Unterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 9.

9]

Schwärmer.

Sonnabend den 13 Januar

( Nachdruck verboten.)

Roman von Knut Hamsun . Autorisierte Uebersetzung von Hermann Kiy. Rolandsen tritt in Mads Kontor ein und grüßt. Er ist vollkommen nüchtern. Vater und Sohn stehen jeder auf seiner Seite des Pultes und schreiben. Der alte Mad bietet ihm einen Stuhl an, aber Rolandsen setzt sich nicht, er sagt: Ich wollte nur deswegen kommen: ich habe den Ein­bruch bei Ihnen verübt."

Vater und Sohn starren ihn an.

Ich komme, um mich anzuzeigen," sagt Rolandsen. Es ist nicht recht von mir, noch länger zu schweigen; es ist ohne­hin schlimm genug."

,, Laß uns allein," sagt der alte Mack. Friedrich verläßt das Zimmer.

Mack fragte: Haben Sie Ihre Gedanken beisammen

geute?"

" Ich hab's getan," schreit Rolandsen. Und er hatte eine Stimme wie Gesang und kräftige Rede.

Eine Weile vergeht. Mad blinzelte mit den Augen und dachte nach. Sie hätten es getan, sagen Sie?"

Ja."

Mack dachte weiter nach. Sein starkes Gehirn hatte mehr als eine Aufgabe gelöst im Laufe seines Lebens, er war es gewohnt, eine Sache schnell zu überschlagen.

" Werden Sie morgen Ihr Wort auch aufrechterhalten?" Ja. Von jetzt ab gedenke ich meine Tat nicht länger zu verschweigen. Ich habe einen Brief vom Pfarrer be­kommen, darum bin ich ein anderer Mensch geworden."

Fing Mack an, dem Telegraphisten zu glauben? Oder ließ er sich nur der Form wegen noch länger mit ihm ein? Wann haben Sie den Einbruch begangen?" fragte er.

Rolandsen nannte die Nacht. ,, Wie fingen Sie es an?"

Rolandsen beschrieb haarscharf, wie er zu Werke ge­

gangen sei.

In dem Kasten lagen ein paar Papiere bei den Bank­noten, haben Sie die gesehen?"

1906

Und leider habe ich auch noch mehr zu gestehen," sagte Rolandsen, ich habe nichts von dem Gelde übrig, um es Ihnen wiederzugeben."

"

Mack machte eine gleichgültige Miene. Das spielt keine Rolle," erwiderte er. Mich betrübt nur all das niedrige diese Kränkungen meiner Person, wie meiner Familie." Geschwäß, das Sie über mich heraufbeschworen haben. Alle

" Ich gedenke, etwas zu tun nach der Richtung hin." ,, Was könnte das sein?"

herunternehmen und ein von mir verfertigtes an seiner Stelle " Ich will Ihr Plakat vom Heckpfahl am Pfarrhofe

anfleben."

das verlange ich nicht," sagte er. Es wird Sie so schon Das sah dem verwegenen Burschen wieder ähnlich. ,, Nein, hart genug treffen, Sie unglücklicher Mann. Aber wollen Sie statt dessen hier eine Erklärung niederschreiben!" Und Mad nickte zu Friedrichs Play hinüber.

Diese ganze ernste Angelegenheit hatte sich zum Guten ge­Während Rolandsen schrieb, saß Mack und spekulierte. wendetes Geld, sein Name würde zu Ehren kommen im wendet. Es würde Geld kosten, aber das war gut ange­

Lande.

Mack las die Erklärung und sagte: Ja, es ist gut so. Nun, ich denke selbstverständlich nicht daran, Gebrauch davon zu machen." ,, Das steht bei Ihnen," antwortete Rolandsen.

Ich habe nicht vor, etwas von der Geldangelegenheit zu verraten. Das bleibt unter uns."

"

,, Tann muß ich selbst mit der Sprache herausrücken," jagte Rolandsen. Im Briefe des Pfarrers steht ausdrücklich, daß man bekennen soll."

Mack schloß seinen feuerfesten Schrank auf und nahm eine Menge Banknoten heraus. Jetzt bot sich ihm die Gelegen­heit, zu zeigen, wer er wäre. Und niemand wußte wohl, daß unten in der Bucht ein fremder Watenmeister lag, der gerade auf dieses Geld wartete, ohne das er nicht heimreisen wollte. Sie nicht fränfen, aber ich bin es gewohnt, mein Wort zu Mad zählte vierhundert Taler ab und sagte: Ich will halten. Ich habe vierhundert Taler ausgesetzt, sie sind Ihr Eigentum." Rolandsen ging zur Türe. Ihre Verachtung verdiene Meine Verachtung!" rief Mack. Ich will Ihnen etwas

Ja. Es waren ein paar Papiere dabei." Sie haben das eine mit aufgelesen; wo haben Sie es?" ich," sagte er. Ich habe es nicht. Ein Bapier? Nein." Es war meine Lebenversicherungspolice." ,, Eine Lebensversicherungspolice, richtig, jetzt fällt es mir en. Ich muß gestehen, daß ich sie verbrannt habe."

,, So. Aber daran taten Sie unrecht, es hat mir viel

Mühe gekoftet, eine andere zu bekommen.'

Rolandsen sagte:" Ich war so topflos, ich konnte keinen flaren Gedanken fassen. Ich bitte Sie, mir alles zu ver­zeihen."

Es war noch ein anderer Kasten da mit mehreren tausend Talern, warum haben Sie den nicht genommen?" " Ich hab ihn nicht gefunden."

Mack hatte seinen Ueberschlag beendet. Mochte der Telegraphist die Tat verübt haben oder nicht, für Mac war er jedenfalls der prächtigste Einbrecher, den er überhaupt be­kommen fonnte. Er würde die Sache gewiß nicht verschweigen, sondern sie vielmehr jedent beichten, den er träfe; die letzten Watenleute würden die Neuigkeit mit sich nehmen und sie den Händlern zu Hause längs der Küste übermitteln. Mad mußte für gerettet gelten.

Ich habe bis jetzt nie davon gehört, daß Sie unter die Leute gehen... daß Sie sowas tun," sagte er.

Was Rolandsen mit nein beantwortete: nein, nicht unter die Fischer. Nester plündere er nicht. Er gehe zur Bank selbst.

Da hatte Mac es! Er sagte nur in bedauerndem Tone: Aber daß Sie das mir angetan haben!"

Rolandsen erwiderte: ch machte mir Mut. Leider ge­schah es in betrunkenem Zustande."

Unmöglich war es nicht mehr, daß das Geständnis auf Wahrheit beruhte. Dieser tolle Telegraphist führte ein lärmendes Leben und hatte keine größeren Einnahmen; der Rognak von Rosengaard kostete Geld.

sagen

hr Edelmut tut mir weh. Sie fordern nicht einmal meine Bestrafung, Sie belohnen mich."

hundert Taler durch einen Diebstahl verlor. Erst wenn er den Dieb mit der doppelten Summe belohnte, erhielt die Affäre den rechten Glanz. Er sagte: Sie fommen jezt ins Unglüd, Rolandsen. Sie verlieren Ihre Stellung. Ich berliere an diesem Gelde nichts, aber für Sie fann es bom praftischen Werte sein in der ersten Zeit. Bedenken Sie das doch."

Damit fonnte Mad feinen Staat machen, daß er zwei­

" Ich kann nicht," sagte Rolandsen.

Da nahm Mack die Banknoten und steckte sie ihm in die Tasche seiner Jacke.

,, Lassen Sie's ein Darlehn sein," bat Rolandsen. Und der ritterliche Handelsfönig ging darauf ein und erwiderte:" Gut, es soll ein Darlehn sein!" Aber er wußte genau, daß er dieses Geld nie wiedersehen würde.

Da stand Rolandsen und sank in sich zusammen, als trüge er heute die schwerste Bürde seines Lebens. Es war ein trauriger Anblid.

,, Und nun machen Sie, daß Sie wieder ins rechte Gleis kommen!" sagte Mad aufmunternd. Dieser Fehltritt kann sich ja wieder gut machen lassen."

Rolandsen bedankte sich in tiefer Demut für alles und ging. Ich bin ein Spitzbube!" sagte er schon zu den Fabrik­mädchen, als er an ihnen vorbeifam. Und er gestand alles. Er schlug den Weg zur Pfarrhofecke ein. Dort riß er Macks Plakat herunter und ersetzte es durch sein eigenes. Da stand es nun, daß er und fein anderer der Dieb sei. und morgen war Sonntag; es würden viele Kirchengänger vorbeikommen.