Doch abends, wenn die von rötlichem Staube eingebautenVerden sich zur Tränke wälzten, wenn die Pferde das würzigeGras zwischen den Zähnen zermalmten, wenn Galiläa wie einungeheuerer Kochtopf dampfte, wenn Cäcilie, auf einer sichvom Purpurhimmel scharf abhibenden Ruine thronend, dieallzu schwere Masse ihrer goldenen Flechten löste, dann ent-fesselte sich in Elias eine inbrünstige Glut, und seine Liebeergoß sich in leidenschaftstrunkenen, poetischen Hymnen.Dann verglich er sie mit einer uneinnehmbaren Stadt,mit einem erhabenen, mysteriösen Jerusalem, mit einemlächelnden, gefühllosen Götzeichilde und schwärmte:„Auf Knien werde ich mich zu Dir schleppen: zu DeinenFüßen werde ich flehen und weinen, und ich werde Dich zu er-weichen wissen: dann wirst Tu Dich zu mir herabneigen, anmeinen glühenden Lippen werden Deine kalten sich wiedererwärmen. Dein regloses Herz wird wonnig erbeben beimwilden Pochen des meinigen, und meine Liebe wird Dich ver-klären, wie es jetzt die Sonne tut."Dann fragte sie wohl:„Von wem sind diese Verse? Ich kenne sie nicht."Er aber antwortete:„Ach, Cäcilie, wie gern möchte ich Dich glücklich machen.Dir ein vollkommenes, wunschloses Glück schaffen. Vielleichtkennst Du bereits das Himmelsglück, aber das irdische kennstTu nicht, und auch dieses ist grenzenlos."Ileberrascht und gerührt erwiderte sie:„Aber Elias, ich versichere Dir, daß ich sehr glücklich bin,nie in meinem Leben war ich so glücklich wie jetzt, und ichkönnte auch nie glücklicher werden."„Ist's wahr, mein Liebling? Ist's wirklich wahr? Wiegut von Dir, mir dies zu sagen!"Am liebsten hätte er geweint vor Freude über das Ein-geständms ihres Glückes, aber auch vor Verzweiflung überchre Versicherung, nicht noch glücklicher werden zu können.Ehe aber die Nacht anbrach, ging er— um ihren keuschenZärtlichkeitspakt nicht zu verletzen— nach Tiberias, um sichdort von einem Barbier zur Ader zu lassen.Bald jedoch wurde seine Marter so groß, daß er ihrenAufenthalt in Galiläa abbrach.Das heidnische Syrien wird Liebessünden gegenüberwohl nachsichtiger sein, dachte er bei sich.Und trotz Cäciliens Bedauern machten sie sich auf denWeg.Wirklich war es so, als ob Jesu Religion sich auf dieGrenzen seines Vaterlandes beschränke, als ob die ganzeSanftheit des Evangeliums mit Genezareths entweichendenHügeln verschwunden sei.Selbst die Vegetation wurde mit einem Schlage wilder,die Lust rauher, das Licht greller, und die Stämme, denenman begegnete, zogen stolz und wild, ohne de.n üblichen Grußauszutauschen, vorüber.Auf ihrer biblischen Karte verfolgte Frau Jamain diekleine grüne Linie, welche die Fußstapfen des Christentumsbezeichnete, und mit Erstaunen stellte sie fest, daß sie auf demErdboden kaum mehr Platz einnahm als auf dem Papier.Denn überall waren Koubbas an die Stelle der Kapellengetreten: Moscheen hatten sich in den Kirchenschiffen ein-genistet, der Halbmond erhob sich, wo einst das Kreuz geherrschthatte, und die Stimme des Muezzin verkündete der von derSonne versengtm Einöde, daß Allah groß und Mohammedsein Prophet sei.lFortsetzung folgt.x(Nachdruck verboten.)taubstumme lftucler.Es gibt im Deutschen Reiche etwa 40 000 Taubstumme, davonist ungefähr der sechste Teil schulpfflichtig. Nach einer Aufstellungaus dem Jahre 1899 wurden in Deutschland in 97 Taubstummen-anstalten von 720 Lehrern W96 taubstumme Kinder unterrichtet.Auf die Gesamtzahl der Einwohner berechnet, entfallen im DeutschenReiche auf 100 000 Einwohner 96 Taubstumme. DieseQuote ist ver-hältnismäßig hoch, wenn man sie in Vergleich setzt zu der Taub-stummenhäufigteit z. B. Hollands(341, Belgiens<44), Englands(67),Dänemarks und Frankreichs(62), Spaniens(69), Italiens(73)und Norwegens(93). Umgekehrt erscheint sie niedrig, wenn manin Betracht zieht, daß nach einer Zusammenstellung von Meyer-München auf 100 000 Bewohner in Schweden z. B. 102, in Ungarn134, in Steiermark 208, in der Schweiz 24b und in SalzburgL78 Taubstumme entfallen; in Kärnten sogar 444 und in einzelnenOrten, wie Zell am See, St. Veit, Wolfsberg in Kärnten 600, sodaß dort auf 200 Einwohner immer ein Taubstummer kommt.Unter den deutschen Bundesstaaten stehen Baden mit 122 undWürttemberg mit III obenan, während in Preußen 102, Bayern 90und Sachsen 69 Taubstumme auf je 100 000 Bewohner zu stehenkommen. Alle die mitgeteilten, in der Hauptsache von Migino zu-sammengestellten Zahlen sind jedoch mit einigem Vorbehalt auf-zunehmen, da die Statistiken, denen sie entnommen sind, teilweisean erheblichen Mängeln leiden, andererseits die Ermittclungs-Methoden nicht durchweg übereinstimmen.Um die Versorgung und Erziehung der taubstummen Kindersieht es in vielen Staaten noch außerordentlich traurig aus.Während es in Europa schätzungsweise mindestens 60 000 schul-Pflichtige Taubstumme gibt, sind doch nur 20 000 in vorhandenenAnstalten untergebracht. So weist z. B. Oesterreich-Ungarn trotzseiner ungewöhnlichen Taubstummcnhäufigkeit nur 31 Anstaltenmit 230 Lehrern und 1817 Kindern auf. Für andere Staaten lassenfolgende Ziffern den Stand der Taubstummenfürsorge erkennen:Belgien 6 Anstalten(476 Kinder), Dänemark 6(363), Frankreich 70(3848), Großbritannien 46(3626), Italien 51(2138), Nieder-lande 3(464), Norwegen 6(304), Rußland 12(797), Spanien 2(222), Schweden 9(543), Schweiz 17(567). In Afrika sind 6 An-stalten vorhanden, in denen 4 Lehrer 72 taubstumme Schüler unter-richten, in Asien 6 Anstalten mit 11 Lehrern und 198 Schülern inAustralien 4 Anstalten mit 24 Lehrern und 160 Schülern, in Europa367 Anstalten mit 2676 Lehrern und 21 862 Schülern, in Nord-amerika 100 Anstalten mit 1117 Lehrern und 10 127 Schülern undin Südamerika 3 Anstalten mit 13 Lehrern und 74 Schülern. Schoneine ganz oberflächliche Prüfung der Ziffern ergibt, daß die Taub-stummenfürsorge in der gesamten Kulturwelt außerordentlich vielzu wünschen übrig läßt.Wenn man unter Taubstummheit zu verstehen hat Stummsein,bedingt durch Taubheit, so besagt dies, daß die Taubheit die Bor-auSsetzung oder Vorstufe der Taubstummheit bildet.Die Taubheit tritt hauptsächlich als angeborenes Leiden auf»doch kann sie auch erworben werden. Nach Urbantschitsch beruht dieangeborene Taubheit entweder auf einer Bildungsanomalie desZentralnervensystems, deZ Gehörorganes, oder auf einem Ent-zündungsvorgange im Ohre, oder aber fie tritt bei einem nichtnachweisbar veränderten Verhalten des akustischen Organes auf.Die wichtigste Rolle spielt bei der angeborenen Taubheit die Ver-erbung, vobei die Taubheit von den Eltern auf die Kinder direktoder auch so vererbt werden, daß sie sich erst in späteren Gliedernund Generationen zeigt. Merkwürdig ist die von Wilde mitgeteilteTatsache, daß in einer bestimmten Familie eine angeborene Taub-heit zuweilen nur bei den Kindern des männlichen oder nur beidenen des weiblichen Geschlechts besteht. Auch berichtet Wilde vonFamilien, in denen regelmäßig jedes zweite oder dritte Kind taubgeboren wurde. Liegt bei angeborener Taubheit nicht Abstammungvon taubstummen Eltern vor, so doch in den allermeisten Fällen Ab-stammung aus Blutverwandtschaftsfamilien, denen die Häufungvon konstitutionellen Bildungsfehlern und Entwickelungsmängelnväterlicher- und mütterlicherseits, wie sie sich bei der Abstammungder Ehegatten von gemeinsamer Stammfamilie leicht ergibt, schlägtfast regelmäßig— wie man landläufig zu sagen pflegt— auf dasKind. Neben Dispositionen zu Skrophulose, Tuberkulose, Blödheitoder Geisteskrankheit hat man besonders Taubheit als Merkmalder Abstammung aus einer blutverwandten Ehe beobachtet. Auchist durch eine irische Statistik nachgewiesen, daß um so mehr taubeoder taubstumme Kinder in einer Ehe geboren werden, je enger dieVerwandtschaft der Eheleute ist. Hieraus erklärt sich Wohl auchdie Wahrnehmung, daß in abgeschlossenen einsamen Gebirgsland-schaften, in denen sehr häufig Inzucht vorkommt, Taubheit be-sonders stark auftritt. Nach Mayr sind die Allgäuer und Berchtes-gadener Alpen reicher an Tauben und Taubstummen als die übrigenbayerischen Hochalpen, wobei Mayr allerdings die territoriellenund klimatische» Verhältnisse als Ursachen mit in Betracht gezogenwissen will, während Leut und Schirmer vermuten, daß dabei dieBeschaffenheit des Wassers eine noch näher zu erforschende Rollespiele. Eine endgültige Klärung dieser strittigen fachwissenschast-lichen Frage ist bislang noch nicht erzielt. Die erworbene Taub-heit fällt meist in das früheste Kindesalter und geht auf Krank-Helten des Zentralnervensystems, des Labyrinths oder Schalleitungs-apparates, auch auf Kinderkrankheiten, ferner auf Typhus usw.zurück. Wilde verzeichnet das Auftreten von Taubheit unter603 Fällen 120 mal innerhalb der ersten drei Lebensjahre, darunterentfielen die meisten Fälle auf das zweite Jahr; 109 mal erschien dieTaubheit zwischen dem dritten und vierten Jahre, 76 mal im viertenJahre, 38 mal im fünften, 36 mal im sechsten, 32 mal im siebenten,21 mal im achten, 11 mal im neunten, 16 mal im zehnten, 33 malzwischen dem zehnten und fünfzehnten und 12 mal nach dem fünf-zehnten Jahre. Bei den Knaben wird die Taubheit häufiger an-getroffen als bei den Mädchen, jedoch nur die angeborene, die imVerhältnis von 100: 74,6 aufzutreten pflegt, während bei der er-wordenen Taubheit das Verhältnis 93(Knaben): 96(Mädchen) ist.Die Taubheit ist, wie schon bemerkt, im Kindesalter fast aus-nahmslos eine zur Taubstummheit führende Aftektion. VerlierenKinder im Alter bis zu sieben Jahren das Gehör, so geht ihnendamit„die wichtigste Anregung zur Sprache sowie deren weitereAusbildung verloren und die Kinder verlernen je nach ihrer geistigenAnlage und der Sorgfalt, die ihnen von ihrer Umgebung zuteilwird, mehr und minder daS Sprechen; dieses wird immer rauher,undeutlicher, die Weichheit des Klanges geht verloren und allmählichtritt zu der Taubheit die Stummheit hinzu; das betreffende vorher