Palme Jerusalems, die letzte ihrer Art, die der Sage nachaus einem Kerne entsprossen sein soll, den Bilkis, die Königinvon Saba, aus dem Palaste Salomos geworfen habe, nach-dem sie diesem das Fleisch der Frucht zwischen ihren Lippendargeboten.An Ruth, Bethsabe� Bilkis und jene andere, die Su-lamith, die wie„ein verschlossener Garten, eine versiegelteQuelle und gebräunt wie die Zelte von Kedar" war, an allediese dachte Elias. Von der Poesie des Orients und derBibel berauscht, träumte er von ihnen, während er die Handseiner schlummernden Frau in der seinigen drückte.Fern, fern am Horizont, dem Schleier einer gehcimnis-vollen Gottheit ähnlich, wogte Moab.9.Zwischen der Christenstraße und der Golgathaschluchtliegt ein abschüssiges, winkeliges Gäßchen, von niedrigen,drückenden Bogen überwölbt, heimlich und schlüpfrig wie einschlechtes Gewissen und voller Wohlgerüche wie eine Kapelle.Die Fremden nennen es„Jkouenstraße", die Einheimischenaber..Fälschergasse". Es gehört zum Territorium des heiligenGrabes: kein profanes Geschäft darf dort einen Laden er-öffnen: den Juden ist sogar bei Todesstrafe verboten, hin-durchzugehen.„..Zu beiden Seiten reihen sich in Brustböhe kleine, in diedicken Mauern gemeißelte Bodennischen aneinander, zu denendie Verkäufer sich mit Hülfe fester, an der Decke angebrachterStricke emporziehen. Dort sind allerlei in der römischen undgriechischen Kirche gebräuchliche Tevotionalien aufgespeichertund ausgelegt: Rosenkränze, Srapuliere, Paradieskarten,Totenhemden, Dornenkronen und Märtyrergeißeln. Dorthalten sich auch, hinter ihren Leuchtern hockend, die Malerauf, die zwischen all den Wachskerzen wie in Elfenbeinkäsigeeingeschlossene, byzantinische Burschen aussehen.(Fortsetzung folgt.)(Nnckdriut verboten.)Die KatzenprinzelTm*Skizze von Karl Busse.Vor nicht langer Zeit lebte in einer nordischen Hafenstadt einewunderliche Person. Unbeachtet von den einen, verlacht von denanderen, scheu gemieden von den dritten, konnte man sie täglichzwischen drei und vier Uhr in der Hafengegend erblicken, wo sie balddie Bewegungen eines mächtigen hydraulischen Drehkrans ver«folgte, bald dem Ein- und Auslaufen der kleinen Tampchoote zu-sah. Oft erschien sie auch mit einem altmodischen� Fernrohr be-waffnet und versuchte Namen und Art der schiffe festzustellen,die weiter draußen auf der Recde� lagen.Sie kam mit großer Regelmäßigkeit, und sie kam nie allein.Sondern sie führte an einer roten Lederleine stets eine Katzespazieren, wie man sonst wohl einen Hund führt. Heute war eseine schöne gelbliche Hauskatze der gewöhnlichen Art. morgen einelanghaarige schneeweiße Angorakatze, und einen Tag später dieseltenere bläulichschwarze Kartäuserkatze. Diese Reihenfolge warganz genau festgestellt und wurde nie geändert; stets gleich bliebnur die rote Ledcrleine. Aus dem Kopfe trug d,e Person e,i,cnKapotthut mit Bändern, die unter dem Kinn verschlungen waren.Eine schwarze Mantille hing ihr über die schultern, und emenkräftigen Schirm führte sie in der Rechten. Sie benutzte ihn wohlals Waffe, wenn ein frecher Köter in altem Rassenhaß sich auf ihreKatze stürzte.Niemand wußte recht, wer sie war und woher sie kam. Erstbor einigen Jahren war sie aufgetaucht und hatte ihre ständigenBesuche des Hafens begonnen. In der Hafengegend wohnte sieauch. Sie bewohnte die linke Seite eines kleinen altertümlichenHauses. Trat man in den Flur, so sah man rechts eine Tür mitdem Schild eines Schneiders, der für die Seeleute und Hafen-angestellten arbeitete und besonders für Ausbesserungen undFlickereien großes Geschick besaß. Seine Tür ging deshalb oft,während sich die gegenüberliegende nur selten öffnete. Vom Fluraus führte eine Treppe nach oben, unter der verstaubt noch alteLöschgeräte lagen, wie sie in vergangenen Tagen nach polizeilicherVorschrift jedes Haus besitzen mußte.Auch der Schneider wußte über seine wunderliche Nachbarinnicht viel zu berichten. Wenn ihn einer der Seeleute, die sie untenam Hafen gesehen, danach fragte, zuckte er die Achseln. Die Fenster,die nach der Straße hinausgingen, seien stets verhängt, so daß mannicht in die Stube hineingucken könne. Ueberhaupt scheine bis aufden täglichen Spaziergang die Dame mit ihren Katzen mehr einNacht- als ein Taglebcn zu führen, denn zu später Stunde höreman oft noch Geräusche, sie schlurre durchs Zimmer und rede mitihren Lieblingen unverständliches Zeug. Jeden Mittag bringe eineAufwartefrau aus einem nahen Wirtshaus Essen, dazu einengroßen Topf Milch. Sie müsse dreimal klopfen, dann nehme diealte Dame an der halbgeöffneten Tür alles entgegen, gebe ihreAufträge für den nächsten Tag und riegle sich wieder ein. Siehätte einen französischen Namen, den niemand behalten könne;hier sei sie allgemein nur als„Katzenprinzessin" bekannt.Mit diesen Erläuterungen des Schneiders mußte sich die liebeNeugier zufrieden geben. Jedenfalls war die Katzenprinzcssin, dieungefähr fünfzig Jahre alt sein mochte, sehr menschenscheu undsprach mit niemandem, nur eben mit den drei Tieren. Wenn esdämmerig wurde, zündew sie sich im Ofen ein Feuer an. setztesich auf einen niedrigen Schemel davor und starrte in die tanzen-den Flammen.� Das Zimmer war dunkel, und schwarze Schattenlagen in den Ecken; nur der Schein des züngelnden Feuers warfhierhin und dorthin einen irrenden Strahl, in dem dies und dashell ward und aufleuchtete. Der Schein fiel auch auf das Hauptder Katzenprinzessin. Und man sah darin, daß ihr Haar weiß warund nicht recht zum Alter paßte, das man ihr sonst zucrteilcnmochte.Uird jedesmal, wenn sie vor dem Feuer saß, dachte die Katzen-Prinzessin an dasselbe. Sie dachte an ihren Mann. Er war totseit vielen Jahren. Sie dachte an ihre drei Knaben. Sic warenin wenigen Monaten hintereinander gestorben. Sie dachte anihre furchtbare, grenzenlose Einsamkeit, und allmählich kam dasEntsetzen über sie, bis sie sich jäh umwandte und„Toki" rief. Eswar wie ein Aust'chrei.Tann sprang plötzlich mit einem geschmeidigen Sprung dieweiße Angorakatze auf ihren Schoß, und die knöchernen Hände derAlten wühlten sich in das seidige Fell. Mit Inbrunst drückte siedas Tier an sich, das sich behaglich schnurrend die Liebkosungengefallen ließ. O, nun war sie nicht mehr allein, nun war nebenihr etwas, was lebte, was sich an sie schmiegte— Toki, der Lieb-lingl DaS Grausen wich. Und bald darauf rieb sich Lord,der Kartäuser, an ihrem Kleid, während U belle Cecile, das zierliche Hauskätzchen, sich kokett vor dem Schemel, in die Nähe derwärmenden Flamme, legte. Stundenlang unterhielt sich die Altemit den dreien.„Der Wind braust, Toki, mein Liebling," murmelte sie..Eswird eine Nacht wie damals, wo Herrchen nicht wiederkam. Hastihn nie gekannt, und wer weiß: Du hättest es wohl nicht gutgebabt. Tic Katzen und die Weiber, hat er gesagt, sind falsch seitErschaffung der Welt. Wir sind nicht falsch, Toki— puh, wiebraust der Windl Geh nicht aufs Schiff, jeder kommt darauf um,auch das Herrchen. Liegt im kalten Wasser, ich hätt' ihn nichtfortlassen sollen. Was siehst Tu nach der Tür, Lord? Ich lass'Euch nicht heraus, wenn es Nacht wird; man kann nicht alleinbleiben. Seht an, wie behaglich es hier am Feuer ist. Wärmt esgut, Mademoiselle?"Sic bog sich zu In belle Cecile nieder, die einen Buckel machte,und kraute ihr den Kopf. Dann redete sie weiter, fragte, ant-wartete selbst, kam auf Mann und Kinder und saß, bis das Feuerherabgebrannt war und nur schwach noch glimmte. Grün undphosphoreszierend leuchteten dann die Katzenaugen durch die Stube,man hörte Lord spinnen, und Toki drückte sich fester an dieHerrin.„Es wird Zeit, meine Lieben," hieß es dann, uird gefolgtvon den unhörbar austretenden Tieren ging sie in das Schlaf-zimmer, das neben der Wohnstube lag. Vor dem Bett standen,sauber und gut mit Heu und Flicken ausgepolstert, drei Körbe.Tarin schliefen die Katzen.Während die Alte so weltabgeschlosscn dahinlebte, ward es inder Nachbarschaft immer unruhiger. Die Leute blieben an denStraßenecken stehen und tuschelten miteinander. Die flinken Booteder Hafcnpolizei fuhren öfter nach den großen Schiffen hinaus, diedraußen lagen.„Es kam von Bonibay," flüsterte man sich einanderzu.„der Steuermann soll schon tot sein." Ein paar Tage späterward der Hafen für pcstvcrdächtig erklärt.Die Katzenprinzessin wußte davon nichts, und Wenn sie es er-fahren hätte, würde sie gleichmütig geblieben sein. Da sollte diefurchtbare Seuche, in ganz anderer Weise, als man es denken konnte.doch auch in ihr Leben greifen. Der Schneider ihr gegenüber hattesich schon mehrere Tage lang matt gefühlt. Dann brach ein heftigesFieber aus, das immer höher stieg. Man versuchte es erst mitHausmitteln. Als sie nichts halfen, rief man den Arzt. Es warein vielbeschäftigter Armenarzt. Er stellte Typhus fest. Erst amnächsten Tag erkannte er die Krankheit und meldete der Polizeieinen Fall von Beulenpest. Das ganze Hafenviertel geriet in Auf-rühr. Der Flickschneider, der, wie festgestellt wurde, außerordentlichviel mit Schiffspersonal zu tun hatte, wurde sofort in die schnellerrichtete Pestbaracke gebracht; seine Angehörigen als pcstverdächtigisoliert; ein großer Teil der Habseligkeiten verbrannt.Das geschah an einem Vormittag. Am Nachmittag gegen vierUhr— es war ein herbstlicher Septembertag— klopfte eS kräftigan die Tür der Katzenprinzessin. In lebhafter Unruhe, als ahnesie Schlimmes, sah sie durchs Schlüsselloch. Sie konnte nichts er-kennen. Da klopfte eS noch lauter.„Hier wird nichts gegeben,"rief die Alte und sebob noch extra den Riegel vor.„Ich bitte zu öffnen— im Namen des Gesetzes l" Aber dieAufforderung mußte wiederholt werden, ehe die Katzcnprinzessinihr nachkam.Vor chr stand ein Polizeioffizier. Sic musterte ihn mit halbfeindseligen, halltz ängstlichen Blicken.„Madame," sagte er und grüßte höflich, während er seine