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Dieser Sumpf durchschneidet die Huerta wie ein tiefer bewachsen waren. In der Dunkelheit glich die Gegend einem Spalt. Mit seinen stehenden und übel duftenden Wassern, Bambuswalde, der sich über den tiefschwarzen Weg neigte. seinen schlammiigen Ufern bietet er einen trostlosen, düsteren Die Masse des Schilfrohres zitterte mit düsterem Aechzen Anblick. Niemand ahnt, daß die Ebene hinter den hohen unter dem Nachtwinde. Dieser, in den warmen Stunden so Böschungen jenseits des Schilfes und des Röhrichts ihre frische und angenehme Ort schien jetzt Verrat und Grauen lachende, grüne Fülle zeigt. Selbst das Sonnenlicht wird in zu atmen. diesem Sumpflabyrinth düster; es erscheint hier nur von der üppigen Vegetation gedämpft und spiegelt sich mit blassem Schimmer in den toten Gewässern.

Die unermüdlichen Schwalben kreuzten sich ohne Suh und Rast in ihrem launenhaften Flug, dessen seltsante Arabesken die mit Schilf bewachsenen Gewässer wieder­spiegelten. Batiste brachte den Nachmittag damit zu, auf die herumwirbelnden Vögel zu schießen. Schon hatte er in seinem Gürtel nur noch eine kleine Anzahl von Patronen, und zwei Dutzend Vögel bildeten zu seinen Füßen einen Haufen blutiger Gefieder. Ein königliches Mahl! Wie würde man sich zu Hause freuen! Er ließ sich vom Sonnenuntergang überraschen. In der Ferne wurde es schon dunkel; die Teiche strömten einen widerlichen Geruch, den vergifteten Hauch des Sumpffiebers aus. Die Frösche quakten zu Tausenden, als wollten sie die aufgehenden Sterne begrüßen; sie waren glücklich, daß sie nicht mehr diese Schüsse hörten, die ihren Gesang unterbrachen und fie nötigten, ängstliche Kopfsprünge zu machen, die das glatte Krystall des stehenden Wassers zerrissen. Nun hob der Jäger hastig sein Wildpret auf, hing es sich an den Gürtel, über­schritt in zwei Säßen die Böschung und schlug durch die Feld­wege die Richtung nach seiner Hütte ein.

Der Himmel, der noch in dem schwachen Lichte der Dämmerung schimmerte, zeigte eine sanft- violette Färbung; die Gestirne zogen auf, und die ungeheure Huerta ließ iene tausend Laute vernehmen, die verkünden, daß das Leben mit dem Einbruch der Nacht einzuschlafen beginnt. Die Arbeiter, die aus der Stadt zurückkehrten, eilten über die Wege, die Männer famen von den Feldern, die ermüdeten Tiere zogen den schweren Pflug nach Hause, und Batiste erwiderte:" Bona nit!" auf das Bona nit!", das ihm alle Personen, denen er begegnete, zuriefen: Leute aus Alboraya  , die ihn nicht kannten oder wenigstens nicht dieselben Gründe zum Hasse hatten, wie seine nächsten Nachbarn.

Doch je mehr er sich seinem Hause näherte, desto mehr ließ auch die Höflichkeit nach, die Feindschaft trat deutlicher her­vor, die Leute gingen in den Fußwegen hart an ihm vorüber, ohne ihm Guten Abend zu wünschen. Er kam auf feind liches Gebiet. Wie ein Soldat, der sich zum Kampfe anschickt, sobald er die Grenze überschritten, so suchte auch er nach Munition in der Tasche: mit zwei Schrotpatronen, die er selbst fabriziert hatte, lud er sein Gewehr. Jetzt fragte er nichts mehr danach, was wohl passieren könnte; er hatte da eine gute Bleidouche für den ersten, der es versuchen würde, ihm den Weg zu versperren.

Er wanderte ohne Hast, ruhig, als wolle er die Frische dieser Sommernacht austoften. Doch seine Ruhe ließ ihn die Gefahr nicht vergessen, der man sich aussett, wenn man abends in der Huerta spazieren geht und Feinde hat.

In einem bestimmten Augenblick glaubte er, mit seinen Bauernohren hinter sich ein Geräusch zu vernehmen. Er drehte sich lebhaft um, bemerkte beim unklaren Lichte der Sterne eine braume Gestalt, die mit einem leisen Satz vom Wege abwich und sich hinter einer Böschung versteckte. So­fort pacte er sein Gewehr und näherte sich vorsichtig der Stelle, wo die Gestalt verschwunden war. Niemand zu sehen. Doch es tam ihm vor, daß sich in einiger Entfernung die Pflanzen in der Dunkelheit bewegten. Man folgte ihm also? Man suchte ihn verräterisch von hinten zu überfallen? Troß­dem regte ihn dieser Verdacht nicht besonders auf; vielleicht hatte er sich getäuscht, vielleicht war es auch nur ein verirrter Hund, der bei seinem Erscheinen davonlief. Sicher war jeden­falls nur so viel, daß der Urheber des Geräusches, ob es nun ein Tier oder ein Mensch war, die Flucht ergriffen hatte; in­folgedessen hatte Batiste hier nichts mehr zu suchen.

Wieder wanderte er stillschweigend weiter, wie jemand, der, wenn er auch im Dunkeln nichts sehen kann, doch seinen Weg kennt und aus Vorsicht keine Aufmerksamkeit zu erregen sucht.

Einige Minuten, bevor er nach Hause kam, zweigte sich der Weg an dem blauen Gehöft, an dem die Mädchen Sonntags tanzten, in mehrere Kreuzungen ab. Er wurde auf der einen Seite von einer Böschung begrenzt, die mit einer Doppelreihe alter Maulbeerbäume bestanden war, zur Linken von einem Kanal, dessen abschüssige Ufer mit dichtem, hohem Röhricht

Obwohl Batiste nicht sehr beruhigt war, so sagte er doch zu sich selbst, als wolle er seiner Unruhe spotten: Ein prächtiger Ort, um einen Schuß loszulassen, der sein Ziel nicht verfehlen soll! Wenn Bimento hier wäre, er würde eine so schöne Gelegenheit sich nicht entgehen lassen." Kaum war ihm dieser Gedanke gekommen, als zwischen dem Röhricht ein gerader roter Pfeil, eine Feuerzunge auf­sprühte, die wie ein Blig glänzte, und der sofort ein Knall folgte, während etwas zischend an seinem Ohre vorüber­fuhr...

Man schoß auf ihn. Instinktiv bückte er sich und versuchte gleichsam in den schwarzen Boden einzufinken, um seinem Feinde feinen Zielpunkt mehr zu gewähren. In demselben Augenblick blitte eine zweite Flamme auf, und es ertönte ein zweiter Schuß, der sich mit dem Echo des ersten vermischte; gleichzeitig verspürte Batiste an der linken Schulter einen Schmerz, als zerreiße ihm eine Stahlkralle die Haut, doch er fragte nichts danach, sondern empfand im Gegenteil eine wilde Freude darüber. Zwei Schüsse! sein Feind war ent­waffnet!

,, Christo! Jetzt habe ich Dich!"

Damit stürzte er in das Röhricht, ließ fich fast den Ab­hang hinunterrollen und trat bis zum Gürtel ins Wasser.  -Mit den Füßen im Schlamm und die Arme in der Luft, um sein Gewehr nicht naß zu machen, bewahrte er seine beiden Schüsse für den Augenblid, wo er sie in voller Sicherheit abfeuern fonnte. Vor Augen hatte er das verzweigte Röhricht, das fast an der Oberfläche des Wassers eine dichte Wölbung bildete. Gegenüber hörte er in der Dunkelheit, in einer Entfernung von wenigen Schritten, ein dumpfes Klatschen, als wenn ein Hund das Ufer entlang floh. Der Feind war dort. Los! Ranalbett, er tappte sich durch die Finsternis, verlor feine Und Batiste begann eine wilde Verfolgung durch das Schuhe im Schmutz. Seine immer schwerer werdenden Hosen flebten am Störper fest und hinderten seine Bewegungen, während das zerbrochene Röhricht sein Gesicht peitschte und die starren, schneidenden Blätter ihn fragten.

Blöblich glaubte er etwas Schwarzes zu sehen, das sich an das Schilfrohr anflammerte und die Böschung emporzu­flimmen versuchte. Er wollte also entwischen? Batiste spürte das Prickeln der Mordlust in den Fingern. Er riß sein Ge­wehr an die Backe und drückte los. Feuer!

Ein Knall, und der schwarze Punkt fiel mit einem Regen von Blättern und zerfektem Schilfrohr in den Kanal.

Weiter! Doch von neuem vernahm Batiste dieses Mat schen eines davonlaufenden Hundes, und zwar jest stärker, als ob der Stachel der Verzweiflung den Flüchtling antrieb.

Und auf neue begann das furchtbare Rennen durch die Finsternis. Sie glitten über den schlammigen Boden, ohne sich an das Schilfrohr anklammern zu fönnen, denn sie durften ja ihre Gewehre nicht loslassen. Das von diesem wütenden Lauf gepeitschte Wasser sprudelte heftig. Zwei- bis dreimal fiel Batiste auf die Knie, doch beim Fallen hatte er nur einen Gedanken, die Arme zu erheben, um seine Waffe über das Wasser zu halten und sich den Schuß, der ihm noch blieb, zu wahren.

Die Menschenjagd ging so weiter, bis zu dem Augen­blid, wo sich in einer Kurve des Kanals eine Stelle des Ufers zeigte, auf der kein Schilfrohr stand. Batistes Augen, die an die Dunkelheit der Laubwölbungen gewöhnt waren, bemerkten ganz deutlich einen Mann, der mit Hülfe feines Gewehres aus dem Kanal flomm und sich mit seinen von Schlamm be­deckten Beinen nur mühsam vorwärts bringen konnte. Das war er. Pimento! Immer derfelbe!

Dieb! Dieb! Du sollst nicht entwischen!" brüllte Batiste und gab mit der Sicherheit des Schüßen, der Zeit zu zielen hat, seinen zweiten Schuß ab.

Er fah Bimento schwerfällig auf den Bauch fallen und dann auf allen Bieren friechen, um nicht ins Wasser zu stürzen. Batiste wollte ihm nach, sprang aber so bastig, daß er selbst einen Fehltritt tat und der Länge nach mitten in den Kanal fiel. Sein Kopf fanf in den Schlamm ein. Er ver­schlang diese erdige rötliche Flüssigkeit und glaubte, in diesem Schmußbett begraben ersticken zu müssen. Doch schließlich ge­