-

991

-

lang es ihm mit heftiger Anstrengung, sich wieder zu erheben| träglich wurde, machte dem Gejammer schnell ein Ende, indem und die Augen und den Mund zu öffnen. er ihnen rasch nachzusehen befahl.

Kaum fonnte er wieder sehen, so suchte er den Verwun­deten. Doch dieser war nicht mehr da.

Nun trat er, von Schlamm und Wasser triefend, ebenfalls aus dem Kanal und überschritt die Böschung an derselben Stelle wie sein Feind. Doch oben sah er niemand. Er be­fühlte an der Erde einige schwarze Flecken; er roch nach Blut. Doch alle seine Nachforschungen waren vergeblich. Er hatte nicht die Genugtuung, den Leichnam seines Feindes zu erblicken. Pimento hatte eine harte Haut, und wenn er auch biel Blut berlor, so würde es ihm doch jedenfalls gelingen, fich bis nach seiner Hütte zu schleppen. Er brachte bielleicht dieses dumpfe Rauschen hervor, das Batiste irgendwo auf den Feldern vernahm, gerade als wenn eine große Natter über die Furchen troch. Vielleicht heulten seinetwegen alle Hunde der Huerta so wütend! Plöglich bekam Batiste Angst. Er war allein in der Ebene und vollständig entwaffnet; sein patronen­Loses Gewehr war jetzt nur noch ein einfacher Stod. Pimento konnte allerdings nicht wiederkommen. Doch er hatte Same­raden.

Und von plötzlicher Angst ergriffen, lief Batiste quer­feldein, um den Weg zu erreichen, der ihn nach Hause zurück­führte.

Die Ebene war in vollster Aufregung. Diese vier, fast zu gleicher Zeit abgefeuerten Schüsse hatten die ganze Gegend in Schrecken versetzt. Die Hunde bellten mit wachsender Wut. Die Türen der Häuser und Gehöfte öffneten sich, und auf den Schwellen erschienen schwarze Schatten, die sicherlich keine leeren Hände hatten. Man hörte jene Pfiffe und Alarmrufe, mit denen sich die Bewohner der Huerta auf weite Ent­fernungen Warnungssignale geben, und die während der Nacht einen Brand, Diebe, Gott   weiß was, aber zweifellos nichts Gutes zu bedeuten hoben. Darum traten die Männer, zu allem bereit, aus ihren Hütten. Sie alle beseelte der In­stinkt brüderlicher Solidarität und gegenseitigen Beistandes, der bei den Leuten, die allein in einer Gegend leben, wo jedes Haus isoliert daliegt, stark entwidelt ist.

Ueber diese Aufregung höchlichst erschrocken, lief Batiste weiter und bückte sich fortwährend, um im Schuße der Bö­schungen oder Strohhaufen unbemerkt vorüberzukommen. Schon erblickte er sein Haus und bemerkte an der offenen und beleuchteten Tür auf den roten Fliesen die schwarzen Gestalten der Seinen. Sein Hund witterte ihn und war der erste, der ihm einen Gruß zusandte. Teresa und Roseta stießen ein Freudengeschrei aus.

Batiste! Bist Du es?" Bater! Bater!"

Und alle liefen ihm bis unter das Spalier entgegen, wo die Sterne zwischen den Nanken wie Glühwürmer glänzten.

Die Familie hatte eine schreckliche Viertelstunde berlebt. Als die Mutter, die schon über das Ausbleiben ihres Mannes unruhig geworden war, in der Ferne die vier Schüsse hörte, hatte sich ihr das Blut im Leibe umgekehrt, wie sie sagte. Sie war mit ihren Kindern auf die Schwelle gestürzt und hatte ängstlich nach dem dunklen Horizont geblidt, denn sie waren alle fest überzeugt, diese Schüsse, die die Ebene in Auf­regung bersekten, ständen mit der Abwesenheit des Vaters in Zusammenhang. Darum achteten sie auch in ihrer tollen Freude, ihn wiederzusehen, ihn sprechen zu hören, gar nicht auf sein mit Schmut befudeltes Gesicht, seine von Schlamm triefenden Kleider oder auf seine Füße, von denen er die Schuhe verloren hatte. Sie zogen ihn ins Haus, während Roseta mit feuchten Augen und liebevollem Tone wiederholte: ,, Vater! Vater!"

Sie fiel ihm leidenschaftlich um den Hals, doch er fonnte ein schmerzliches Buden, ein erftidtes, ängstliches Au!" nicht unterdrücken. Rosetas Arm hatte sich auf seine linke Schulter, auf dieselbe Stelle gelegt, wo er die Stahlfralle verspürt hatte und wo er jegt eine immer stärker werdende Schwere fühlte. Als er ins Haus getreten war, als das Licht der Ton­Lampe fein Gesicht vollständig beleuchtete, stießen die beiden Frauen und die Kleinen einen Schrei des Entsetens aus: sie sahen das blutgetränkte Hemd, sie sahen diese Erscheinung eines Banditen, der durch eine Kloake dem Zuchthaus ent­sprungen zu sein schien.

Roseta, die die mutigere von beiden war, zerriß das grobe, graue Hemd und entblößte die Schulter. Das viele Blut!" Das junge Mädchen erblaßte und mußte an sich halten, um nicht ohnmächtig zu werden. Batiftet und die Kleinen fingen an zu weinen. Teresa heulte noch immer, als läge ihr Mann im Sterben. Doch der Verwundete war nicht in der Stimmung, diese Jeremiaden zu dulden, und unter­brach sie in rauhem Tone: Genug det Tränen, die Sache hat nichts zu sagen, und der beste Beweis dafür war, daß er den Arm bewegen konnte. Ein Riß eine Schramme, nichts weiter Er fühlte sich zu kräftig, als daß die Sache hätte ernst sein fönnen. Also Waffer, alte Leinewand, Charpie, die Arnikaflasche! Man sollte sich tummeln, das war doch kein Grund, regungslos dazustehen und ihn wie ein Gößenbild anzustarren. ( Schluß folgt.)

Kleines feuilleton.

kh. Zur Psychologie des Herenwesens. In einer Sigung des Instituts für allgemeine Binchologie" in Paris   hat Gilbert Ballet  , ein Gelehrter, der sich lange Zeit mit der Erforschung dieses felt­famen Aberglaubens beschäftigt hat, die psychologischen Grundlagen des Hegenwesens erörtert. In der franzöfifchen Literatur hat man ja auch in neuerer Zeit wieder verfucht, die feelische Veranlagung und die krankhafte Disposition solcher Heren zu schildern. Seit Baudelaire  , Barberyd Aurevilly und Rops ihre fatanischen Visionen in Gedichten und Radierungen gestaltet, hat vor allem Huysmans die furchtbaren Handlungen der schwarzen Mefie" und die hysterische Ekstase der Satansbräute geschildert. Ballet   spricht besonders Sardous Here" eine piychologische Wahrheit in der Schilderung dieser feeliichen Vorgänge zu. Er unterscheidet drei Typen der Here, die dachfimige, die halluzinatorisch erregte und die von einer figen dee gepeinigte und verfolgte. Freilich gibt er zu, daß unter den zabllofen Heren auch eine Anzahl von Betrügerinnen und Ver brecherinnen gewefen feien. Zur Erklärung der furchtbaren Grausam feiten und Verblendung, mit der die Prozesse geführt wurden, muß man sich vorstellen, daß jene Zeiten von solchen Geisteskrankheiten fich überhaupt keine Vorstellung machen fonnten und daß der Glaube an böse Dämonen, an ihren Einfluß auf des Menichen Denken und Handeln allgemein verbreitet war. Selbst die erleuchtersten und vorgeschrittensten Geister der Renaissance, ein Pico della Mirandola  , ein Shakespeare, ein Fischardt waren in dem Glauben an die Wirk famkeit böser Geister noch völlig befangen, und von da war zum Glauben an Heren und Zauberer nur ein Schritt. Zudem haben diese Unglücklichen fast immer, abfichtlich oder von der Art ihrer Krankheit getrieben, Unruhen verursacht, den Geist der Massen erregt und durch irgendwelche ge beime Bräuche oder irgendwelche Ungewöhnlichkeit des Betragens fich in diefen Tagen eines erst beginnenden Individualismus von der noch einförmig empfindenden Menge abgesondert. Der Glaube an böse Geister und an ihren unheilvollen Einfluß auf die so dunkelen Beichide des Menschenlebens ist uns ja bei allen primitiven Völkern ebenio bezeugt wie in den kulturell hochentwickelten Zeiten des ab finfenden Römerreiches und der Gegenwart. Die Gestalt des chrift lichen Teufels, der wie ein brüllender Löwe ungeht und fuchet, wen er fange, mußte zu dem Gedanken führen, daß der Satan mit manchen Menschen einen Vertrag schließe, damit sie ihm dienten. Bald bildete Armee von Teufeln in seiner Phantafie aus; man zählte der in Einbildungen geschäftige Geist des Mittelalters eine ganze Satan, dem außer Obersten, noch 72 Offiziere und Dieses 7 405 928 ungeheure Teufelsheer gemeine Tenfel. nach allen Weltgegenden hin ausgefandt, die wird Menschen zu verführen und in ihre Schlingen zu locken, ganz so, wie es Leffing in seinem Fragment dargestellt hat. Der Teufel bietet seinem Opfer Gold, Wacht und Reichtum an, er besiegelt den Bertrag durch ein Zeichen, das er dem Zauberer oder der Here in das Fleisch drückt. Für all diese Formen der Teufelsverlodung und der dämonischen Feste, wie sie der englische   Gelehrte schildert, haben wir Deutschen in Goethes Faust, in der Darstellung der Walpurgiss nacht ein flaififches, uns stets vor Augen stehendes Beispiel. Den einmal Verdächtigen wurde mit der größten Willkürlichkeit und auf völlig ungewisse Anzeichen hin der Prozeß gemacht. Es genügte häufig, daß einer Frau hysterische Krämpfe nachgewiesen wurden, ja der Körper brauchte nur eine anästhetische Stelle", d. h. einen Fleck, der gegen das Stechen mit einer Nadel unempfindlich war, aufweisen, o galt sie bereits der Buhlschaft mit dem Satan über­führt.

-

t. Aerztlicher Rettungsdienst im Altertum. Bei den alten Griechen gelangte die ärztliche Kunst zu hoher Achtung. Niemals vorher und nachher durfte einer ihrer Vertreter eine so hohe Ehrung erhalten haben wie Hippokrates, dem die Athener   eine Krone aus Gold   widmeten und ihm gleichzeitig eine Unterhaltung auf Staatskosten für seine Doch Batiste, dem der Schmerz in seiner Schulter uner- ganze Lebenszeit zusprachen. Mit dieser hohen Wertschägung eines

Teresa und Roseta brachen in Wehklagen aus. Heilige Jungfrau, man hatte ihn ermordet!"