Anterhattungsblatt des Dorwärts Nr. 28. Freitag, den 9 Februar 1906 tStnchdnul verbolen.l Ii] Der Kuppelbof. Roman von Alfred Bock . Mariann blickte mit ihrem verhärmten Gesichte zu ihm auf. ..Wer spricht dann von Schwoleschiern, Vater?" Er machte eine Handbewegung. „Wir wollen net mehr devon schwätzen!" Sie hatte auf einmal ihre Fassung wiedergewonnen. „Vater, wir müssen devon schwätzen." Er zog die Brauen zusaminen. „Das wirst mich doch net weismachen wollen, daß es beim Nachgang geblieben is?" „Ich und der Fried, wir haben nix getan, demwegen wir uns schämen müßten," versetzte sie ruhig. Der Dotzheimer beugte sich vor. Seine Augen funkelten. „Mariann! Eben den Augenblick hast Du Dich vor unserem Herrgott gesäubert und willst schon wieder Lügen machen?" Sie hielt seinen Blick aus. „Ich mach keine Lügen, Vater.'' Er schüttelte den Kopf. Es war klar, sie schwindelte. Freilich, niemand machte sich selbst gern schwarz. Zum Kuckuck! Warum zerrte er die Sache hervor? Man mußte eine» Strich drunter machen. „Laß gut sein," sagte er abweisend, wie jemand, der es unter seiner Würde hält, solch heiklen Dingen nachzuforschen, und setzte hinzu:„'s geht auf zwei. Du sollst Dich noch ein wink legen." Sie fühlte, daß er ihr nicht glaubte, und war entschlossen, nicht eher von der Stelle zu weichen, bis sie sich vor ihm gerechtfertigt hatte. „Vater," bat sie,„hört mich an.'s is net eso, wie Ihr Euch das vorstellt. Der Fried is ein anständiger, kuranter Mensch. He weiß nix von böser Angewöhnung und is un- schellig wie ein Kind. Das is wahrhaftig'n Gott wahr!" Sie machte eine Pause, ihrer Beteuerung besonderen Nachdruck zu verleihen, und sprach dann weiter:„Guck, Vater,'s is immer ein Unglück, wann man seine Mutter so früh verliert. Um mich könnt sich keins net kümmern. Ihr hatt' Euer Aerwed") aufm Hof und aufm Feld. Ihr habt aber auch nix deWider gehabt, daß der Fried alsfort um mich war. Und's hat mir, weiß Gott , nix geschad't. Der niit seinem gescheiten Kopp is für mich Lehrer. Vater und Mutter gewest. Mein, da darf man sich doch net wun- dern, daß aus der Kanieradschaft die Liebschaft worden is. Letzt, wie Ihr mich ins Verhör genomnien habt, tat ich mich inschenicren, standhaft vorzutreten und die Wahrheit gestehn. Dernacher hat niir's Herzbrechen genunk gemacht. Und sein bei'n Fried gangen und Hab gesprochen: mein Vater will's net, mit uns zwei iS aus. Und der Fried war ganz verzwerbelt. Und ich Hab geheult. Aber von der Stund an hat keins mehr das andere zu Gesicht gekriegt. Etz heut aufm Festplatz— was soll ich dadevon sagen?'s is über mich kommen, ich weiß net wie." „Also tust Du doch noch an ihm hängen?" fragte der Bauer mißtrauisch. Sie deutete erglühend auf ihre Brust. „Dadrin sitzt's, Vater. Und erausreitzen kann ich's net." „Haijahai!" machte der Dotzheimer seiner Wut Luft. „Meinen, Gedunk nach sein das Albernheiten. Ich und Deine Mutter selig, wir haben von so Possen nix gewußt, oder is das vielleicht neumodisch? Wart, ich treib Dir die Sputzen aus! Etz is mir's doppell lieb, daß die Sach mit dem Matz morn festgemacht wird." Die Angst stand ihr im Gesicht. „Vater, ich will Euch alles Liebs und Guts tun, aber den Matz kann ich net nehmen." Er schlug mit der Faust auf den Tisch. „He hat meine Zusag. Und dadebei bleibt's." „Vater," schrie sie in Verzweiflung,„habt Ihr dann net ein wink Gefühl?" „Du hast die Wahl," sprach er felsenhart,„entweder ') Arbeit. Du nimmst den Matz, oder Du spazierst tutswitt auf die Gass'!"— Sie preßte die Hände Wider die Schläfen. Ihre Brust hob und senkte sich, und sie erschauerte wie vom Fieber ge» schüttelt. Eine Weile saß sie so in stummem Jammer. Dann sanken ihre Arme schlaff herunter. Mühsam richtete sie sich auf und wankte in ihre Kammer.» Just schritt der Nachtwächter draußen vorüber und rief mit seiner heiseren Stimme: „Ihr lieben Christen seid munter und wacht, Der Tag verteilt die finstere Nacht. Wenn ihr nun ausgeschlafen habt Und von Gott das Leben habt, So wünsch ich euch einen guten Morgen! Gott mög auch heut für euch sorgen. Zwei ist es an der Zeit, Lobt Gott in Ewigkeit!" 11. Nachdem Henner, der Knecht, seinen Laufpaß erhalten hatte, raffte er seine Siebensachen zusammen und schaffte sie in den„Pflug". Dort traf er einen Fuhrmann, der sich bereit erklärte, die geringe Habe nach Grünberg zu be« fördern. Tagsüber trieb sich der Goliath im Dorf und auf dem Festplatz herum und brütete Rache. Man mußte dem Dotz- heinier noch einen Possen spielen. Am besten, man steckte ihm den roten Hahn aufs Dach. Heut im allgemeinen Trubel ließ sich das ohne Schwierigkeiten vollführen. Ganz gut. Aber daS hieß mit sehenden Augen ins Unglück rennen, denn gleich würde sich der Verdacht der Täterschaft auf ihn lenken. Nein, damit war's nichts. Was sonst? Wenn er sich in den Stall schlich und an dem Vieh sein Mütchen kühlte? Pfui Teufel! Das Vieh, das er Stück für Stück kannte, das ihm ans Herz gewachsen war! Die Hand sollte ihm ain Arni verfaulen, die sich zu solcher Schandtat hergeben würde. Er simulierte und simulierte und kam zu keinem be- stimmten Entschluß. Abends war er bei dem Faustkampf zugegen und auch bei dem Auftritt mit der Mariann. Da frohlockte er und dachte, er könne sich's nun sparen, dem Totzheimer einen Schabernack anzutun. Der sei genug gestraft. Von ungefähr lief ihm die Dine in den Weg. Solange sein Sinnen und Trachten auf die Mariann und ihres Vaters Hof gerichtet war, hatte er die Magd als Luft behandelt. Jetzt erwachte beim Anblick der drallen Dirne seine alte Lüsternl)eit. „No, Dinche, wie is es dann?" redete er sie an. „'s is so lvie's is," antwortete sie, rot vor Freude über die Vertraulichkeit, die aus seinen Worten klang. „Last Du dann den Spiktakel gesehn?" fragte er, nah an sie herantretend. „Ja," sagte sie.„und ich sein noch ganz baunfitzig devon." Er lachte hämisch. „Der Berz glaubt Wunders, wie ausklugiert er is, und spannt den Esel vorn hin. Etz hat er seine Schlapp! Ich gunn's ihm!" Sie sprachen lang und breit über die Szene, die sich vor ihren Augen abgespielt hatte. Die Dine bemitleidete die Mariann, die immer gut gegen sie gewesen war. Der Hcnner meinte, was eins sich einbrocke, mülle es auch ausfressen. Daß er wegen der Mariann mit dem Bauer Krakeel gehabt hatte und fortgejagt worden war, verschwieg er. Eben spielte die Musik einen Hopser auf. Sie folgten den Paaren, die zum Tanzboden gingen. Der Henner war ein flotter Tänzer. Während er sich mit der Dine drehte, schäkerte er:„'s is doch kriminal schön, wann man so was Warmes im Arm bat." Sie war überglücklich. Kein Zweifel, das Mittelchen der alten Wannigen wirkte. Vor Mitternacht verließen sie eng aneinandergeschmiegt den Festplatz und wandten sich dem Kräppelwäldchen zu. Daß Du mein Schätzche bist, Daß Du es weißt, Daß Du kein andern liebst, Bis ich Dich's heiß."
Ausgabe
23 (9.2.1906) 28
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