Anterhaltungsblatt des Horwärts Nr. 14. Sonnabend, den 20. Januar. 1906 (Nachdruck verboten.) 14Z Schwärimr. Roman von Knut Hamsun . Autorisierte Uebersetzung von Hermann Kitj. (Schluß.) Im Oktober kam Elise Mack nach Hause. Es hieß, sie sei fest verlobt, und ihr Bräutigam, Henrik Burnus Henrik- sen, Kapitän auf dem Küstenboot, sei zu Besuch bei Mack. Im großen Saale auf Rosengaard sollte nun ein Ball statt- finden: eine deutsche Musikertruppe, die Finnmarken besucht hatte und auf der Heimreise war, wurde zu Horn- und Flötenspiel gemietet. Das ganze Kirchspiel war zu dem Balle geladen, Rolandsen wie alle anderen, und auch die Küsters- tochter Olga sollte erscheinen und als künftige Gattin Fried- richs aufgenommen werden. Aber bei Pfarrers kam etwas dazwischen. Jetzt war der neue Pfarrer ernannt worden, und man erwartete ihn tagtäglich: der Stiftskaplan kam nun an einen anderen Ort im Norden, wo eine andere Gemeinde ohne Hirten war. Er hatte auch nichts dagegen, daß er in neuem Erdreich pflügen und säen sollte, hier war die Arbeit nicht immer vom Glück gesegnet gewesen. Auf e i n erfolg- reiches Werk konnte er zurückblicken: er hatte es durchgesetzt, daß Levions Schwester sich des einzigen Mannes erinnerte, der die Pflicht hatte, sie zu heiraten. Es war der Zimmer- mann des Kirchspiels, zugleich Hauseigentümer mit nicht wenigen Schillingen unter dem Kopfkissen. Als sie vor dem Altar standen und der Pfarrer sie traute, hatte er ein win- ziges Gefühl von Zufriedenheit. Durch unverdrossene Mühe- waltung besserte man doch hie und da die Sitten. Ach, es würde sich allmählich schon machen, Gott sei Dank! dachte der Pfarrer. In seinem Haushalt war nun wieder ein bißchen Ordnung eingekehrt, die neue Hausmamsell war gekommen und sie war bei Jahren und solid, er wollte sie mitnehmen und sie auch in der neuen Stellung behalten. Es glich sich ja Wohl alles aus. Der Pfarrer war ein ge- strenger Herr gewesen: aber man schien ihm deswegen nicht zu grollen: als er sich unten am Landungsplatz einschiffte, hatten sich viele zum Abschied eingefunden. Was Rolandsen betrifft, so wollte er sich diese Gelegenheit, den Höflichen zu spielen, nicht entgehen lassen: schon lag Macks Boot da und wartete mit drei Mann auf ihn, aber er wollte erst an Bord kommen, wenn die Pfarrersleute glücklich fort wären. Für diese Höf- lichkeit mußte der Pfarrer sich trotz allem, was geschehen war, bei Rolandsen bedanken. Und wie es dem Gehülfen Levion seinerzeit überlassen worden war, die Frau Pfarrer an Land zu tragen, so überließ man es ihm jetzt auch wieder, sie an Bord zu bringen. Auch insofern schien Levions Zukunft sich aufzuhellen, als der Pfarrer versprach, das seinige dazu zu tun, daß er wieder die Gehlllfenstelle bekäme. Es glich sich ja wohl alles aus. Müßten Sie jetzt nicht nordwärts und ich südwärts, so könnten wir zusanimcn reisen," sagte Rolandsen. Ja," erwiderte der Pfarrer.Aber lassen Sie uns daran denken, lieber Rolandsen, daß zwar der eine nach Norden, der andere nach Süden zieht, daß wir uns aber alle einst treffen sollen an einem und demselben Ort!" Also legte er Zeugnis ab und war unverdrossen bis zuletzt. Die Frau saß am Bug in ihren alten traurigen Schuhen: sie waren geflickt, aber zugleich auch grausam häßlich ge- worden. Aber die Frau Pfarrer war deshalb nicht betrübt, sie hatte vielmehr funkelnde Augen und freute sich, an einen neuen Ort zu kommen, um zu sehen, was es dort gebe. Mit ein bißchen Wehmut dachte sie an einen großen Feldstein, an dessen Mitnahme der Pfarrer sie mürrisch gehindert hatte, trotzdem er so schön war. Dann stießen sie vom Lande ab. Und man winkte mit Hut und Südwester und Taschentuch, und vom Boot und vom Strande erklangen Abschicdsrufe. Und nun ging Rolandsen an Bord. Schon den heutigen Abend sollte er in Rosengaard zubringen, wo es eine Doppcl- Verlobung zu feiern galt. Auch diese Gelegenheit, den Höf- lichen zu spielen, wollte er sich nicht entgehen lassen. Da Macks Boot am Mast keinen Wimpel trug, entlieh er durch die Bootsleute einen prachtvollen rot und weißen Zehn- rudererwimpel, den er hissen ließ, bevor er abfuhr. Gegen Abend kam er an. Man konnte sehen, daß das große Handelshaus ein Fest feierte, in beiden Etagen waren die Fenster erhellt, und im Hafen an den Fahrzeugen unter- schied man nichts als Flaggen, obwohl es ganz dunkel war. Rolandsen sagte zu den Leuten:Geht Ihr jetzt ans Land und schickt drei andere her: um Mitternacht will ich wieder zur Fabrik zurück." Rolandsen wurde gleich von Friedrich in Empfang ge- nommen. Friedrich war gut gelaunt: jetzt hatte er die größte Aussicht, Steuermann auf dem Küstenboot zu werden, so daß er heiraten und es selbst zu etwas bringen konnte. Auch der alte Mack war zufrieden. Weder Elise, noch Kapitän Henrik- sen waren zu sehen: aber die kosten wohl in einem Räume für sich. Rolandsen trank ein paar Gläser und weihte und wapp- nete sich. Mit dem alten Mack hatte er eine Unterredung über geschäftliche Dinge: da hatte er nun den Farbstoff erfunden. Was für eine Bagatelle schien dieser Farbstoff zu sein und doch sollte er vielleicht das Hauptprodukt werden: Rolandsen brauchte Maschinen und Apparate zur Destillation. Elise kam gegangen. Sie blickte Rolandsen voll ins Gesicht, sagte laut Guten Abend und nickte. Er erhob sich und grüßte, aber sie ging vorbei. Sie ist so beschäftigt heut abend," sagte der alte Mack. .Dann heißt es also fix und fertig sein, wenn der Fang in den Lofoten anfängt," sagte Rolandsen und setzte sich wieder. Hoho, wie wenig ihm dergleichen anhaben konnte. Ich meine weiter, wir mieten einen kleinen Dampfer, den Friedrich führen kann." Friedrich bekommt jetzt vielleicht einen anderen Posten. Aber das besprechen wir noch näher: es hat Zeit bis morgen." Um Mitternacht fahr ich zurück." Na, hören Sie mal!" rief Mack. Rolandsen stand auf und sagte kurz:Um Mitternacht!" So fest und unbeugsam wollte er sein. Ich hatte wirklich gedacht, Sie würden hier übernachten.. Bei einem solchen Anlaß. Ich kann denn doch wohl sagen, daß ein kleiner Anlaß vorhanden ist." Sie gingen umher, nuschten sich unter die anderen und plauderten bald hier, bald da. Als Rolandsen den Kapitän Henriksen traf, tranken sie wie gute Bekannte zusammen, trotzdem sie sich nie gesehen hatten. Der Kapitän war ein gutmütiger, etwas dicker Herr. Daun fing die Musik zu spielen an, in drei Zimmern ging man zu Tisch, und Rolandsen richtete es geschickt so ein, daß er an einen Platz kam, wo niemand von den Vornehmen saß. Der alte Mack fand ihn bei seinem Rundgang und sagte: Sitzen Sie hier? Na ja. Ich hätte sonst.. Rolandsen antwortete:Tausend Dank, wir können Ihre Rede auch von hier hören." Mack schiittelte den Kopf.Nein, ich halte keine Rede!" Mit gedankenvoller Miene entfernte er sich: es schien etwas nicht zu stimmen. Das Essen ging vorüber, und es floß viel Wein, und das Getöse der Menschen war groß. Während des Kaffees setzte Rolandsen sich hin und schrieb ein Telegramm. Es war an die Jungfer van Loos in Bergen: ihre Zeit sei durchaus nicht abgelaufen. Komm in den Norden, sobald du kannst. Dein Ove. Auch so war es gut, alles war gut und herrlich! Er brachte das Telegramm selbst auf die Station und sah, wie ctz abgeschickt wurde. Dann kehrte er zurück. An den Tischen ging es jetzt lebhafter her, man wechselte die Plätze. Elise kam zu ihm hin und reichte ihm die Hand. Sie entschuldigte sich, daß sie vorher an ihm vorbeigegangen sei. Wüßten Sie nur, wie schön Sie heut abend wieder sind," sagte er und tat überlegen und höflich. Meinen Sie?" Das Hab ich übrigens immer gemeint. Ich bin doch Ihr alter Anbeter gewesen, wissen Sie noch. Nein, besinnen Sie sich doch auf voriges Jahr, wo ich Ihnen gerade einen An- trag machte!" Der Ton mochte ihr wohl nicht gefallen an thm, sie ging