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Die Zeugen

Sippen untereinander zur Entscheidung zu bringen, war das| falls Jeugen benannt hatte. Eine Zeugenschaft aus Erfahrung war, Schwert, die Fehde. Aber schon früh ist man dazu gekommen, den sofern der Rechtsstreit nicht um dauernde Verhältnisse wie Grenz­Kampf ganzer Sippen einzuschränken und andere Mittel des Aus- ftreitigkeiten von Nachbarn u. ä. ging, unzulässig gleiches zu suchen, fonnte doch schließlich sogar der Mord durch eine Bermögensbuße, das Wergeld, gefühnt werden. Zwangscharakter hatte der friedliche Ausgleich natürlich nicht. Vom Willen der Ver­lehten zunächst hing es ab, ob sie den Weg des Vergleiches beschreiten wollten oder nicht, und die Fehde blieb nach wie vor das übliche Mittel, Feindschaften schwerer Natur auszutragen. Jumal die Blutrache stedte den Germanen wie allen Gentilbölfern so tief im Blute, daß noch im achten Jahrhundert ein Mainzer   Bischof sie in den Sachsenkriegen unter König Pipin   ausübte.

Die Solidarhaft nach außen und die Notwendigkeit, die Sippe im eigenen Rahmen vor dem Bruch ihres Rechtes zu schüßen, drückte dem Geschlechtsverbande Zwangsmittel gegen die eigenen Genoffen in die Hand. Das wichtigste und folgenschwerste bildete die Aus­stoßung aus der Sippe. Zumal in der frühesten Zeit muß diese der Todesstrafe gleichgekommen sein. Sie gab den Entfippten" heimlos und schutzlos der Wildnis und damit dem Untergange preis; für die eigene Sippe ward er wie der Wolf, den jeder töten durfte. Die Friedloserklärung des ältesten Strafrechts war nur eine besondere Form der Entsippung, die auf alle Sippen des Stammes ausgedehnt wurde. Auch sie ist zunächst nur die Rechtsform, in die die Todes­strafe fich fleidet. Die Todesstrafe ist allen germanischen Böller bekannt. Sowohl Cäfar wie Tacitus erwähnen fie und alle später Volksrechte kennen fie. Die Todesstrafe ist geradezu die einzige Strafe, von der das älteste Strafrecht der Germanen weiß. Voll­zogen werden konnte sie nur an dem, der allen Nechts verlustig er­flärt, geächtet, friedlos" war. Die Friedlosigkeit zerschnitt das Band der Sippe völlig; das Weib des Geächteten wurde zur Mitwe, feine Kinder zu Waisen; was er besaß, verfiel, soweit man es nicht einzog, der Zerstörung, der Wüstung"; seine Person war der Mannheiligkeit" entkleidet und dem Tode verfaller, der von amts­wegen zu vollstrecken war. Auf der anderen Seite hat die Schen vor dem eigenen Blut und der Unantastbarkeit des Geschlechts die Friedloserklärung schon frühe mit besonderen Maßnahmen, mit einer höheren Autorität umgeben. War mit der Aechtung das Todesurteil gesprochen, so machte man seinen Vollzug abhängig vom Willen der Götter", vom Spruch des Loses. Das Ordal, das Gottesurteil figierte somit erst endgültig die Strafe. Lehnten die Lose die Vollstreckung des Urteils von amtswegen ab, so unterlag der Verfemte nur den übrigen Folgen der Friedlosigkeit, der Ver­knechtung oder der Landflüchtigkeit. In gewissen Grenzen stellt also das Gottesurteil die erste Form der Begnadigung dar. Der Römer Valerius Procillus, den Ariovist unter dem Verdacht der Spionage in Ketten geworfen, erzählte Cäsars Kommentarien über die gallischen Kriege zufolge nach seiner Befreiung, man habe in seiner Gegenwart dreimal das Los befragt, ob er Feuers sterben oder seine Hinrichtung auf gelegenere Zeit verfd oben werden sollte; nur dem günstigen Spruch der Lose verdanke er das Leben.

mußten Urkundszeugen sein, d. h. fie mußten in rechtsförmlicher Weise zu der zu befundenden Tatsache zugezogen oder, falls sie zu­fällig anwesend waren, zur späteren Rechtsbekundung ausdrücklich aufgefordert sein; im anderen Falle war die Berufung auf Augen­und Ohrenzeugen nicht statthaft. Waren Zeugen nicht vorhanden, so galt der Eid. Ju   der Regel lag dieser bei dem Beklagten, dem Leugnenden als Reinigungseid. In den wenigsten Angelegenheiten genügte der Personaleid des Angeschuldigten. In der Regel ward eine größere oder geringere Anzahl von Eideshelfern bei Ant­herangezogen, die freilich nur läffen schwerer Natur 11-12 die persönliche Ueberzeugung beschworen, daß der Haupteid rein und nicht mein" sei. Es kommten beim Hülfseid also nur solche Personen in Frage kommen, die mit dem Betlagten genau bekannt waren, in erster Linie Verwandte. Wurden Eid und Zeugen vom Prozeßgegner gescholten", so tam es zum gerichtlichen Zweifampf. Nach Waitz gelangte der Zweikampf im ältesten deutschen Rechts­verfahren zu mannigfacher Anwendung Einmal als Reinigungs­mittel neben dem Eid, so daß die Wahl je nach Umständen von dem Beklagten oder von dem Kläger abhängt. Ferner in Sachen, wo die Parteien in wesentlicher gleicher Stellung sich gegenüberstehen, bei einem Streit um die Grenze von Land und dergleichen, oder wenn ein Zeuge oder ein Urteil felbft angefochten werden sollen; außerdem in einzelnen anderen Fällen."

Tie Weiterentwickelung des Voltsrechts, zumal der Einfluß des Königrechts, gestalteten dann das Gerichtsverfahren wesentlich um. An die Stelle der Ladung von Zeugen und Eideshelfern durch den Kläger  , die mannitio, tritt mehr und mehr die bannitio, die Ladung durch richterlichen Befehl auf Antrag des Stlägers. Die Prozeß­leitung, die früher bei den Parteien lag, ging in die Hand des Richters über. Eine wesentliche Neuerung war ferner die Ein­Eine Königsu tunde durfte nicht führung des Urkundenbeweises. gescholten werden, sie bot bollen Beweis. Der Privaturkunde gegen­über war die Schelte zulässig und dann kam es zur Beweiserhebung über ihren Juhelt. Die Zulassung von Beuger ward an gewiffe Vorausseßungen geknüpft; Besitz der Stammes- bezw. Grafschafts­zugehörigkeit, guter Leumund, ein gewisses Vermögen wurden Be bingung. Die Zeugen schworen nicht mehr mit gesamten Munde", sondern einzeln, um ihre Verantwortlichkeit zu erhöhen. Dem Be­flagten wurde Einfluß eingeräumt auf die Auswahl der Eides helfer und in bestimmten Fällen ihm die Aufstellung von Gegen­zeugen gestattet. Widersprachen sich die Zeugen, so war letztes Be­weismittel der gerichtliche Kampf.

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Bei den Nordgermanen ward der gerichtliche Stampf von den späteren Ordalien, den Gottesurteilen, mehr und mehr verdrängt, bis er völlig verschwand. Anders bei den Südgermanen, wo er bis er völlig verschwand. Anders bei den Südgermanen, wo er genommen wurde. Wie bereits erwähnt, dienten diese ursprünglich gerichtliches Beweismittel blieb, indem er unter die Ordalien auf­nicht dem gerichtlichen Verfahren selbst, sondern lediglich der Straf vollstreckung. In dieser Form ist zumal das Losurteil uralt und widelung bei den Nordgermanen erkennen läßt, zielte das Gottes­urteil auf die Beschränkung des gerichtlichen Zweikampfes ab, um ihn durch andere Betveismittel aus dem göttlichen Willen", die Kessel, die Wasserprobe, die Probe des geweihten Biffens, das Bahrgericht u. a. zu ersehen. War der Reinigungseid dem Beklagten   günftig, so zeigte sich in diesen Ordalien ein Beweismittel, das ihn durchweg der Gefahr des Unterliegens ausiekte. Gottesurteile der letzteren Art galten schließlich allgemein im Gerichtsverfahren der Unfreien, während das Orial der Freien der gerichtliche Zweikampf blieb, der in dieser Form zur Anerkennung in ganz Deutschlant gelangte und sich das gesamte Mittelalter hindurch erhielt. Das Gottesurteil diente zur Erhärtung des Eides, der Beweisführer hatte regelmäßig vorher das Weiweisthema zu beschwören. Bei der Urteilschelte tam es regelmäßig, ebenso in Meineidssachen zum Gottesurteil. Eine weitere Einschränkung erfuhr der gerichtliche Ziveikampf durch das ständische Prinzip. In Fragen des peinlichen Rechts brauchte niemand einen Untergenossen", einen Mann aus ge­ringerem Stande, als Richter, Zeugen oder Eideshelfer anzuer= tennen. Die Urteilsschelte war nur unter Leuten gleicher Geburt und gegen Niedere, nicht aber gegen Höhere zuläffig. Bu öffent­Mann höherer Geburt dem Ünebenbürtigen gegenüber nicht veran lagt werden. Tem Obergenossen" dagegen durfte der Kampfliche Gruß" vor Gericht nicht verweigert werden, wiewohl man ihn selbst nicht herausfordern konnte. Aber trotz der erneuten Einschränkung durch die ständische Verfassung blieb sogar am Stönigsgericht die Bes rufung auf den Zweikampf bestehen. Der Sachsenspiegel des Eife von Repgow( entstanden zwischen 1215 und 1235) tennt ihn in der Form des Bichens an die vordere Hand" als Kampf von Sieben gegen Sieben. Völlig verschn and der gerichtliche Zweikampf während des Mittelalters nur in den Städten. Die Urteilsschelte trug den Gedanken der Berufung in fih, die dan freilich mit dem Schivert ausgefochten wurde. Erst in der Verfahren vor den städtischen Oberhöfen bildet sich die Urteilsschelte zu einem organischen Rechts­zuge, zur eigentlichen Berufung im Rechtswege aus, wenn auch roch feine Wiederholung des kontradiktorischen Berfahrens stattfand, sondern die Entscheidung im Berufungswege gefällt ward auf Grund eines schriftlichen Berichtes des Untergerichtes. Karl Erler.

Als eine Stammesgewalt und ein Stammesthing sich entwickelt hatten und damit der Anfang gelegt war zu staatlichen Verhält- cht wohl auf die arische Zeit zurüd. Wie insbesondere die Ent­nissen, dauert das Fehderecht der Sippe natürlich ungefchwächt fort. Die Stammesautorität hatte das Sippenrecht ursprünglich zur Voraussetzung, sie hob es nicht auf. Fortwährend greift das Ge­schlecht in die öffentliche Rechtssphäre ein, erweist es sich vor ihr als überlegen aus älterem Recht. So bildet sich ein geordneter Rechts­weg nur ganz allmählich heraus. Der Rechtsgang fußt zunächst völlig auf der Verhandlung der beiden arteien, deren Sache auch die Ladung der Zeugen, die Herbeifchaffung der Eideshelfer ist. Der Richter ist mehr Zuschauer der Verhandlungen, in die er nur soweit eingreift, als es der Gerichtsfriede erfordert, während bei der Urteilsfindung Richter und Umftand", in der ältesten Zeit die Thinggemeinde, zusammenwirten. Seitens des Beklagten war die Berufung auf das Sippenrecht, den Streitfall im Waffengange zur Entscheidung zu bringen, jederzeit zulässig. Immerhin sucht auch das älteste Voltsrecht die Fehde einzudämmen. Ein wesentlicher Schritt nach dieser Richtung war die Einführung des gerichtlichen Kampfvertrages, mit dem die erste geordnete Recht lege begonnen haben mag. Es war alter Brauch, daß zwei feindlie Völker unter Verzicht auf den Massenkampf einen Streitfall erledigten, indem sie auserlesene Strieger mit einander fämpfen ließen. So fonnte auch die Geschlechtsfehde durch ein wehadin einen von beiden Seiten licher Fürsprach vor Gericht, Leumundszeugnis u. ä. fonnte der eingegangenen Kampfvertrag, zum Au gebracht werden. Der an bestimmte Regeln gebunderie Zweikampf trat also an die Stelle des ungeregelten Völker- und Beschlechtskrieges." Die beiden Kämpfer verpflichteten sich einander im Falle der Niederlage mit Leib und Gut; der U- berlegene mochte d'n Gegner straflos töten, deffen habe ihm verfiel. Der gerichtliche Zweikampf brachte den Streit völlig zur Entscheidung und bot für das gerichtliche Verfahren endgültigen Ersatz. Man darf annehmen, daß die verlebte Partei, wenn sie sich unter Verzicht auf Fehde und Bußklage zu fampflicher Aussprache vor Gericht entschied, den Gegner zur Annahme der Forderung zwingen fonnte; Ablehnung des fampflichen Grußes war Rechtsverweigerung".( Schröder.) Auf dieser aber stand die allgemeine Friedlosigkeit, die Acht. Der Verlekte mochte das Ver­mögen des Rechtsverweigerers einziehen, ihn töten, verstümmeln oder verknechten, wie es ihm beliebte.

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Die wichtigsten Beweismittel im ordentlichen Gerichtsverfahren der ältesten Zeit waren Zeugen und Eid. Hatte der Klagende Beugen, so lag der Beweis bei ihm, sofern der Beklagte nicht gleich.

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