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jein." Nun, nun, Du brauchst nicht zu erröten! Ich weiß, wie das ist. Aber schön ist's im Libanon, nicht wahr?"
Sie stiegen wieder auf; der Esel trottete zwischen den beiden Pferden, und Herrn Fischers Sprechwerkzeug trottete ebenfalls weiter:
Ach, Kinder, welch' Ereignis, diese Heirat und welch' Triumph für unsere Sache! Meine Frau fann gar nicht mehr schlafen, so sehr hat Euer Besuch sie aufgeregt. Noch diese Nacht wedte fie mich und fragte:" Mein Goft, was soll ich zum Empfang dieser Verliebten eigentlich backen, Honigkuchen oder einen Napftuchen?" Sie fenrt Sie zwar noch nicht, Herr Jamain, hat Sie jedoch bereits ganz in ihr Herz geschlossen, da Sie ja Cäciliens Gatte sind. Ach ja, wenn ich so denke, daß Du, Kleine, es warst, welche diese Bekehrung bewirkt hat, daß gerade Du erwählt warst, unserm lieben Gott als Wert zeug zu dienen! Wie deutlich sieht man doch in allem hier den Finger des Herrn! Erst gestern sagten wir noch: Er ist's, der den meuchelmörderischen Arm im Ghetto ienfte, er, der die Schritte der türkischen Patrouillen zum Diakonissenhause führte, er, der diese Liebe in Ihnen erweckte und nun seine Fittiche über Euern Bund ausgebreitet hat."
Und der Pastor ließ seinen großen blauen Regenschirm in der Luft wirbeln, als wäre es Jehovas Baldachin, über den er zu verfügen habe.
In diesem Augenblid sahen sie hinter einer Wegfrümmung ein eigenartiges Bergschloß, das mit seinen Wallgräben, Zugbrücken, Ringmauern und Schießscharten einer mittelalterlichen Burg glich. Auf den Zinnen flatterten zwei Standarten, die eine schwarz mit dem weißen Malteserkreuz, die andere mit dem roten Templerkreuz in weißem. Felde. „ Das ist die„ Tankredia" des Grafen d'blin de Courtenay, eines armen Narren, dem Sie gewiß schon begegnet sein werden, und der davon träumt, Jerusalem nach Art der Kreuzfahrer zu erobern. Sonst ist's ein ganz harmloser Mensch, der uns sicherlich niemals große Konkurrenz machen wird," erklärte der Pastor.
Da erinnerte Elias sich des seltsamen Ritters im Panzerhemde, mit dem melancholischen Adlerprofil, der ihn auf dem Minaret des Delberges vor dem Weibe gewarnt hatte.
Der Weg senkte sich zur Ebene hinab, und sie kamen nun an dem Grabmal Rahels vorbei, die noch in ihrem Todesschlummer die von Herodes erwürgten Kindlein Israels beweint.
Endlich kam Bethlehem in Sicht.
Wie ein kleineres, friedlicheres Zion, ohne Mauern, nur bon Gärten umrahmt, stieg es im Halbkreise staffelartig an zwei Berglehnen empor. Bom Amaury- Turm und zwei befestigten Klöstern beherrscht, machte es den Eindrud einer feudalen, am Fuße ihres Kastells erbauten Stadt, die sich durch eine den orientalischen Orten sonst fremde Eigenheit und Symmetrie vorteilhaft auszeichnete.
In den Straßen, die, fich netförmig verzweigend, an stiegen und manchmal sogar über die flachen Hausdächer hinwegzuführen schienen, sah man Frauen mit malerischem Kopfputz und Männer mit ritterartig umgeworfenen Mänteln einherschreiten.
Elias hörte den Auslassungen des Pastors Fischer nur zerstreut zu. Er versuchte, sich an diesem Orte das Leben und Treiben der Paladine und fränkischen Barone vorzustellen, die nach der Befreiung des„ Heiligen Grabes" in den Armen der schönen Ephratäerinnen, in deren Gefangenschaft sie nun wiederum gerieten, Glauben und Vaterland vergaßen.
Sie stiegen aus den Sätteln, und Assir nahm ihnen die Bügel ab.
Von nun ab hielt der Pastor Fischer sich ständig an Cäciliens Seite und blieb alle zehn Schritt stehen, um ihr die Backen zu streicheln.
Elias schritt voran. Oft mußte er sich die Stirn trocknen, Senn er beeilte sich, an Ort und Stelle zu kommen. Sengend brallte die Sonne auf die steilen, von der Dürre rissig gewordenen Straßen. Dede und verlassen lagen sie da, nur hie and da schlief ein Hund in einer schattigen Ede. Aber im Innern der Häuser herrschte eine fast abendländische Geschäftigkeit. Auf den Schwellen schaufelten Frauen mit weißer Hautfarbe in ihren Armen blauäugige Kinder und sangen dazu arabische Lieder nach alten nordischen Melodien. Und überall im Hintergrunde der Räume schnarrten Drehbänke, sprühten Funkengarben auf; stolze Profile, feurige Augen beobachteten aufmertjam das Spiel des Stahls und der Perlmutter, und unaufhörlich spritzten Muschelsplitterchen bis auf die Straße. ( Fortfehung folgt.)]
( Nachdrud verboten
Die Polybymnia.
Die Polyhymnia war ein Dilettantenorchester, in dem etwa dreißig Menschen männlichen Geschlechts der Mufit fronten. Alle Dienstagabend versammelten wir uns in einem Gasthause vor der Stadt, das infolgedessen nach einem halben Jahre meistbietend versteigert wurde, und fragten, bliesen und zupften mit furchtbarer Begeisterung unsere Instrumente. Ein Berufsmusiker- unser Stolz, er gab zwei Klavierstunden die Woche und hatte einmal gegenüber dem Konservatorium gewohnt dirigierte uns durch dick und dünn. Er befam dafür monatlich zwanzig Mart, die wir aber infolge eines gerichtlichen Befehls nicht an ihn selbst auszahlen durften. Denn der Mann hatte ein etwas eigentümliches Privatleben. Mich selbst hatte ein böser Freund in den Verein hineingelobt. Er hatte mir die Stelle als erster Cellift in Aussicht gestellt, und die erhielt ich auch, obwohl ich damals erst ein halbes Jahr Unterricht gehabt hatte. Ich war nämlich der einzige Cellist in diesem Berein. Dafür hatten wir aber vierzehn erste Geigen. Zweite Geige wollte niemand spielen, es waren aber durch das Los drei Mitglieder dazu berurteilt worden, die seit dieser Zeit feinen Vereinsbeitrag mehr bezahlten. Wir hatten ferner drei Bratschisten, zwei Fagotis, eine Klarinette, eine Oboe, zwei Pistons à cornet, bon denen der eine bei Bedarf auch Waldhorn frächzte, und einen Baufer. Der Pauker war dreiviertel taub und daher unfähig, leifer als ffff zu pauken. Er war aber sonst ein anständiger Mensch und spielte die Paute mur zu seinem Vergnügen.
Als die Finanzen unseres Vereins auf dem Gefrierpunkt an gelangt waren, der Wirt uns das Lotal zu fündigen im Begriff stand, beschlossen wir, ein öffentliches Konzert zu geben. Unserem Dirigenten war es recht. Ihm war überhaupt alles recht, nur machte er zur Bedingung, daß ihm für den betreffenden Abend ein rack zur Verfügung gestellt würde. In dem wollte er sich photographieren lassen. Unser Programm wurde wie folgt festgesetzt: 1. Ueber den Wellen, Walzer melodioso v. Rosas.
"
I. Teil.
4. Ave Maria
Ballett- Szene
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II. Zeil.
b. Mozart.
5. Jupiter- Sinfonie
Hierauf: Gesellige Unterhaltung.
Das Violinsolo hatte ein Kollege unseres Dirigenten übernommen, der dafür zehn Mark bekam. Wir probten wie die Wilden. Den ersten Teil des Programmes hatten wir bald intus, aber mit der Jupitersinfonie haperte es bedenklich. Alle Stimmen wurden einzeln durchgenommen, der Dirigent fang und pfiff uns die Themen vor, aber es wollte nicht flappen. Von den 14 Geigern hatte jeder seine eigene Auffassung: die ließen sie nämlich alle weg. Unsere Bratschisten schabten mit Todesverachtung daneben, und ich selbst gat mir nicht die geringste Mühe, da ich als einziger Cellist ja doch nicht zu hören war.
Spielen Sie nur immer fest drauf los 1" ermunterte uns der Dirigent, wenn wir ganz auseinandergeraten waren, am Schlußatt finden wir uns schon wieder. Es gibt ein Wiedersehen!" Es war acht Tage vor dem großen Ereignis. Jedes Mitglied hatte schon fünf bettographierte Eintrittstarten erhalten, mit denen es seine Eltern und Cousinen unglücklich machte. Ueber die Frage, ob die Presse eingeladen werden sollte, entspann sich ein heftiger Streit. Schließlich entschied man sich dafür, mit allen Stimmen gegen die des Dirigenten und die meine. Der Mann hatte also doch noch einen Rejt von Schamgefühl. Wir hatten gerade den ersten Teil zur allgemeinen Selbstzufriedenheit gehauptprobt" und wollten die Sinfonie in Angriff" nehmen, als der Wirt eintrat und einen Brief abgab. Der Dirigent nahm ihn, öffnete ihn, schien verblüfft und las ihn dann laut vor. Er lautete:
Jhr gottsjämmerlichen Pfuscher und Neutöner! Seit zwei Monaten grimmit sich mein Bauch in nicht wiederzugebender Weise. Mein Konstanzerl macht mir täglich warme Dedel und löffelt mir den Kamillentee literweise ein, aber es nügt nichts. Jeden Dienstag abend geht es von neuem los, wenn ich Euer verdammungswürdiges Gefiedel, Gefrage und Getute höre. Der ganze Olymp leidet an Migräne, Wagner machte einen Selbstverlebendigungsversuch, und Offenbach behauptete, so glänzend sei meine Sinfonie noch nie parodiert worden. Ich aber fage Euch: wenn Ihr Euch noch einmal untersteht, Euch an irgend einem meiner Werke zu bergreifen, tomme ich heruntergelrabbelt und dann passiert ein Unglüd. Womit ich bin Euer-- froß Eurer Schweinemufit
unsterblicher
Wolfgang Amadeus Mozart . Der Tumult, der sich nach der Verlesung dieses Briefes er. hob, war unbeschreiblich. Sämtliche Anwesende erklärten empört ihren Austritt aus dem Berein, wobei jeder behauptete, die anderen spielten so falsch, daß es kein Wunder wäre, wenn nichts Bernünftiges zustande fäme. Der Dirigent nahm seinen Hut und