zur Salome, die vor HewdeS tanzt, die ihn> wild vor Verlangenmachen soll. Der Fehler des Komponisten rächt sich an der Dar-stellung. Zu erwähnen ist noch, daß die Dresdener Bühne fichfür die Inszenierung in, Herrn Wirt eigens einen Regisseur ausMünchen hatte kommen lassen.Ueberblicken wir alles, so finden wir eine für das letzte Jahr-hundert gültige Weisheit von neuem bestätigt: daß nämlich dasTalent des Dramatikers sich mit dem des Erzählers nur schwervereint. Der Erzähler, mag er Lyriker oder Epiker sein, ergehtsich in die Breite des Gefühls und der Schilderung. Das verträgtdie Bühne nicht. Diese Erfahrungssätze gelten auch für die Musik.Richard Wagner hat in der rein instrumentalen Musik schlecht abgeschnitten, während doch selbst die Vorspiele und Zwischenspieleseiner Bühnenwerke meisterlich sind. Richard Strauß, dem Be-Herrscher des sinfonischen Stiles, wird das bühnengerechte Denkenund Empfinden wieder schwer. Er verschleppt oft die Szene ausmusikalischen Gründen. Er verfällt, bei aller Verschiedenheit derTonsprachc, in denselben Fehler, den die Sinfoniker des vorigenJahrhunderts beim Opernschreiben machten. Die NachfolgeWagners ist noch nicht gefunden. Das stellt sich als das Ergebnisder ersten„Salome"-Aufführung heraus.>— a.Kleines feuUleton»cg. Sittlichkeit. Am Tisch, den Kneifer aus der Nase, den Kopfin die Hand gestützt, saß das junge Mädchen und las.Der hagere, blasse Student beschäftigte sich eifrig am Spiritus-kocher:„Gleich gibt's Kaffee, Fräulein Helmer. Räumen Sie,bitte, allmählich die Schwarten beiseite, damit der Haeckel keineFlecken kriegt."Die jimge Dame tat, wie ihr geheißen, legte den Stoß Bücheraufs Bett und trat ans Fenster, indem sie sich den Kneifer zurecht-rückte:»Sie haben eine pracktvolle Aussicht von hier oben, HerrBrenklein. All die weißen Dächer— herrlich l"„Nicht? Und für achtzehn Marli"„Das Zimmer ist fünfundzwanzig wert."„Nicht so laut, um Gotteswillen I Meine Wirtin würde sichsicher sofort Ihrer Schätzung anschließen. Achtzehn ist auch schon einBatzen. Grenze meiner Leistungsfähigkeit.— So, da— Ihr Kaffee.Spüren Sie den Dust? Für neunzig Pfennige pro Pfund, ganzrespektabel, wie?"Sie lachte:„Was für ein billiger Mann Sie sind I"„Na im I Nationalökonom im dritten Semester!— Aber lassenSie den Mokka nicht kalt werden, er verliert sonst die Blume. Daist auch Zucker. Glauben Sie nur nicht, daß ich arm bin l Bloßdie Kuh ist auf der Weide. Milch gibt's nicht. Aber Kuchen!"„Kuchen!" Sie kehrte sich mit komisch-entsetzter Miene um.„Nicht gerade Windbeutel mit Schlagsahne. Ich glaube, mannennt ihn Schrippe. Bitte. Butter liebe ich nicht; sie befördert denFettansatz. Und mein Schmalz"— er sah in einen Topf—„hm,wenn Sie kratzen, langt's am Ende."Sie aß schon:„Danke. Ich ziehe grundsätzlich trockenes Gebäckvor. Es herrscht eine ziemliche Schlemmerei bei Ihnen. Ichrevanchiere mich nächstens. Wenn Sie an einem Sonntag kommen,kriegen Sie Knüppel."„Falsch." Er trank und wischte sich den Bart.„Man sollte sichnicht an das Wohlleben gewöhnen." Er sah nach der Uhr:„EineTasse müssen wir reservieren. Onkel Kranebill, mein alter Herr,hat mir seinen Besuch angekündigt und muß jeden Augenblick hiersein."Es dauerte auch nicht lange, da klingelte es und herein tratOnkel Krancbill, ein ländlicher Pensionär mit militärischem Schnurr-hart, weiten Hosen, grobem Tuchrock und schweren Stiefeln.„Ah, da bist Du ja, Onkel. Run, wie geht's?"„Tag, mein Junge. Danke. Ich— er stutzte plötzlich undnahm eine kühle, strenge Miene an:„Aber ich störe wohl?"„Nicht im geringsten." Brenklein stellte vor:„Mein Onkel,Herr Kranebill. Fräulein Helmer."„Sie verbeugte sich. Krancbill nickte nur von oben herab undsagte trocken:„Freut mich." Er setzte sich auf den entferntestenStuhl am Fenster und blickte hinaus.„Willst Du eine Tasse Kaffee? Frisch vom Faß."„Danke. Ich trank schon auf dem Bahnhof." Herr Kranebillwandte sich gar nicht uni.„Die Reise hat Dich sehr ermüdet?"„Gar nicht." Ein zorniger Blick zum Neffen, dann wieder aufdie Dächer.„Ein solides Leben— auch in der Jugend— und manträgt sich schon noch trotz seiner Sechzig."„Ich habe einen Verwandten," bemerkte Fräulein Helmer,„der ist fünfundsicbzig Jahre alt, geht ohne Stock und liest ohneBrille."Herr Kranebill bettachtete die Dächer.Das junge Mädchen erhob sich:„Adieu, Herr Brenklein. AusWiedersehen. Wann haben Sie Zeit?"Er stand da und biß sich im Zorn auf die Lippen:„VerzeihenSie." Und zun» Onkel:„Wie lange bleibst Du?"„O", antwortete Herr Kranebill:„meinetwegen geniertEuch nicht. Ich bin ein aller Mann."Ter junge Mann wollte auffahren, bezwang sich aber, weilFräulein Helmer lächelnd den Kopf schüttelte:„Wir sehen uns ge»legentlich im Hörsaal, nicht?"„Wollen Sie den Haeckel mitnehmen?"Sie nahm ihn und ging.War kaum hinaus, als Onkel Krancbill steif aufstand, seinenNeffen scharf musterte und sagte:„Schöne Wirtschaft hier!"„Wieso?"„Na, höre mal! Mit einem Weib allein auf der Bude!"„Es ist eine Studentin. Völlig unantastbar. Onkel! Wir lesennnt einander den Haeckel."„Ich glaub's. Der Haeckel I Uebrigens: das ist doch der, dersich zum Urahn einen Affen ausgesucht hat?"„So ungefähr."„Und den lest Ihr: Eine hübsche Unterhaltung zwischen jungenLeuten. Fällt Dir denn nichts Besseres ein?"„Aber Du bist völlig im Irrtum, Onkel!"„Spielt mir doch keine Komödie vor I Wenn Ihr Euch vor mirauch„Sie" nennt und„Herr" und„Fräulein"— man weiß doch,wie es in der Welt zugeht I— Uebrigens: ich meldete mich doch an.Hast Du meine Karte nicht gettiegt?"„Gewiß."„Und Du läßt das— das— die„Studentin" hier sitzen, trotz«dem Du weißt—?"„Warum nicht? Zu verbergen ist da nichts. Allerdings: hätteich Dich von dieser mißtrauischen Seite gekannt—"„Mißtrauen I Ich bin gar nicht mißtrauisch I Aber Du wirstmir doch nicht einreden, daß ein Mädchen, das aus sich hält—"„Onkel I"Kranebill stieß den Stock auf den Boden:„Jawohl! EinMädchen, das auf sich hält, geht nicht zu einem Studenten auf dieBude I Und mag sie wirklich selber Sttidenlin sein.— Bist Dudenn wirklich so von aller Moral und Sittlichkeit verlassen, Junge,daß Du nicht begreifst, wie schamlos das ist?"„Nee. Sehe ich nicht ein."„Na, dann tust Du mir leid." Krancbill nahm seinen Hut.„Dann wird es einmal ein böses Ende mit Dir nehmen."„Du gehst?"„Ja, ich gehe I Denn ich merke, daß Du verloren bist! AlleReinheit der Jugend ist getötet in Dir l Nicht ein Restchen vonSchamgefühl mehr! Das habe ich wirklich nicht erwartet. Junge l— Na, auf meinen Zuschuß wirst Du ja dann auch wohl ver«zichten wollen. Nicht? Auf einen Zuschuß von so einem altmodischenKerl?"Brcnklcin war ganz blaß geworden. Er ergriff mit zitterndenHänden die Lehne eines Stuhles, sah den Onkel mit großen Augenan und sagte:„Es ist natürlich Deine Sache Onkel, ob Du mir denZuschuß entziehen und damit eine Fortsetzung meines Studiumsunmöglich machen willst. Aber das muß ich Dir noch sagen: WennDu schon jemals zwei Menschen verkannt hast, dann hier! WennDu jemals verständnislos gewesen bist, dann jetzt I"„Ach was I" Onkel Kranebill ließ knurrend und in etwas besänstisttdie Türklinke loS:«Verständnislos! Ich bin garnicht verständnislos! Binkein Mucker und Philister! Ich verstehe alles. Habe auch meine schönenJugenderinnerungen. Aber es fuhr mir in die Krone: eben setztdu einen Fuß vom Lande in die Stadt, da— na— da sehe ichEuch hier. Aa, das wirst Du doch zugeben: bei uns ans dem Land«ist so etwas einfach unmöglich I"„Bei Euch auf dem Lande," sagte Brcnklcin,„gehen die jungenLeute nicht durch die Tür, sondern meist durchs Fenster— und denHaeckel lesen sie dann nicht!"„Ja I" Der Onkel lachte laut:„Da hast Du recht I Den Haeckellesen sie nicht! Aber." er wurde wieder ernst und flopste demNeffen die Schulter:„Am hellen lichten Tage passiert so etwa?nicht I"„Ach so l"„Ja l Nun siehst Du den Unterschied ein, denke ich."—!— Im jüdischen Theater. Der„Köln. Ztg." wird aus NewJork geschrieben: Wer vom jüdischen Thealer hört, wo für dierussischen Juden New Uorks gespielt wird, mag an Schmieren inqualmerfüllten Bierlokalen denken. In Wahrheit sind wenigstensdie besseren unter ihnen, wie Kalich, Grand und Peoples, moderneBauten mit befriedigender Ausstattung in der Garderobe,. denKulissen- und Bühnenesfekten. Ich machte mir dieser Tage denGenuß, einer Vorstellung im Volkstheater an der Bowerg bei-zuwohnen. Das Theater war dicht gefüllt, selbst im Parkeit, wodie Sitze einen Dollar kosteten. Allerdings ging es etwas un-geniert zu, die jungen Dandies standen in den Pausen mit demHut auf dem Kopf umher, Melodien wurden gesummt, und lauteScherzworte flogen zwischen dem Parkett und den Galerien hin'und her. Trotzdem fehlten die sozialen Abstufungen keineswegs,und im Parkett wenigstens vernahm man niehr Englisch als Juden-deutsch.«Tie Rache oder Fabia Romani" �vurfc« gegeben, einGreueldrama mit Scheintoten und endlosen Schurkereien, sür dasauf dem Programm Marie Corelli, die bekannte englische Roman-schreiberin, verantwortlich gemacht war. Es tvar mein Glück, daßsich das Stück um die Schicksale einer gräflich italienischen Familiedrehte, denn auf dieser gesellschaftlichen Höhe verliert das Jüdischedie meisten seiner polnisch-russisch-hebräischen Zutaten und stellt suchfast als unverfälschtes Judendcutsch dar. Die Komik blieb freilichauch so noch kräftig genug, wenn ellva der Liebhaber der herzlosenGräfin ausrief:„Der Kiitz, lvas er hat gestohlen von Deinen