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Auf dem Seewege fehrten sie nach Palästina zurück. Bon Jaffa nach Jerusalem   zogen sie nun noch einmal gemeinsam denselben Weg, den sie einst getrennt gemacht hatten.

Elias schlimme Ahnungen zerflatterten in der Luft wie Cäciliens blauer Schleier, der vor ihm wehte. Ihr Weg führte sie durch Armidas Zaubergärten, wo die Zitronen­bäume in Blüte standen; bis zu dem sandigen Ramleh be­gleitete sie das Blühen und Duften.

Später famen fie in die Ebene von Saron, wo die Lerchen fangen. Rötlich glizerte in der Mittagsglut das Terebinten­tal

Juda und Ephraim rollten ihre dunklen Gebirgsketten gegen das in der Dämmerung rötlich schimmernde Moab  auf. Phantastisch geformte Felsen und riesige Disteln säum­ten den Weg ein, eine herbe und feierliche Stimmung breitete sich über dem Abende aus.

Bei Nacht kamen sie vor Jerusalems   Wällen an, am Jaffatore stiegen sie ab.

Und als Elias, an den Cäcilie sich zärtlich lehnte, beim Schein der pendelnden Laterne durch die eisenbeschlagenen Torflügel eintrat, dann die gewundenen Hohlgänge des Por­tikus durchschritt und an der Umwallung der Wassergräben entlang ging, als sein Schritt auf dem Berge Zion, den Gottfried von Bouillon   einst im Sturm nabm, dröhnend er­Klang, und der schwere Hoteltürklopfer weithin durch die Stille des Christenviertels schallte, hielt er sich wirklich für einen Eroberer, der in das schlummernde Jerusalem   einzog.

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Schon am nächsten Morgen fesselte ihn die Stadt wieder durch ihren melancholisch- großartigen Reiz.

Sein in die Vergangenheit verliebter Geist schweifte schon wieder mit Entzuten im Labyrinth der dunklen Gäßchen, im Irrgarten der unterirdischen Kirchen, Wälle und Ruinen, wo fich Jahrhunderte menschlicher Gedankentätigkeit aufgestapelt hatten und wo auf Schutt- und Trümmerboden mit dem Viop und der Myrthe auch die unangetasteten Traditionen sproßten.

Und er sah sich schon vor dem Tempel des Herodes   und der Omarmosche, oder in der Koptenkapelle bei ihrer schwarzen Madonna, unter dem Gewölbe der Heiligenbilder­maler, die, den byzantinischen Goldgrund mit ihren Wachs­ferzen verkitten. Ferner in den düfteschwangeren Sonks,*) den erfrischenden Hammams,**) in dem zur Andacht stimmen­ Den Gethsemane   und an der Klagemauer bei ihren Juden. Der er träumte sich auch ganz einfach auf dem Marktplatz unit all seiner Sonnenglut und all seinem Farbenreichtum, mit seinen Sprachen aus allen Zeiten, seinen Kostümen aus allen Ländern, mit all seinen Besuchern, vom sabaitischen Wechsler bis zum amerikanischen   Globetrotter. Und immer und überall überkam ihn das fecke berauschende Gefühl, das Leben aller Epochen mitzuleben und von ihrem Tische zu fosten.

Nun schien ihm der Gedanke, sich dauernd in Jerusalem  niederzulassen, schon freundlicher. Es dünkte ihm ganz an­genehm, an einem Orte, wo sein Traum einst kaum die Um­risse angenommen hatte, jegt die Wirklichkeit weiter aus­zubauen. Die Nachbarschaft der Ruinen würde ihr Glück föst­licher, die Einsamkeit der Stätten ihr Einbernehmen noch inniger machen, die Erinnerung an frühere Sreitigkeiten ihren Frieden erhöhen.

Was fümmert ihn der Mangel an Wasser und Grün? Hatten sie denn nicht als Ersatz für das Murmeln des Quells und das Rauschen des Laubes das geheimnisvolle Flüstern ihrer Seelen? Trug er denn nicht in seinem Herzen Syriens  Sprudelnde Quellen und des Libanon ewige Gärten?

Und überdies würde ihr für europäische Verhältnisse bescheidenes Vermögen ihnen hier eine behagliche, unab hängige Eristenz gewähren, denn in Palästina hat seit Christi Zeit der Wert des Geldes noch keine Aenderung erlitten.

Zweiter Teil 1.

Unter Jerusalems   Stadtteilen ist der vom Berge Zion der ödeste und malerischste.

Auch das neutralste Viertel ist er, auf das alle anderen friedlich auslaufen.

Vom Ghetto durch eine Mauer geschieden, die gegen den *) Sont= Laden. **) Hammam= Bad.

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Himmel emporragt, gleichsam um bis dorthin die Trennungs­linie zu verlängern, ist er auf der anderen Seite durch die dicen Gewölbe der Bazare gegen den Tumult der Araberstadt geschüßt. Im Westen stuft er sich in Terrassen und Hügeln nach dem anglikanischen Bischofssiz und seiner Kapelle zu ab, die weiterhin vom alten armenischen Kloster, das im Frieden feines hohen Cypressengartens bergraben liegt, überragt werden.

Ein Schutthügel, ein wildes Kaktusgestrüpp, deffen fette Blätter durch die Zinnen der Umwallung wachsen, schließt hier die Stadt ab, die sich dann noch jenseits der Mauern an der abschüssigen Seite des Zionsberges als ein Haufe unförmiger, Maulwurfshügeln ähnlicher Hütten fortsetzt, wo armseliger Ausschuß der Menschheit, mit allerlei förperlichen Gebrechen behaftet, in Leid und Verzweiflung beisammen hockt.

Im Norden des Viertels reckt sich die maffige Silhouette der Davidsburg empor, und jenseits der unergründlichen, von Blumen überwucherten Gräben heben sich gegen den Himmel die alten Wälle ab.

Eine breite Straße mit Fliesen, die von Jahrhunderten glatt geschliffen sind, verbindet das obere Zionstor mit dem unteren Saffatore und senkt sich wie ein Strom von Licht und Stille zur düsteren, geräuschvollen Stadt herab. Und so imposant ist die Einsamkeit dieses Berges, daß weder moderner Verkehr, noch religiöse Gehässigkeit sie jemals zu profanieren wagten. Man hat hier wohl Läden eröffnet und Streit gefäet, aber die Geschäfte fielen bald in Schlaf, wie die Dinge um sie her, und der heiße Fanatismus kühlte sich im tausendjährigen Schatten dieser Steine ab, von denen noch ein Hauch der Erinnerung an den König Salomo aus­geht, der hier von der Eitelkeit alles Strebens und der Ver­gänglichkeit aller Wünsche sang.

Nichts stört den Hügel in seiner Ruhe. Die türkischen Trompeten, die manchmal von der Davidsburg ertönen, scheinen nur die entschwundene Herrlichkeit wachrufen zu wollen. Der Klang der Glocken von der anglikanischen Kirche berliert sich ins Weite ihre Stimme ist zu schwach, die Urmutter zu rühren und wenn im armenischen Kloster die Synambren ertönen, möchte man es für irgend eine bar­barische Musik halten, die das vom Ewigkeitstraum umfangene Bion aufrütteln soll.

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Selten nur sieht man hier Juden und Araber gehen. Sie ziehen diesen hallenden, von Sonnenglut erfüllten Straßen ihre stummen, dunklen Gäßchen vor, an deren Mauern sie wie Schattengebilde entlang huschen.

Auch sprießen nach der Regenzeit Mohn und Maß­liebchen zwischen den Fliesen hervor, Gipskraut zittert auf den Brüstungen, von den Zinnen herab hängen Gersten­halme, und im Schatten der Feigenbäume läßt Hahnenkraut es sich wohl sein. Dann wird dieses sonst so unveränderlich ernste Viertel eine Stätte voll vergänglicher Anmut und furzer Frühlingsschönheit.

Einmal aber im Jahre erwacht der stille Stadtteil aus seinem Schlummer. Das ist zur Zeit der Sommersonnen­wende, und dieses Erwachen dauert kaum acht Tage.

Dann ist der ganze Hügel zu einem großartigen Jahr­markt umgewandelt, zu dem alle in der Umgegend seßhaften, wie auch die umherziehenden Stämme herbeiströmen, um ihre Produkte abzusehen oder einzutauschen. ( Fortfebung folgt.)

( Nachdruck verboten.)

Das findelkind.

Stizze von Hjalmar Höglund.

Sie faßen am Herdfeuer. Ihr kennt doch wohl alle noch die großen, offenen, weißgefalkten Herde, deren Feuer lustig die Stuben erhellten und die an den langen Winterabenden Sagen und Märchen geboren? Sie sind jetzt so gut wie verschwunden, die alten Herds feuer, und mit ihnen die Märchen. Die Leute fizen abends an Tischen mit einer Zeitung und der Lampe   über sich. Sie haben feine Zeit mehr zu Sagen und Erzählungen. Damals saß aber der. Alte in der Mitte der Seinen am Herdfeuer und berichtete: Die Geschichte, die ich Euch erzählen werde, liegt ein ganzes Menschenalter und länger zurück, als die heutige Jugend fich erinnern famn. Ich erinnere mich aber noch sehr wohl der Zeit, als es hier im Dorfe viele Findelfinder gab. Ich weiß nicht, wo alle die Stockholmer   Kinder jetzt bleiben; denn ich denke mir, daß sie nach wie vor zur Welt kommen, daß ihr Strom, der früher nach Norden ging, jetzt eine andere Richtung eingeschlagen hat. Gott  mag wissen, was aus allen den Aermiten geworden ist, hier wurden