Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 11.

11]

Schwärmer.

Mittwoch, den 17. Januar.

( Nachdruck verboten.)

Roman von Knut Hamsun . Autorisierte Uebersetzung von Hermann Kiy. Rolandsen hatte nach wie vor nicht genug Schamgefühl, um dieser Volksbeluftigung fern zu bleiben; er faß auf einem hohen Berge und schlug seine Gitarre und fang, daß es im Tale widerhallte. Als er zum Scheiterhaufen hinunterstieg, stellte es sich heraus, daß er betrunken war wie eine Strand­fanone und sich mit effektvollen Phrasen aufspielte. Er war und blieb der Alte.

Aber unten kam des Küsters Olga den Weg entlang. Es war nicht im geringsten ihre Absicht, hier stehen zu bleiben, sie kam nur den Weg entlang und wollte vorbei. Ach, sie hätte leicht einen anderen Weg einschlagen können, aber Olga war so jung, die Weisen der Zichharmonifa zogen sie an: ihre Nasenflügel waren in Bewegung, ein Strom von Glück durchbrauste fie, sie war verliebt. Früher am Tage war sie im Stramladen gewesen, und Friedrich Mack hatte ihr soviel gesagt, daß sie ihn verstehen mußte, so vorsichtig er auch ge­sprochen hatte. Könnte es nicht vielleicht sein, daß er wie fie einen Gang unternähme um diese Abendzeit!

Sie traf die Pfarrersfrau. Die beiden schlossen sich ein­ander an, und sie sprachen von keinem Geringeren als von Friedrich Mack. Er war der Herr im Kirchspiel, sogar das Herz der Frau Pfarrer hatte sich ihm in der Stille zugeneigt, er war ein so netter, vorsichtiger Mensch und blieb auf der Erde mit jedem Schritt. Die Frau Pfarrer bemerkte zuletzt, daß Jung- Olga in der größten Verschämtheit einherging, und fragte: Aber Kind, Du bist so still, Du bist doch nicht am Ende in den jungen Mack verliebt?"

Doch," flüsterte Olga und brach in Tränen aus.

1906

Levions ganzer Haß flammt auf, und er sagt: Oho, hier wird's warm jest mit der Ohrenbinde."

,, Mach, daß Du fortkommst," sagte Enoch. Du bist wohl der Brandstifter."

Aber Levion war blind und taub. Enoch schien gerade zu dem Punkt an dem Felsen vordringen zu wollen, wo Levion stand.

ein Ohr abgedreht, ich werde Dir auch das andere nehmen." Hüte Du Dich!" schrie Levion. Ich hab Dir einmal Fort sollst Du Dich scheren," antwortete Enoch und drang auf ihn ein.

Du an den Tag auf dem Fjord? Du lagst und zogst an Revion faute und faute vor Wut. Er rief laut: Denkst meinen Schnüren. Da hab ich Dir ein Ohr abgedreht. binde trug, er hatte nur ein Ohr. Die beiden Nachbarn Es kam an den Tag, warum Enoch immer eine Ohren­hatten sich in den Klauen gehabt und hatten beide Grund ge­nug, von der Sache zu schweigen.

Du bist so gut wie ein Mörder," sagte Enoch. fahren, hörte von der anderen Seite den brausenden Brand, Man hörte das Boot des Pfarrers schäumend herant­der näher und näher kam. Enoch wand sich und wollte Levion fort haben, er zag das Schnitmesser, er besaß ja dieſes prächtige Messer zum Schneiden.

Levion ließ die Augen rollen und schrie: Wenn Du es wagst, mir das Messer zu zeigen, so sind hier Leute im Fahr­wasser. Da kommen sie."

Enoch steckte das Messer wieder ein. Was hast Du gerade da zu stehen? Geh fort!" sagte er.

Und was hast Du gerade hier zu suchen?" Es schert Dich nichts. Ich hab zu tun an der Stelle, ich habe da etwas versteckt. Und jetzt kommt das Feuer." Aber Levion wollte aus Troß nicht weichen, nicht einen Boll. Jetzt kam der Pfarrer und hörte wohl den Zank vom

Die Frau blieb stehen." Olga, Olga! und macht er sich ande her; aber was kümmerte sich Levion denn noch um den

auch was aus Dir?"

Ich glaube."

Da wurden die Augen der Frau wieder still und dumm und fahen leer in die Luft. Ja ja," sagte sie lächelnd, Gott segne Dich. Du wirst sehen, es geht gut!" Und sie doppelte ihre Freundlichkeit gegen Olga.

"

ber­

Als die Damen zum Pfarrhofe famen, stürmte der Pfarrer aufgeregt hin und her." Drüben der Wald brennt," rief er; ich habe es von meinem Fenster gesehen!" Und er sammelte Aerte und Hacken und Leute und bemannte sein Boot unten bet den Schuppen. Es brannte in Enochs Wald.

Aber dem Pfarrer und seinen Leuten zuvor kam der ab­gesetzte Gehülfe Levion. Lebion fam vom Angelfang ge­rudert, wie gewöhnlich hatte er vor Enochs Wald gelegen und ein wenig gekocht. Auf dem Heimweg hat er dann gesehen, wie eine fleine helle Lohe im Walde emporschlug und immer größer wurde. Er nickt ein flüchtiges Nicken mit dem Kopf und scheint zu wissen, was solch eine Lohe zu bedeuten hat. Und als er unten bei dem Pfarrhofsschuppen fich emfig tummelnde Menschen sieht, versteht er, daß Hülfe unterwegs ist; er wendet das Boot mit einemmal und rudert zurück, um als Erster auf dem Plate zu sein. Es war ein recht schöner Zug an Levion, daß er allen Groll vergessen wollte und seinem Feind zu Hülfe eilte.

Er landet und begibt sich in den Wald hinauf, er hört das Feuer praffeln. Levion läßt sich Zeit und sieht sich bei jedem Schritt genau um; kurz darauf sieht er Enoch in großer Eile herbeikommen. Eine ungeheure Spannung padt Levion, er versteckt sich hinter einem Felsen und hält Ausschau. Enoch kommt näher, zäh folgt er einem Ziele, sieht nicht rechts noch links, kommt nur, fommt. Hatte er seinen Gegner ent­deckt, und wollte er ihn jetzt aufsuchen? Als er ganz nahe war, rief Levion ihn an. Enoch wich aus und blieb stehen. Und in seiner Betroffenheit lächelte er und sagte:

,, Hier brennt es leider. Das Unglück ist da." Der andere bekam Mut und gab zur Antwort: Es ist wohl Gottes Finger."

Enoch runzelte die Stirn. Was stehst fragte er.

hier?"

Pfarrer!

Das Boot legte an, alle Mann stürmten mit Aerten und Hacken herauf, der Pfarrer grüßte im Fluge und sagte ein paar Worte: Diese Johannisfeuer sind eine verderbliche Sitte, Enoch; die Funken stieben nach allen Richtungen. Wo follen wir anfangen."

Enoch war kopflos; der Pfarrer faßte ihn und zog ihn fort, so daß er nicht fortfahren fonnte, mit Levion zu hadern. Bon wo kommt der Wind?" fragte der Pfarrer. Komm und zeig uns, wo wir den Graben aufwerfen müssen. Aber Enoch stand wie auf Nadeln, er mußte Levion im Auge behalten und antwortete dem Pfarrer wie verwirrt.

Laß Dich nicht so unterkriegen vom Unglück," sagte der Pfarrer wieder." Ermanne Dich doch. Das Feuer muß ge­löscht werden!" Und er nahm Enoch unter den Arm.

Einige von den Leuten gingen dem Brande ein Stück entgegen und begannen von selbst mit dem Graben. Levion stand noch immer an demselben Fleck und schöpfte Atem; er trat mit dem Fuß gegen eine Steinfliese, die vor dem Felsen lag. Hier wird er schon nichts verborgen haben, das sind nichts als Lügen, dachte er und guckte hinunter. Und wie er nun auch ein wenig in etwas Erde herumtrat, die unter der Fliese gelegen hatte, kam ein Tuch zum Vorschein. Das Tuch gehörte Enoch, es war eine ehemalige Ohrenbinde, Levion nahm es auf, es war ein Paket. Er warf das Tuch ab, Geld war darin, viel Geld. Banknoten. Und zwischen den Banknoten lag ein großes, weißes Dokument.

Levion wird redlich neugierig, er überlegt: es ist ge­stohlenes Geld! Er wickelt das Papier auseinander und buch­stabiert darin herum.

Da wird Enoch ihn gewahr und stößt einen heiseren Schrei aus; er zerrt sich vom Pfarrer los und eilt zurück zu Levion, das Messer in der Hand.

"

Enoch! Enoch!" schreit der Pfarrer und sucht ihn ein­zuholen.

Hier ist der Dieb!" ruft Levion ihnen entgegen. Der Pfarrer überlegte: Enoch hat der Brand so mit­genommen, daß er außer sich ist. Sted' das Messer ein!" fagte er zu ihm.

Levion fuhr fort: