Anterhaltungsblatt des Horwärts Nr. 36. Mittwoch� den 21. Februar. 1906 lNachdmck cevdolcn.) 22] Der Kuppelhof» Roman von Alfred Bock . Wider Erwarten nahm der Dotzheimer die Mitteilung gelassen auf, ja, sie gab ihm willkommenen Anlaß, mit dem Karges, den er haßte, ganz zu brechen. „Ich verstaun mich gar net," sagte er,„Dein Vater glaubt an nix, und so einem Menschen is alles zuzutrauen. Ich möcht net in seiner Haut stecken. Wo der emal hinkommt, da is. Heulen und Zähneklappern. Bei mir is er ausgetan. Das mag er sich merken. Etz mit dere Hypothek, das heißt doch nix anders: der Karren is in Dreck gefahren, und ich soll den Fuhrlohn bezahlen. Wie is es dann, wann alles schibes geht?" „'s geht nix schibes," entgegnete der Matz.„Ihr seht doch, ich sein bei der Hand und laß nix verkommen. Wann Ihr mich etz stecken laßt, ja no, dann kann ich's auch net ändern. Ich wollt mich von dem Judd ledig schaffen, weiter nix." Der Dotzheimer beabsichtigte nicht, seinen Tochterinann im Stich zu lassen. Einmal hatte er von dessen Tüchtigkeit und Befähigung als Landwirt vollgültige Beweise, dann konnte er ihm wohl nachfühlen, wie peinlich es war, von der Gnade des Moritz Edelschild abzuhängen. Ueberdies, wenn er ein Opfer brachte, tat er es auch für sein Kind. „Mein Vater und mein Ellervater," sagte er,„haben von Hypotheken nie nix gewußt, und ich hätt meiner Lebtag kein Kapital aufgenommen. Etz für Deinen Vater seine Schlingen seist Du net verantwortlich. Und von dem Judd mußt Du los, das is emal klar. Machst Du das Feld auch als emal zwerch, ich will mich net mit Dir verkrämern*). In Gottes Namen geh bei die Kass'. Von mir aus leg ich Dir nix in den Weg." Die Verhandlung wurde zum guten Ende geführt. Nachdem die Formalitäten erledigt waren, verabfolgte die Darlehnskasse an den Matz achttausend Mark, und der Moritz Edelschild erhielt sein Geld. „'s hätt gar net pressiert," empfahl sich der Händler höflich, ja respektvoll.„Weißt Du, was ich zu meinem Schwiegersohn gesagt Hab? Simon, Hab ich gesagt, der Matz hat EHain**) und is in allem kumplett. Kunststück, hat nicin Schwiegersohn gesagt, wenn einer hat Massel und Chain, wird er von selbst ein reicher Mann. Wie heißt, er wird ein reicher Mann? Hab ich gesagt. Der Matz is schon ein reicher Mann. Nu, ich denk, wir tun noch manchen Handschlag miteinander. Sie sollen kommen und Dir anbieten, was sie wollen, ich werd sein billiger. Mein Schwiegersohn wird sagen, Vater, du bist nieschugge. Wie kannst du handeln ohne Nutzen? Ich hin wirklich meschugge, werd ick sagen, aber ich Hab mir emal vorgenommen, ich mach mit dem Allendörfermatz das Ge- schüft. Also, wenn Du was brauchst, bin ich da. Und kannst haben, soviel Du willst." Der Matz schwieg, und dem Moritz schwante, daß er seine Rolle auf dem Hof des jungen Bauern ausgespielt hatte.— Auch dem Hannpeter, der drauf und dran war, sich als Schmarotzerpflanze einzunisten, wurde bedeutet, daß man seiner nicht mehr bedürfe. Ergrimmt zog er ab und warf sich der Politik in die Arme. Als Sendling des Karges wanderte er von Dorf zu Dorf und machte für dessen Kandidatur als Landtagsabgeordneter Stimmung. Mit ein paar cinge- lernten Redensarten wußte er sich ein wichtiges Ansehen zu geben. Regelmäßig klang sein Werben in die Worte aus: „Nicht die Sozialdemokraten, wir vom Bauernverein sind die Partei des arbeitenden Volks. Das Volk soll selbständig werden, soll sein Heil nicht von den vorgesetzten Behörden, sondern von seinen Vertretern im Parlament erwarten. Darum wählt einen Abgeordneten, der Bein ist von eurem Bein und Fleisch von eurem Fleisch und sich ins Zeug wirft für euch. Der Zacharias Allendörfer ist euer Mann!"— •) veruneinigen. •*) Verstand. Am Tage der Brait hatte die Mariann gelobt:„Ich tun meine Arbeit und sein still." Mit diesem Vorsatz war sie auch in die Ehe getreten. Aber schon bald nach ihrer Verheiratung wurde ihr„Stillsein" auf eine harte Probe gestellt. Seit Jahren war die Milchwirtschaft ihre Domäne. Jeden Morgen erschienen die dicke Bette und das bucklige Wiselchen und nahmen die Milch von ihr in Enipfang, um sie in die Stadt zu bringen. Das sollte mit einem Mal aufhören. Der Matz hatte mit der Genossenschaftsmolkcrei in Grllnberg einen Vertrag abgeschlossen, wonach er verpflichtet war, seine ge- samte Milchproduktion an diese zu liefern. Als er der Bette und dem Wiselchen hiervon Mitteilung machte, erschraken sie und erhoben ein Jammergeschrei. All die Zeit her habe der Dotzheimer ihnen die Milch verkauft. Daß er die besten Milchkühe halte, sei ihren Abnehmern wohl bekannt. Wechselten sie mit ihrem Lieferanten, müßten sie gewärtig sein, ihre Kundschaft und ihr Brot zu verlieren. Der Matz zeigte ihnen in aller Gemütsruhe seinen Kontrakt und sagte: „Ich sein mir selbst der Nächst! Die Milch is auf'm Hof der- kümmelt") worden. Hier habt Jhr's schwarz auf weiß, was mir die Molkerei auf die Zündpfann legt. Etz trollt Euch und seht zu, daß Ihr Euer Sach sonst woher kriegt." Bei der lauten Auseinandersetzung, die vor dem Stall stattfand, war die Mariann nicht zugegen. Sie wnßte, daß ihre Vermittelung zwecklos gewesen wäre. Indessen hatte sie von der Eckstube aus, ohne daß sie selbst bemerkt wurde, jedes Wort gehört. Wie sie nun die Bette und das Wiselchen, die sie seit frühesten Tagen kannte, trostlos den Hof verlassen sah, blutete ihr das Herz, und sie fühlte eine brennende Scham, daß ihr, der Tochter des Bernhard Dotzheimer, verwehrt war, den armen Frauen zu helfen. Immer mehr trat zutage, daß der Matz seine Frau überall da beiseite schob, wc sie selbständig gewirtschaftet hatte. Eifrig wachte er darüber, daß alle Fäden des Betriebes in seiner Hand zusammenliefen. Die Mariann war die Vermögendere in der Eheschaft, er hatte den väterlichen Hof mitgebracht, aber auch die Schulden, die darauf ruhten. Diese Ungleichheit be- drückte ihn so lange, bis er in seiner Geschäftsklugheit und Arbeitskraft das Gegengewicht fand. Es bot sich Gelegenheit, die Bläß, seines Schwiegcr- Vaters Lieblingskuh, nach Bobenhausen zu verkaufen. Die Mariann bat ihn, er solle das Tier behalten. Er schlug's ihr ab. „Dein Vater," sagte er,„hat sieben Karlin für die Bläß bezahlt, und ich kann zwölf kriegen. Das wär ein schön Esel- stück, wann ich die fünf Karlin für nix achten tät."— Als die Kuh fortgeschafft wurde, stürzten der Mariann die Tränen aus den Augen. Dem Matz regte das„Geblerr" in Gegenwart der Bobenhausencr Bauern die Galle auf, und ein Hagel harter Worte prasselte auf seine Frau nieder. Unter all diesen Kränkungen litt die Mariann. Der Matz aber wähnte, hinter ihrer traurigen Miene berge sich Kränklichkeit oder Aerger. „Wann man die Neidsäck im Dorf hört," sprach er sich bei seiner Mutter aus,„sollt man meinen, ich hätt alles Glück in der Welt gePacht,'s is ja wahr, ich Hab einen schönen Hof. In einem Teil sein ich aber doch schlecht angekommen. Da is die Mariann. Ich weiß net, is sie kränkerlich, oder stellt sie sich nur eso. Wann ich keimkomm, sitzt sie wie ein Häufchen Unglück da. Manchmal schluckt sie auch nach Luft. Letzt wollt ich ihr den Säuhirtekarl, den Trovkenträger, schicken. Sie wollt aber nix von ihm wissen,'s heißt als, in der Eheschaft soll die Frau den Mann zurecht bringen. Etz die Mariann is dadezu net geschaffen. Gott sei Dank, ich brauch's ja auch net. Jed Wort muß man aus ihr crauspetzen. Ich glaub als, 's is der reine Trotz, daß sie net mehr so kommandieren kann wie früher. Diesen Morgen erst Hab ich gesagt:„Kotzmord- sackerment, sein wir dann hier in einer Mühl, daß ich dich alles zweimal fragen muß?" Und sein so voll Dampf gewest, daß ich ihr am liebsten ein paar ausgewischt hätt. Aber die zer- bricht einem ja in der Hand." „Matz," beschwichtigte die Allendörfern ihren Sohn,„'s raucht emal in jeder Küch. Du solltst Dich wahrhaftig net be- ') unter dem Preis abgegeben.
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23 (21.2.1906) 36
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