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genehm; doch ein Mann muß alles fennen lernen. Um sich Mut zu machen, wiederholte er sich außerdem von neuem, daß man sich eine kleine Tollheit leisten kann, wenn man biel gearbeitet hat und die Ernte in der Scheuer liegt.

Er fühlte eine heftige Size in seiner Brust, und eine felt­same Verwirrung herrschte in seinem Hirne; doch er ge­wöhnte sich an diese Kneipenluft; er fand die Wette immer amüsanter und meinte, Pimento wäre in seiner Art ein recht bedeutender Mann.

Die Spieler hatten eben eine Partie beendet, deren Nummer niemand hätte sagen können, und berieten nun über die Zusammensetzung des Abendessens, das man einnehmen wollte. Augenscheinlich ließ einer der Terrerolas nach; die beiden Tage, die sie mit Trinken zugebracht, waren doch nicht so spurlos an ihm vorübergegangen. Seine Augen schloffen fich, und er ließ seinen müden Kopf auf die Schulter seines Bruders sinken, der ihn dadurch zu beleben suchte, daß er ihm unter dem Tisch wütende Tritte verfette.

Pimento lachte in feinen Fart; einen hatte er schon untergefriegt. Und er beriet nun mit seinen Anhängern das Menu des Abendessens. Dieses Essen sollte prächtig werden. Auf Geld kam es nicht an. Auf jeden Fall brauchte er es nicht zu bezahlen. Ein Effen, das die Heldentat würdig fronte: denn an diesem Abend ging die Probe jedenfalls zu Ende.

Plöglich ertönte wie eine Siegesfanfare, die Pimentos Triumph im voraus verkündete, das Schnarchen des jüngeren Terrerola, der mit dem Kopf auf dem Tische lag und jeden Augenblick von seinem Schemel zu fallen drohte, als hätte der ganze Schnaps, den er im Magen hatte, ihn auf Grund des Gesetzes der Schwere auf den Boden gezogen. Sein Bruder sprach davon, ihn mit Ohrfeigen aufzuwecken; doch Pimento legte fich gütig, wie ein großmütiger Sieger, ins Mittel.

Man würde ihn schon zur Stunde der Mahlzeit weden. Dann tat er, als lege er der Wette und seiner eigenen Widerstandskraft wenig Bedeutung bei, und beklagte sich, daß er an dem Abend fast gar keinen Appetit hätte; er sprach bon seinem Appetitmangel, wie von einem ebenso unvorher gefehenen, wie unangenehmen Zwischenfall, während er doch zwei Tage lang gegessen und getrunken hatte.

Ein Freund lief nach der Schenke und brachte einen großen Kranz von roten Pfefferschoten mit. Das würde ihm den Appetit wiedergeben. Diefer Spaß erregte lautes Ge­lächter, und Pimento bot, um die Zuschauer immer mehr und mehr zu verblüffen, diefen Teufelsfraß dem Terrerola, der noch standhielt. Diefer begann das scharfe Gewürz mit der­felben Gleichgültigkeit zu verzehren, als wäre es Brot.

Ein Murmeln der Bewunderung durchlief die Reihen der Anwesenden. Für jede Beißbeere, die Terrerola, ber­schlang Pimento drei. Auf diese Weise waren sie mit dem Kranz, der wie ein Haufen roter Teufelchen ausfah, bald fertig. Dieser Kerl mußte einen gepanzerten Magen haben. Und er blieb ebenso ruhig und fräftig wie vorher, obwohl er noch blaffer wurde und feine Augen angeschwollener, blut­unterlaufener erschienen. Er erkundigte sich, ob Copa ein paar Hühnern zum Abendessen den Hals umgedreht hätte, und gab seine Anordnungen, wie man sie herrichten sollte. ( Fortsetzung folgt.)

Vincent van Gogh  .

Der Kunstialon Cassirer veranstaltet eine Ausstellung von Werken des verstorbenen holländischen Malers Vincent van Gogh  . Dieser Maler fragte nicht nach Lehrsätzen und Doktrinen, feine Schulregeln lenkten ihn. Erst spät fand er sich zu der Malkunst, er stürzte sich mit ganzem Feuer darauf. Seine Instinkte drängten ihn hin zur Malerei, und als er endlich den Binfel ergriff, wurde er ihm ein Werkzeug, seine innerste Art zu offenbaren. Dieses Elementare ist ein Kennzeichen seiner Kunst. Gogh   geht mit Vehemenz auf das Ziel zu, das ihm vor Augen schwebt. Er hat dabei die instinktive, rüd fichtslose Sicherheit eines beinahe unkultivierten Menschen, die Bähigkeit eines Monomanen. Einsamkeit umgibt ihn, die er vielleicht felbft um sich geschaffen, durch sein Wefen. Diese macht ihn exzentrisch Primitivität und Naivetät mifchen sich eigentümlich mit bewußter Realtion gegen alles Gewefene. Seine Bilder sind wie Aufschreie eines zügellofen Temperaments.

Da diefer Maler auch in Kreisen, die der Malerei unserer Zeit nahestehen, so gut wie ungefannt ist, so sei das Biographische furz mitgeteilt. Es gibt manche Erklärung zu der fünstlerischen Ents widelung der Persönlichkeit, da in Gogh   der Mensch mit dem Künstler eng zufammenhängt.

wurde

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um

Vincent van Gogh   ist in Solland geboren, im Jahre 18. war Bastor. Gogh   wurde Kunsthändler und Sein Vater war Holland  , London  , Paris  . In England versuchte sich in nach Amsterdam  , er Schullehrer, geht 1877 Geistlicher zu werden. Der Formeltram stößt ihn ab. Er geht nach Britifel. Hier verkehrt er mit den Bergwerksarbeitern. Eine neue Welt geht ihm auf, die Welt der schweren Arbeit und der stummen Sorgen. Hier empfindet er die Notwendigkeit, die er im Leben suchte. hier wird er Maler. Er findet hier ein Anpaden und Bezwingen des Lebens, das seinem Ungestüm gleicht. Zum erstenmal mietet er sich nun ein fleines Atelier, das fein Bruder bezahlt. Mit ekstatischer Jubrunst wirft er sich aufs Malen, geht 1883 aufs Land und lernt hier das Brabanter Bauernvolt kennen, deffen kraftvoller Typus ihn reizt. 1885 geht er an die Akademie nach Antwerpen  , um zu ftudieren, 1886 nach Paris  , wo er von neuem auflebt, da er hier den Reiz der Farbe tennen lernt. Er entflieht dem unruhigen Bariser Leben und geht nach Artes zu den Bauern zurück. Dort bleibt er bis 1889. Freiwillig geht er ins Jrrenhaus, malt dort weiter, geht noch einmal aufs Land und endet 1890 durch Selbst­mord. In der verhältnismäßig furzen Zeit feines Schaffens malte er in einer Haft, als fähe er das Ende voraus. Sein Werk zählt über 600 Bilder, wobei die Zeichnungen nicht eingerechnet sind. Wer zum erstenmal Goghsche Bilder fieht, der wird erstaunt darüber sein, wie dieser Maler mit der Farbe umgeht. Sie scheint unter feinen Händen lebendig zu werden. In Schlangenlinien windet fie fich breit hin, fällt in Tropfen zu Boden und löst sich in tausend Teilchen auf. Ein beinah' animalisches Leben erfüllt die tote Materie, das Mittel, die Farbe. Die Sprache, die sie spricht, ist nicht über­legt und ruhig, fondern aufgeregt, exaltiert, jeder Strich fcheint mit Ausrufungszeichen verfehen. Franz Hals  , der Maler, mit deffen Temperament Gogh   am ehesten Aehnlichkeit hat, ist ein unschuldiges sind gegen diesen Berserker der Farbe. Dieses leidenschaftlich sich selbst verzehrende, rüdhaltlos strebende und sich hingebende Temperament ist es auch, das den Künstler schließlich zu Grunde richtet. Es peitscht ihn weiter, bis er die Grenze überschreitet, hinter der die Nacht beginnt. Es ist charakteristisch, welche Farben Gogh   bevorzugt. Rot, Gelb, Grün, Blau  - alles Farben, die wie Ausrufe wirken. Keine ruhigen Töne, ein Auf­begehren, Unterstreichen. Betonen! In Linien und Bunite töft er den gesehenen Eindrud, den er wiedergeben will, auf und schafft fo aus einem fimplen Naturbild ein mit der Pracht blizender Ge­schmeide vergleichbares Werf, dem eine schaurige Schönheit eigen ist insofern, als hinter jedem Strich schon der Wahnsinn lauert. Was die alten Meister malten, den Totentanz, das wird hier un­ausgesprochenes. aber um so tiefer wirkendes Erlebnis. Mahnung an das Ende begleitete Gogh   immerfort, und überall grinst eine unheimliche Gebärde. Man kann fagen, jeden Pinselstrich zahlte Gogh   mit seinem Blute.

Die

Eine merkwürdige Primitivität ist diesem Mater eigen. Wie er eine Figur hinstellt, halb naiv, halb betout farifiert, das ist für ihn charakteristisch. Hätte er nicht sein Temperantent gehabt, das ihm unbefümmert recht gab, er hätte fich bald geändert zugunsten einer akademischeren Auffassung. So aber begünstigte ihn auch die Zeit, in der die Künstler sich zu eigener Anschauung befreiten und gerade das Exaltierte Berechtigung erhielt. In dieses durch das Tempera­ment getragene Primitive mischt sich noch ein anderes, das der Goghichen Kunst ein so eigentümliches Gepräge gibt: die Anwendung betwußten Raffinements. Gogh   lernt den streis der modernen Maler in Paris   fennen, die unter Zolas Aegide nach neuer Sprache ringen. Er fieht viel, er eignet sich ebenso leidenschaftlich an, was er sieht. und so zeigt sich denn das Bestreben, die neuen Grundsäge modernen Sehens, die besonders in der französischen   Karikatur, im Blafat zum Ausdruck kamen, die wieder durch Einflüsse von Japan  her genährt wurden schnelles Erfassen, momentane Wiedergabe), im Bilde zu verwerten, auf das Gemälde zu übertragen. So ftellt die Goghiche Kunst den Versuch dar, das moderne Zeichnen und Malen, das bis dahin in mehr gewerblichen Entwürfen( Platat) oder in der Karikatur( Wigblattillustrationen) sich betätigt hatte, in die hohe Sunst einzuführen. Nimmt man dazu noch die das Bevorzugen des Farbe, die Gogh   anwendet, Grellen, Helfen und Scharfen, So hat man im Kleinen die Faktoren beisammen, die die Kunst eines van Gogh   ausmachen. Darum befand sich dieser Maler am weitesten voraus auf der Linie der Entwickelung. Er zog mit Vehemenz in seinen Bereich, was sich ihm nahte. Darum liegen so viel Werte in seiner Kunst. Er gab rücksichtslos heraus, was er hatte. Gerade in dem Primitiven liegen bollwertige Anfäße zu einer großen, neuen, dekorativen Kunst, ein Anlagefapital, das erst ausgemünzt werden kann, wenn die kommen, die nicht mehr nur Uebergangserscheinung sind, wie van Gogh  , sondern Ausbauer, Vollender. Gerade als llebergangs­typus aber hat Gogh   feinen charakteristischen Wert. Er ist ohne Hinter­halt, ohne Berechnung, ein rüdhaltlos offener Bekenner.

neue

In der Art, wie Gogh   die Natur wiedergibt, zeigt sich neben Wie er ein schwächlichem Unterliegen ein neues Erringen. grellgelbes Haus mit scharfrotem Dach neben einen Acer   stellt, dessen breite Ebenen ganz summarisch durch breit nebeneinander liegende Farbbänder angedeutet find, wie momenta auf diesem Feld ein Bauer steht, faum in seiner Edigkeit noch erkennbar, wie dann im Hintergrund in ebenso tiefen Farben eine Eisenbahn erscheint, über der der Dampf schwebt, das alles zeigt ebenso einen Verfall wie einen Anfang. Gogh   fann eben nicht anders malen