Batiste hatte Glück. Während er, in den Strohsessel zurückgelehnt, die Augen halb zur Seite gewendet, zuhörte, was der Prinzipal mit näselnder und eintöniger Stimme vorlas und auch auf die Bemerkungen und Kommentare dieses in öffentlichen Angelegenheiten bewanderten Mannes lauschte, bekam er nur drei Risse und einen Schnitt ins Ohr. Früher war er weniger glücklich gewesen. Er bezahlte seinen halben Real und betrat durch das Serranos- Tor die Stadt.

Zwei Stunden später verließ er sie und setzte sich von neuem auf die Steinbank zu der Gruppe von Kunden, um wieder bis zur Stunde des Marktes den Reden des Prinzi­pals zu lauschen. Seine Besizer hatten ihm die kleine Summe geliehen, die ihm zum Ankauf des Pferdes fehlte. Die Hauptsache war jeßt, bei seiner Wahl gut aufzupassen, seine Staltblütigkeit zu bewahren und sich von den Schlichen dieser Bigeuner nicht hineinlegen zu lassen, die mit ihren Tieren an ihm vorüberzogen und in das Bett des Flusses hinunter­

stiegen.

Es schlug elf Uhr. Schon mußte der Markt stark besucht sein; doch noch hatte Batiste die Bank nicht verlassen. Wohl hörte er den wirren Lärm dieser unsichtbaren Menge und das Gewieher und die Stimmen, die vom Ufer herauffamen; wie ein Mann, der einen wichtigen Entschluß noch verschieben will, blieb er ruhig siken. Endlich entschloß er sich, ebenfalls nach dem Markte zu wandern.

Wie immer war der Fluß auch heute fast verronnen. Vereinzelte Wasserläufe, mit denen man die Ebene bewässert, schlängelten sich in frummen Linien und bildeten Inseln auf diesem staubigen, brennenden, ungleichen Boden, der mehr einer afrikanischen Wüste, als dem Bett eines Flusses ähn­lich sah.

In dieser Stunde strahlte das ganze Ufer im Sonnen­glanze, ohne daß sich der geringste Schatten zeigte.

Die mit weißen Planen bedeckten Bauernwagen waren wie ein Lager in der Mitte zusammengestellt, und am Ufer Standen die verkäuflichen Tiere in einer Reihe: bodige schwarze Maulesel, mit ihrem roten Baumzeug und ihren leuchtenden Kruppen, die sie unaufhörlich in nervöser Unruhe bewegten; fräftige Arbeitspferde, doch mürrisch, wie zu ewiger An­strengung verdammte Leibeigene, betrachteten mit ihren glasigen Augen alle Vorübergehenden, während die kleinen, feurigen Pferde mit ihren Hufen im Sande wühlten und an dem Halfter rissen, mit dem sie angebunden waren.

An dem Geländer, durch das man in den Fluß hinunter­stieg, stand der Ausschuß des Marktes. Esel ohne Ohren, mit unsauberem Fell und widerlichen Pusteln bedeckt, traurige Pferde, deren fleischlose Knochen mit ihren Spizen durch die Haut zu dringen schienen, blinde Maulesel mit einem Schwanenhals: der ganze Abhub des Marktes, die Inva­liden der Arbeit, mit dem von Schlägen gegerbten Fell, mit leerem Magen und großen, von dicken grünen Fliegen er­zeugten Wunden, warten hier auf den Unternehmer, der sie für das Stiergefecht kaufen sollte, oder auf den Bettler, der sich von ihnen noch irgend welchen Nußen versprach.

Im unteren Teile, bei den fließenden Wassern, an dem Ufer, das die Feuchtigkeit mit einem leichten Rasenteppich bedeckt hatte, trippelten die ungezähmten Füllen scharenweise mit ihren langen, im Winde flatternden Mähnen und ihren starken, den Sand fegenden Schweifen hin und her. Jenseits der Steinbrücken sah man die Stiere mit den frummen Beinen, wie sie friedlich das Gras fraßen, das ihnen die Hirten hinwarfen, oder schläfrig über diesen verbrannten Boden wanderten, sich nach den frischen Weideplätzen heim­Sehnend, und sich jedesmal stolz aufredten, wenn die Jungen von den Brückengeländern pfiffen, um sie zu ärgern und zu reizen.

Das Treiben auf dem Markte wurde lebhafter. Bei jedem Tiere, um das gefeilscht wurde, sammelten sich Gruppen von Landleuten, die in Hemdsärmeln, den Knüttel in der

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rechten Hand, eifrig gestikulierend schwaßten. Die mageren Zigeuner mit der bronzenen Hautfarbe und den langen Beinen, in der Tunika aus geflicktem Schafsfell und die Pelz­müße auf dem Kopfe, sprachen unaufhörlich und bliesen dem Käufer ihren Atem ins Gesicht, als wenn sie ihn hypnotisieren wollten, während in ihren schwarzen Augen ein Fieberglanz aufleuchtete.

,, Betrachtet das Tier recht genau, beobachtet die Linien, man möchte es für ein Fräulein halten

"

morte des Zigeuners, verschlossen, schwankend und nachdenk Doch der Bauer blickte, unempfindlich für alle Schmeichel lich, zur Erde, betrachtete dann das Pferd, fragte sich hinterm Ohr und erklärte schließlich mit eigensinniger Energie: ,, Gut, aber ich gebe nicht mehr."

Um die Käufe abzuschließen und den Handel zu besiegeln, ging man in eine im Schatten eines Blätterdaches errichtete Schenke, in der eine dicke Frau mit Fliegenschmutz besudelte Milchbrötchen verkaufte und in klebrige Gläser den Inhalt eines halben Dußend Flaschen goß, die auf einem Zinktisch

standen.

Batiste ging mehrmals durch die Reihen der Tiere, ohne auf die Händler zu achten, die seine Absicht errieten und ihn ansprachen. Nichts gefiel ihm.

folger für ihn zu finden! Hätte nicht die Notwendigkeit ge­sprochen, der Pächter wäre abgezogen, ohne einen Handel ab­zuschließen. Er glaubte, den Toten zu beleidigen, wenn er diesen widerwärtigen Tieren seine Aufmerksamkeit schenkte. Plöglich blieb er aber doch vor einem weißen Hengste stehen, der weder sehr groß noch sehr blank war, noch dazu Schrammen an den Beinen und ein abgespanntes Aussehen hatte: ein Arbeitstier, das trop feines erschöpften Zustandes fräftig und tüchtig schien. Kaum hatte er ihm die Hand auf die Struppe gelegt, als der Zigeuner geschmeidig an seiner Seite auftauchte, er spielte sich auf den guten Kerl heraus und behandelte ihn, als hätte er ihn sein ganzes Leben lang gekannt.

Ach, der arme Morrut! Wie schwer war es, einen Nach

,, Das Tier ist eine Perle; man sieht, Ihr versteht Euch auf Pferde. Und nicht teuer. Ich meine, wir werden uns schnell verständigen. Monote führe es auf und ab, damit der Herr sieht, mit welcher Grazie es geht."

Und der fragliche Monote, ein Zigeunerjunge mit schläfrigem, schmußigem Gesicht nahm das Tier beim Halfter und führte es über den ungleichen Strand, während das Tier widerwillig mithinkte; es schien sich von einer solchen, schon so häufig wiederholten Bewegung abgestoßen zu fühlen. Schnell näherten sich die Gaffer und gruppierten sich um Batiste und den Zigeuner und folgten der Probe mit den Augen. Als Monote zurückam, untersuchte Batiste das Tier eingehend; er steckte seine Finger zwischen die gelblichen Zähne, fuhr mit den Händen über den ganzen Körper, hob die Hufe hoch, um nachzusehen, und studierte ganz eingehend die Beine.

,, Seht ihn Euch nur an, seht ihn Euch nur an," sagte der Zigeuner, dazu ist er da. Das Geschäft ist klar und rein­lich, bei mir wird niemand betrogen. Alles geht mit rechten Dingen zu. Hier werden die Tiere nicht zugeftugt, wie es gewisse Viehhändler machen, die Euch einen Esel im Hand­umdrehen in etwas anderes verwandeln. Ich habe ihn in der vorigen Woche gekauft, und mir nicht einmal die Mühe gegeben, die Kleinigkeiten verschwinden zu lassen, die er an den Beinen hat. Habt Ihr gesehen, wie leicht er geht? Und erst am Wagen. Nicht mal ein Elefant zieht frischer an, da, auf dem Hals könnt Ihr die Spuren sehen."

Batiste schien mit dem Resultat seiner Prüfung nicht un­zufrieden, doch er bemühte sich, flau zu machen und ant­wortete dem Käufer nur mit Grimassen und Knurren. Seine Erfahrung als Frächter hatte ihn Tiere richtig beurteilen gelehrt, und er lachte für sich über gewisse dumme Kerle, die sich von dem schlechten Aussehen des Pferdes täuschen ließen und dem Zigeuner erklärten, der Gaul wäre höchstens für den Schinder gut. Dieses traurige und müde Aussehen fand man gerade bei kräftigen Tieren, die so lange resigniert ge­horchten, wie sie sich nur auf den Beinen halten konnten,

Endlich kam der entscheidende Moment: Man fönnte darüber reden. Wieviel?