Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 15.

Dienstag, den 23 Januar

( Nachdruck verboten.)

1]

Der Kuppelhof.

Roman von Alfred Bod. 1.

Der Hannpeter kam die Lohmühlsgasse herauf. Er hatte die Hände in den Hosentaschen und trug den Kopf vornüber­gebeugt wie ein Mann, der wichtigen Dingen nachsinnt. Eben bog er in die Hofreite des Bernhard Doßheimer ein, als ihm Henner, der Knecht, zurief: Geht emal ebei!"

Der Hannpeter blickte auf und fragte:" Was is los?" ,, Uns Bläß hat Luft."

"

,, Gewerzel! Ich komm."

Er folgte dem Henner in den Stall, wo der Bauer da­mit beschäftigt war, die krampfhaft keuchende, stark aufge­triebene Ruh mit einem Strohwisch abzureiben. Eile tat not. Während der Knecht den Bauch des Tieres mit Waffer begoß, drückte der Hannpeter gegen den Wanst, damit sich die Ruft nicht ansammeln konnte. Selbdritt   hatten sie ihre Last, als es galt, der Patientin, die sich aus Leibeskräften wehrte, einen Trank" einzugeben, und zwar mit Vorsicht in kleinen Portionen. Endlich gelang die Prozedur. Nach Verlauf einer guten halben Stunde tat das Mittel seine Wirkung. Der Bauch der Bläß schwoll zusehends an, ihr schmerzliches Stöhnen minderte sich, und sie begann sich zu erholen.

Den Männern war bei der Arbeit heiß geworden, sie wischten sich den Schweiß von der Stirn. Der Knecht erhielt die Weisung, im Stall zu bleiben und auf die Kuh Obacht zu geben.

Der Bauer, ein Mann in den fünfziger Jahren, von mittelgroßer Gestalt, mit glattrafiertem Gesicht und wasser­blauen Augen, schritt mit dem Nachbar über den neuge pflasterten Hof und sagte:" So geht's, wann man die Augen net hinten und vorn hat. Die Bläß hatt' sich überfressen." Er wies auf einen Haufen Grünfutter, das am Morgen hereingefahren worden war.

Der Hannpeter nickte.

,, Dasmal hat's noch getan."

" Du trinkst doch ein Gläschen Meppelwein?" fragte der Dotzheimer  ..

,, Das kann nir schaden," meinte der Hannpeter.

Sie traten in das Wohnhaus, dessen Frontseite der Straße zugefehrt war. Eine Treppe führte vom Flur in die geräumige Eckstube. An der Türschwelle stand des Bauern Tochter, die Mariann. Als sie erfuhr, daß die Bläß den Anfall überstanden, sprach sie aufatmend mit wohllautender Stimme: Gott sei Lob und Dank!"

Auf des Vaters Geheiß sprang die Mariann in den Keller und holte das Getränk herauf. Die Männer ließen sich an dem schweren, vom Alter gebräunten Tisch nieder, der in dem von zwei Fenstern gebildeten Winkel stand. Von hier konnte man bequem den Raum überschauen. Rings an den Wänden zogen sich schmale Bänke hin. In der Ecke zwischen Kammertür und Giebelwand sah man das große Himmelbett. Links von der Stubentür fiel als in seiner Art prunkvolles Hausgerät der Glasschrank in die Augen, worin allerlei schön bemalte Tassen und Teller zur Schau gestellt waren, rechts ragte der gewaltige Kachelofen empor. An der dem Eingang gegenüberliegenden Wand hingen unter Glas und Rahmen der Haussegen" und ein Totenfranz. Der Estrich war mit weißem Sand bestreut.

Die Männer ließen den gut trinkbaren Apfelwein gluckernd über die Zunge laufen. Ihre Gedanken waren noch im Stall.

Ich sein fein Freund von dem Einschütten, wann das Vieh sich überfressen hat," sagte der Hannpeter.

Wer's net versteht, soll die Finger devon lassen," sagte der Bauer.

Der Hannpeter stopfte seine Pfeife und setzte sie in Brand.

Wie war's dann legt beim Bäckerphilipp? Der spielt doch gern den Viehdokter. Und gibt seiner Kalbin Kamillen­brüh und Salpeter und Leinöl debei. Gut anderthalb Schoppen. Und das Tier geht kaputt."

1906

Der Doßheimer spuckte ärgerlich aus. Ei, so einem Eindarm gehört gar kein Vieh. Mir hat's der Sauhirtekarl berzählt: die Kalbin hatt' sich an Blätter zuviel getan. Ez geht mein Philipp her und hebt dem Tier den Kopp in die Höh. Ganz strack. No, da is das Gesäuf in die Luftröhr kommen."

Der Hannpeter blies den Rauch vor sich hin.

ob's" eins versteht oder net, weg mit dem Trank. Bläht so ,, Das kann schon sein. Und dessentwegen bleib ich debei: ein Bieb ein wint, laßt's doch in Gottes Namen vierund­zwanzig Stund aus'm Futter. Dernach wird's von selber

gut."

Ich

,, Da gibt's keine Regel," sprach der Dotzheimer  . sein immer dadevon ausgegangen: wann's net schlimm is, ebei. Daß legten Sonntag drei Stück Vieh im Ort gefallen helf ich mir selber. Tut's nötig, muß halt der Viehdokter sein, dadrüber braucht man sich weiter net zu verwundern. E is Mode, daß die Bauern in die Versammlungen laufen und Mägd die Raufen und Krippen geschwabbeltevoll und und schlecht Zeug flawatschen. Derweil schmeißen Knecht gehen ihrem Vergnügen nach. Abends is das Unglück da." Hannpeter, wann ich die Viehhaltung im Ort betracht, tut Er tat einen Zug aus seinem Glas und schloß: Guck, mir's alleritt weh.' s heißt, das Vieh muß sein, dann wir brauchen's für uns Aeder. Von vernünftiger Züchtung is feine Red. Da geht's freuz und quer. Ez frag ich, was is Ich sag: macht dann mit unserm Störnerbau? Nir is. Wiesen und Weidegeländ und kümmert euch um euer Vich. Dernacher lernt ihr den Beutel spicken."

"

Dine, die Magd, kam herein und meldete, die Bläß sei völlig leer" und habe bereits eine Handvoll Heu gefressen. Tas hörte der Bauer gern, und seine ernste Miene hellte sich auf. Die Mariann aber, die auf der Ofenbank sizend der Unterhaltung der Männer gelauscht hatte, legte den Strick­strumpf beiseite und erhob sich, nach der Patientin zu sehen. Ter Hannpeter schaute ihr schmunzelnd nach. ,, Ein Staatsmädchen, die Mariann."

,, Und tüchtig," sezte der Bauer in gerechtem Stolz hinzu, ,, Nur ein wink zart."

,, Das hat sie von ihrer Mutter felig."

Ja, der schlägt sie nach."

Das sehn ich so in allem."

,, Gelle, sie is über die Zwanzig enaus?" ,, Noch net lang."

,, No, wann wird dann Brait*) gemacht?" ,,' eilt mir net mit dem einzigen Kind." Hm! Ich wüßt sonst ein."

" Du?"

"

Ja freilich."

' s eilt mir net."

Ein feiner Bräuem und hat Knöpf."

Der Bauer schüttelte den Kopf.

Ich kann das Mädchen noch net entbehren." " Die Hauntsach is, wann die Schollen zusammenpassen," brachte der Nachbar mit Nachdruck heraus.

Wer soll's dann sein?" fragte der Dokheimer, ohne be­sondere Neugier zu verraten.

Ei, dem Karges sein Maz," versetzte der Hannpeter ,, Ach der."

" He kommt im Herbst vom Militär-" " Ich weiß."

Und is erhaft und eckerngesund." ,, Glaub's schon, aber ich will net.'

"

Der Nachbar legte verdußt die Pfeife auf den Tisch. ,, Du willst net?" Nee."

Eine Weile verharrten beide schweigend. Der Hann. peter hatte vom Zacharias Allendörfer, genannt Karges, den Auftrag erhalten, beim Doßbauer auf den Busch zu klopfen, wie dieser über die Heirat ihrer Kinder denke. Nun stieß er gleich auf Widerstand. Geduld überwindet Holzäpfel, überlegte er, und Zureden hilft. Dem Doßheimer aber ging ein Licht auf: der Nachbar war vom Sarges abgeschickt

*). Verlobung.