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Der Wolfeschorsch, mit dem sich der Brühweck heimlich berabredet hatte, sagte so laut, daß es jedermann hören konnte: Was so ein Schäfer net all erlebt! Da berzählt mir der Kasper, he hat vorgest nacht am Lindgesborn das grau Männche gesehn. Das hat erst e Weil auf der Bank gesessen und hat mit den Aerm geschlengert. Auf einmal hat's ein Donnerschlag getan. Und is ein fohlpechrabenschwarz Weibsmensch durch die Luft kommen. Und das grau Männche und das Weibsbild haben miteinander getuschelt. Dadrauf haben sie ein richtigen Hopser getanzt. Der Kasper spricht, he hätt auch Mussig) gehört."
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Wann dem Kasper doch emal das Maul still stünd mit seinem dummen Beug!" rief der Brühwed. Ich sein vorgest Nacht von Lanzenhain kommen. Und sein den Wiesenweg gangen. Hinten am Lindgesborn vorbei. Ich hab nir von dem Gewaners gemerkt. Wohl hab ich dem Kalmud sein Fried gesehn. Und nebig ihm auf der Bank die Doßheimersmariann. Und di Schmähi sein erüber- und enübergeflogen, daß es nur so geknallt hat."
In der Wirtsstube war's plötzlich murremausstill. Auf allen Gesichtern las man die Spannung, was jetzt wohl geschehen werde.
Wie von der Tarantel gestochen, schnellte der Mak in die Höhe und stürzte sich auf den Brühwed.
,, Himmelhund, verfluchter, das lügst Du!" Der Dappersluis riß ihn zurück.
Laß den Mann in Ruh!' s muß doch was dran sein. Der Geißbock war hier, das is emal sicher. Und der Emmerichskarl is Deiner Frau vorgest Nacht auf'm Haibacherweg begegent."
" Du hast mich angepackt," feuchte der Brühweck, das fost Dich Deine Knöpp. Salb doch Deiner Frau den Buckel, wann sie so ein Besem is!"
Noch ein Wort," schrie der Maß außer sich, und ich schlag Dich zusammen."
Da der Brühwed schwieg, ging er an seinen Platz, leerte sein Glas und verließ das Lokal.
Viel Freunde hatte er nicht der Kuppelhofbauer, desto mehr Neider. Die meisten meinten, es sei ja dorffundig, wie schlecht er seine Frau behandle. Da dürfe er sich nicht wundern, wenn sie sich ihren alten Schutz wieder angeschafft habe.
Nur eine Stimme erhob sich zu seinen Gunsten. ,, He tut mir doch leid," sprach der Notring, he is ein tüchtiger Mann. Und hat sein Werk hübsch in der Rein. Nu muß ihm so was passieren!"
Der Landtagsabgeordnete Allendörfer, der mit seinem Sohne auf gespanntem Fuße lebte, rührte sich nicht.
Der Brühweck aber lachte sich ins Fäustchen. Ob er morgen ans Gericht ging, das wollte er sich noch einmal überlegen. Einstweilen war sein Rachedurst gestillt.
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Die Mariann saß in der Eckstube am Fenster, als der May hereingestürmt fam.
Unwillkürlich stand sie auf.
Was hör ich dann da?" donnerte er sie an. Du seist vorgest Nacht fortgewest?"
" Ja," sagte fie, weiß wie die Wand, aber merkwürdig Am Lindgesborn?"
ruhig.
" Ja."
gemacht."
Was habt Ihr zwei dann miteinander getrieben?" ,, Dadrüber sein ich Dir keine Rechenschaft schuldig." Er gab ihr einen Stoß, daß sie ein paar Schritte rück
wärts taumelte.
,, Du Heimtückern, Du Muck!"
Sie trat sogleich wieder vor. Die Sache war also ruchbar geworden. Irgend ein Ohrenbläser hatte ihm alles gesteckt. Darauf war sie gefaßt gewesen. Und wenn sie auf dem Plaz blieb, jetzt war der Augenblick gekommen, des lang genährten Grolls sich zu entladen, ihm ins Gesicht zu schleudern, daß sie sich ihrer Pflichten gegen ihn ledig sprach.
Ich sein Dir keine Rechenschaft schuldig," wiederholte sie mit blizenden Augen.„ Wani ich die Bäuerin wär, dann ja. Aber ich sein die Bäurin net. Ich sein geringer gehalten als die Magd. Ich gelt noch net so viel wie drauß der Hund! Vom ersten Tag an, daß Du auf uns' Hof kommen bist, hast Du's drauf angelegt, mich zu berunrechten und zu verleichen."
*) Musik.
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Sie hatte ein gutes Gedächtnis. Ohne sich an sein Toben zu kehren, hielt sie ihm all die Beschimpfungen, all die Kränkungen vor, die sie von ihm erduldet. Das war nicht die stille, sanfte Mariann, das war das unglückliche, in der Seele getroffene Weib, dem die Verzweiflung Worte lieh. ,, Guck, so hast Du die Eheschaft gehalten," schloß sie ihre flammende Rede. Und daß Du's nur weißt: von mir aus sein ich Deine Frau net mehr!"
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Er hörte den Aufschrei ihres gequälten Herzens, aber er war stumpf dagegen. Er sah in ihr nur die Ehrbergessene, die ihn vor dem ganzen Dorf lächerlich machte und noch die Stirn hatte aufzubegehren.
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Du Nirnußern unterstehst Dich zu maulen? Wart, ich treib Dir die Mucken aus! Selt beim Kriegerfest, wie Du Dich mit dem Kalmudenlipps beschnuddelt hattst, da hat mich Dein Vater risch als Schanddeckel hier eingesetzt. Dadezu war ich Euch gut genug. Und habt gemeint, ich wär so dumm und tät das net merken, müßt Euch die Hand noch lecken. Ha, ha! Ich hab's Euch gezeigt, aelle? Nu sprichst Du, Du wärst net mehr meine Frau. Hernachert hast Du auch hier nir mehr zu suchen. Wann Du Dich ein wint eilst, triffst Du Dein Geißbock noch. In drei Deubels Namen, pack Dich!"
Ungeachtet seiner bedrohlichen Nähe entaegnete sie mit Festigkeit:" Der Hof kommt von mir. Wann's Dir net paßt, fannst Du ja gehn. Ich halt Dich gewiß net. Ich hab's meinem Vater selig versprochen, ich bleib hier!"
„ Habt Ihr das auch schon ausgefnichelt?" brüllte er. Ha! Da seid Ihr bei mir an den Rechten kommen. Ich will Dir weisen, wer Herr im Haus is."
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Rasend vor Wut, faßte er o bei den Haaren, zerrte sie hin und her und schleuderte fie gegen die Wand, daß sie mit einem Schmerzensschrei zusammenbrach.
20.
Von diesem Tage an sprach der Kuppelhofbauer kein Wort mehr mit seiner Frau. Wenn er bei den gemeinschaftlichen Mahlzeiten, an denen auch das Gefinde teilnahm, notgedrungen mit ihr an einem Tisch saß, glitt sein Blick über sie wie über etwas Wesenloses hinweg: fie existierte nicht mehr für ihn. Die Allendörfern tröstete sich mit dem Gedanken, ihr Sohn werde mit der Zeit wieder anderen Sinnes werden. Doch täuschte sie sich. Keine Macht der Erde hätte den Maz dazu vermocht, das grauenvolle Schweigen zu brechen.
Ihrem Gelöbnis treu harrte die Mariann auf dem väterlichen Hof aus, aber sie hatte ihre Kräfte überschätzt, dem grausamen Schicksal waren sie nicht gewachsen. Sie fränkelte hin und schlich wie ein Schatten umher. Verließ sie das Haus, geschah es nur, um hinauf zum Friedhof zu wandern, wo fie die Gräber ihrer Eltern pflegte, die Leute, die ihr begegneten, sprachen: Du allmächtiger Gott, wie sieht die aus! Die is ja nir als Haut und Knochen. Die hat die Zehrung.
Da sich's zum fünften Mal jährte, daß der Bernhard Doßheimer gestorben war, legte die Mariann sich nieder. Der Säuhirtekarl fam, später der Doktor aus der Kreisstadt, helfen konnten sie ihr nicht. Ueber ihre Lippen kam kein Klagelaut. Ihr Lebensflämmlein flacerte schwächer und schwächer, und eines Tages war's erloschen.
Aufrecht schritt der Kuppelhofbauer hinter der„ Leichte" seiner Frau. Alt und jung gab der Verstorbenen das lezte Geleit. Die Schulkinder sangen, und der Pfarrer hielt eine ,, Kapitalpredigt".
den üblichen Schmaus gespitzt, indessen lud der May nur die Die Leidtragenden hatten sich nach der Beerdigung auf nächsten Verwandten und Bekannten in das Trauerhaus.
Die übergangen waren, versammelten sich im„ Pflug" und machten ihrem Aerger Luft. Alles sprach durcheinander. ' s is doch eine Schand, so ein Geizkragen!"
"
"
Gunnt einem das bissi Essen net."
" Das is eso. Die's Geld haben, sein am hungrigsten." Für wen spart he dann?"
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Wann he Kinder häit, wär's anderster."
Wer feine Kinder hat, weiß aar net, warum er lebt." So was läßt sich net erzwingen, wann uns' Herrgott net will."
Ich möcht net in seiner Haut stecken."
,, Ah bah! Der macht sich kein Herzbrechen."
,, He hat Glück.' s wird net lang dauern und he friegt wieder so ein reich Tier."-
Auf dem Totenacer hatte man unter den Trauerlenten" auch den Kalmud bemerkt, der nach monatelanger Abwesenheit wieder einmal die Freuden der Häuslichkeit genoß. Jest trat er in die Wirtsstube, in Miene und Saltuma ein Lazarus.