So sang er mit sonorem Baß, und sie fiel mit ihrerAltstimme ein.Unter den alten Hainbuchen auf weichem Rasenteppichwar bald ein heimliches Plätzchen gefunden. Von den Strauch-wiesen drunten kam ein betäubender Duft herauf. Drobenin den Kronen der Bäume rauschte der Nachtwind das Hoch-zeitslied.Die Dine schwelgte in Wonne. Ihre Sehnsucht war er-füllt. Der Henner kargte nicht mit seinen Zärtlichkeiten, undsie gab sich mit wahrer Inbrunst seiner ungestümen Liebe hin.„Henner," bisperte fie,„etz seist Du doch wirklich meinSchatz?"„Ja, mein Schnuggelche," gab er zurück,„ich sein DeinSchatz!"Darauf saßen sie Hand in Hand. Sie fühlte fich schonganz fraulich und meinte, sie müßten nun mit allen Kräftendanach streben, sich einen eigenen Hausstand zu gründen. Ernickte zustimmend. Daß er sein Spiel mit chr trieb, ahntefie nicht.Von ihrer Heimat und ihrer Familie wußte er so gutwie nichts. Ins Hinterland war er nie gekommen, weil es„ein wink abseits" lag. Wohl aber hatte er gehört, daß derBoden dort mager und mühsam zu bearbeiten sei.„Das is wahr," bestätigte sie.„Etz mein Vater selig hatmit der Oekonomie nix zu schaffen gehabt. He is sieben Jahraufs Hüttenwerk nach Laasphe gangen, dann is er Eisen-bahner worden. In Marburg hat er im Magazin Metallgußausgeben. Dadcbei is ihm ein Splitter ins Aug kommen.Nu hat he lang in der Klinik gelegen. Und könnt ihm keinDokter helfen. Das andere Aug fing auch an zu schwären,und auf einmal war he völlig blind. Sell war meine Mutterselig mit ihm versprochen. Und ihre Leut haben ibr vor-gestellt, daß sie sich unglücklich machen tät, wann sie den blindenMann nähm. Sie hat sich aber nix sagen lassen, dann sie wargar treu. Und so sein sie kopuliert worden. Mein Vater seligbekam was von der Eisenbahn. Das hat natürlich net ge-langt. Nu sein sie auf dem Breidenbacher Hof mit meinerMutter selig einig worden, daß sie die Milch nach Biedenkopfbringen sollt. Und da hatt fie sich ein Wägelchen angeschafftund ein Hund. Der hieß Sultan und war groß und stark.Bei uns kennt man das net, daß so ein Tier ein Wägelchenzieht. Und meine Mutter selig hat sich mit dem Gefährt einwink geschämt. Dessentwegen tat fie auch mehrstens hintendrücken. Den Sultan hatten die Stadtleut alle gern. Wo ermit seinem Wägelchen hielt, gab's was zu fressen. Manchmalzu viel. Das taugt auch nix. Etz kannst Du Dir denken, beiWind und Wetter enaus, das war für meine Mutter seligkeine Kleinigkeit, wo sie schon immer ein wink dumpig*) war.Hier spricht man als von der Hessenluft, bei uns bläst's nochganz anders. Nu hat sie fich richtig verruiniert. Erst krag fieeine rauhe Kehl, dernach hat sich die Krankheit auf die Lunggeschlagen. Da war fie verloren. Diese Pfingsten sein's sechsJahr gewest, daß ich konfirmiert worden bin. Acht Tag der-nach is meine Mutter selig gestorben. Etz war ich mit demblinden Mann allein. He hat in einem Stück nach seiner Fraugejammert. Und der Sultan auch, was man von einem Tiergar net glauben sollt. Uns' Herrgott hat's gut mit meinemVater selig gemeint, denn er hat ihn bald drauf zu sich ge-nommen. Den Sultan hat der Bürgermeister von Simmers-dach gekauft. Hernach sei ich zwei Jahr bei meiner Got' ge-West. Dere ihr Schwester hatt' sich nach Marburg vermiet.Die tat mir eine Stell ausmachen bei Professorsleut. Ichsollt in der Küch helfen und im Haus. Die Arwed könnt ichpacken. Einmal kam die Professern mit zwei fremden Manns-leut ins Haus. Ich tat gerad die Trepp aufWäschen.„Dine",spricht sie,„wo ist mein Mann?"»Der Ale**) is in der Schlaf-stub", sagt ich,„und zieht andere Strümp an. Wahrscheinshat he sich drauß nasse Füße geholt." Die zwei fremdenMannsleut schlugen ein Geläch auf. Und die Professernschnauzt mich an:„Du Unschuld vom Land, Du gehst ambesten wieder dahin, woher Du gekommen bist." Das ließich mir net zweimal sagen. Und krag auch gleich ein Dienstin meinem Ort. Und hatt' nix auszustehn. Und Hütt mich niemehr ausländig verdungen, wann der Lohn net gar so geringgewest war. Demwegen sein ich hierher gemacht. Und Habmir schon ein Stückcr dreitausig— nee, wart emal— drei-hundert Mark gespart."lFortsetzung folgt. x*1 engbrüstig.-) Alte.Mechdruck verboten)Orckiäeen.Die Märchenblumen der Gegenwart sind die Orchideen. Kaumeine andere Pflanzenfamilie umgibt in der modernen Zeit einsolcher Sagenkreis. Obgleich sie mit Ausnahme der arktischen Zoneüber die ganze Erde verbreitet ist, obwohl Orchideen auch bei uns,im Flachlande und Gebirge, vorkonunen, existieren für den Pflanzen-züchter, mehr noch aber für den Liebhaber, nur die Orchideen fremderLänder. Während der Gärtner und Laie bis heute unsere einheimischenOrchideen oder Kuckuck-kräuter kaum beachtet, Iveil sie meistens Erd-gewächse mit einfachen ganzrandigen Blättern und rundlich-lnolligen,handförmigen oder kriechenden Wurzelstöcken sind, deren klein«Blüten nur wenig aufsollen— steht er staunend vor der großenBlumenpracht und Formenmannigfaltigkeit jener Orchideen, die ausfernen Erdteilen in unsere Gewächshäuser wanderten. Als reisendeNaturforscher im achtzehnten und am Beginne des 19. Jahrhundertsbei ihrer Heimkehr zuerst aussührlicher von jenen Knaben- oderKuckuckskräutern berichtete», die in den tropischen Urwäldern,„ohneSchmarotzer zu sein, sich auf die Bäume versteigen und deren Rindemit den, wundervollsten, über alle Vorstellungen phantastischenBlumenflor überziehen", fanden ihre Schilderungen nur seltenGlauben. Man hielt sie sür Uebertreibungen, wenn nicht gar fürAusgeburten einer überspannten Phantasie. Nun sind aber reisendeNaturforscher in der Regel sehr nüchterne Leute, die an phantasri-schen Schilderungen ihrer Erlebnisse sehr selten Gefallen finden.Das sollte sich auch hier schnell genug beivahrheiten. In einzelnenFällen hatten nämlich die Naturforscher von ihrer Reise nicht bloßeine Beschreibung der Orchideeirblütcn, sonder» auch Orchideen-knollen mitgebracht. Zwar waren das in den meisten Fällen rechtunansehnliche Gebilde, für deren Besitz so ohne weiteres kaum einMensch ein paar Groschen bezahlt haben würde, aber in den Ge-Wächshäusern der botanischer Gärten entwickelten fich, in ver-cinzelten Fällen, die knollenartigen Gebilde zu Pflanzen, die nichtbloß grünten, sondern nach einiger Zeit, ost allerdings erst nachJahren, Blüten zur EntWickelung brachten. Und da zeigte es sichdenn, daß die früheren Berichte der Forscher keineswegs übertriebengetvescn. Man hatte plötzlich Blumen vor sich, die in ihrer sonder-baren Gestalt und Farbe alles bisher Bekannte übertrafen.Mit dieser Tatsache war der erste Grundstein gelegt für dieOrchidcenmode, die in moderner Zeit zur Orchideenmanie ausarteteund damit an die Tulpenmanie erinnert, wie sie im 16. Jahrhundertblühte, als man für Tulpenzwiebeln in Holland sabelhafie Preisebezahlte. Die anfänglich so unbedeutenden Orchideenknollen warenplötzlich begehrenslverte und kostbare Kaufobjelte geworden. Jeartenreicher die Orchidcenkollektionen wurde», welche Pflanzen-sammle r aus Indien, Mexiko, Zentralamerika, Peru, Guiana undden Staaten Brasiliens nach Europa brachten, um so erstaunlicherePreise bezahlten reiche Pflanzen liebhabe r für ihren Besitz. DieErfahrung hatte nämlich gezeigt daß gewiß« Orchideen an ganz be-stimmte Gegenden gebunden lvaren, sich selbst dort nur in wenigenExemplaren vorfanden und somit zu den größten Pflanzenselten-heiten gehörten. Ter persönliche Besitz einer solchen Rarität aberwar es, der alle jene besonders reizte, die über mehr Gelder ver-fügten, als sie verbrauchen konnten. Der hohe Preis, den sie für„ihre" Orchideen bezahlten, faszinierte die Millionäre oft mehr, alsdie Schönheit und Eigenart der Orchideenblumcn. Es gehört näm-lich zum Charakteristikum dieser Pflanzen, daß die aktuelle Varietätnicht eher festgestellt werden kann, als bis die erste Blume zur Entfaltung kommt. Da aber anfänglich jede importierte Orchideen-knolle ein Wcttgebot unter gewissen Leuten verursachte, so wurdenofl Preise für Exemplare bezahlt, die sich späterhin als recht„ge-wöhnliche" Sorten entpuppten. Andererseits reizten die gezahltenhohen Preise unternehmungslustige Handelsgärtncr und Privatpersonen, das Aufsuchen, den Import und die Kultur von Orchideengeschäftsmäßig zu betreiben. So entstand der Orchldcenspczialistund Importeur. Der letztere(oft auch Privatpersonen) nahmintelligente Leute in seinen Sold und sandte sie hinaus in die weiteWelt auf die Suche nach neuen Orchidecnarten. So entstand derOrchideenjäger. Finanziert von kapitalkräftigen Auftraggebernscheute er vor keinem Hindernis zurück, sein Ziel zu erreichen. Jegrößer die Schwierigkeiten, die zu überwinden waren, um so größerRuhm und Ehre, um so höher der Extrapreis, der ihn nach seinerHeimkehr erwartete. Auf solche Weis« wurden Gebiete der Erdedurchstöbert, die nie zuvor ein menschlicher Fuß betreten._ Wederdas undurchdringliche Dickicht der Urwälder noch himmelansteigendeFelsen, weder brausende Gcwäsier noch pestilenzgeschwängerte Niedc-rungen. weder reihende Raubtiere noch feindlich gesinnte Eingeboreneschreckten diese Leute, die eine Ausdauer und einen Mut bewiesen(und noch heute beweisen), der wahrlich einer besieren Sachewürdig gewesen. Dabei waren und sind alle solche Expeditionenmit den größte» persönlichen Entbehrungen verbunden. Ist er ein-mal der Wildnis anheimgefallen, so dauert es Monate, ost ein Jahr,ehe der Orchidcenjäger wieder in zivilisierte Verhältnisse zurückkehrt.Ja, in einzelnen Fällen kamen sie niemals ivieder und wurdenOpfer ihres Berufes. Trotzdem steht die Orchidecnjagd augenblick-lich in der höchsten Blüte. Zwar gibt es verhältnismäßig nur nochwenige Gebiete der Erde, die irgend ein Orchidcenjäger nicht schoneinmal wenigstens oberflächlich abgesucht hat, und die Möglichkeit,absolut neue Orchideenspezies aus der Fremde einzuführen, wirdimmer beschränkter— aber darum gerade ist das Ziel ein um so