Blicke durchs Zimmer schweifen ließ,es tut mir leid, daß ein dienst- 1 lichcr Auftrag mich zwingt, Sic zu belästigen. Es wird Ihnen bc- kannt sein, daß in diesem Haus leider ein Fall von orientalischer Bculenpest vorgekommen ist. Da bekannt ist, daß Madame sehr zurückgezogen lebten und mit den Nachbarn in keiner Verbindung standen, ist der Beschluß, Madame unter ärztliche Kontrolle zu stellen, vorläufig noch sistiert worden. Dagegen ist aus sanitären Gründen auf Vernichtung aller Haustiere erkannt worden, da sie erfahrungsgemäß in ganz besonderer Weise Krankheitsträgcr und -Vermittler sind. Madame werden mir mein schweres Amt er- leichtern und gutwillig die drei Tiere" er deutete auf die Katzen herausgeben." Astf einen Wink war hinter ihm ein Mann erschienen, der einen Sack trug. Verständnislos hatte die Katzenprinzesfin zugehört.<>ch ver- stehe... Sie nicht, mein Herr." sagte ste und zitterte doch...Zch soll... die Katzen... aber das sind mit Ihrer gütigen Er- laubnis meine Tiere!" .Gewiß. Nur werden Madame begreifen, daß zur Beruhigung und zum Schutz der Allgemeinheit alles geschieht, was zur Bc- kämpfung und Verhinderung der Seuche geeignet erscheint. Der Defehl trifft Sic hart, aber ich habe bestimmte Order, die ich aus- führen muß. Ich bitte Madame also, die Tiere abzuliefern." Immer mehr war die Alte zurückgewichen. Dann schrie sie auf:Nie! Niemals! Eher mag man mich selbst töten! Toti, Lord, Cecile heran!" Achselzuckend wandte sich der Offizier zu seinem Begleiter. Tun Sie Ihre Schuldigkeit!" Und wie der Blitz sprang der Mann zu. Mit kläglichem Miauen war In belle Oecile im nächsten Augenblick im Sack verschwunden. Verzweifelt rang die Alte die Hände.Erbarmen. Herr nehmen Sie mir alles, nur lasten Sic mir die Tierchen!" Doch schon ward Lord, der Kartäuser  , der schönen Cecile nach- gewandert. Da merkte sie, daß es hier kein Erbarmen gab.Toki, Liebling hussa hop!" Mit einem Sprung war die Angorakatze auf der Kommode, mit einem zweiten auf der Schulter der Herrin. .Wag' es keiner, heranzukommen und mich anzurühren," rief sie wild, und ihre Augen brannten. Die Katze fauchte auf ihrer Schulter.. u Sie erschweren uns die peinliche Aufgabe unnötig, Madame. Barbaren seid Ihr!" gellte die Alte,was tat ich Euch? Nicht mal die armen Tiere" Sie kam nicht weiter. Mit raschem Griff hatte sich der Unter- bcamtc Tokis bemächtigen wollen, aber mit einem Fluch riß er die Hand zurück. Eine blutige Schramme zog sich über ihren Rücken. Das machte ihn wütend. Und ob sich die Katzcnprinzessin auch wie eine Verzweifelte wehrte, ob Toki selbst in der Vorahnung seines Schicksals heldenmütig kämpfte, es half nichts. Eine eiserne saust packte ihn nach wenigen Minuten im Genick, und der Sack öffnete und schloß sich zum drittenmal. Unfähig zu schreien, halb gebrochen, starrte die Alte daraus hin. Sie sah nicht die Grußbewegung des Offiziers, sie sah nur, wie die Tür in den Angeln ging, wie hinter dieser Tür der Tack ver- schwand, der ihre Lieblinge barg. Einen Augenblick ward es ihr schwarz vor Augen. Sie tastete»ach einer stütze. Dann jedock) raffte sie sich auf. Und mit einer Geschwindigkeit, die»iemand ihr zugetraut hätte, stürzte sie mit bloßem Kopf den Männern nach. Drunten in der Straße sah sie sie noch. Und mit den» einen wilden Ruf:Toki Toki!" folgte sie ihnen. Die Passanten blieben erstaunt stehen, die Matrosen lachten, die Gasten- buben äfften ihr nach, alles drängte sich an sie heran, bis jemand schrie:Achtung, Leute es ist die Katzenprinzessin!<-ie wohnt im Vesthaus!" Im Nu zog sich alles entsetzt zurück. Der Polizcioffizicr, der sich umgewandt hatte und gern jedes Aufsehen vermeiden wollte, winkte einen Wagen heran. Ter Wagen rasselte davon, die Alte mochte laufen, so schnell ihre Beine sie trugen im Gewirr der Gasten war das Gefährt ihren Blicken bald entschwunden. Mit irren Augen sah sie sich um. Der Ruf:Sie kommt aus dem Pcsthanö" war ihr nachgefolgt. Sie sah sich allein scheu gemieden. Ter Wind hob ein paar Strähnen ihres weißen Haares, sie hatte den Kapotthut vergcstcn.Toki Toli!" riefen fern noch die Gastcnbubcn. Eine Stunde und länger war sie so aus den Straßen. Ein feiner Sprühregen fiel. An einer Ecke stand sie still. Was wollte sie noch weiter? Sie kam nach Hanse  . ES begann zu dämmern. Mechanisch legte sie wie gewöhnlich Holz und Kohlen in den Lsen, die Herbst- abende waren hier oben kühl. Tann setzte sie sich auf den niedrigen Schemel und starrte in die Flannnar Sie dachte auch heute an ihren Mann, an ihre drei Knaben. Sie dachte an ihre furchtbare, grenzenlose Einsamkeit. Und wie stets, so kam auch heute allmählich das Entsetzen über sie, daß sie von allen verlassen war. Wie stets weitete es ihre Augen, umgab es mit lähmender Furcht, die immer größer und großer ward, bis sie auch heute sich jäh umwandte undToki" rief. Was war das? Es kam keiner. Niemand sprang auf ihren Schoß. Nichts regte sich. Nur die Schatten standen unheimlich in den Winkeln und an den Wänden, gespenstisch tanzte hier und dort der Widerschein der züngelnden Flammen und machte die Schatten «och dunkler. Toki Toki!» Nichts, gar nichts. Nur das dunkle Zimmer. In tvahn- sinniger Angst stürzte ste vom Ofen fori. Was lag da? Die rots Leine, die Lederleine, mit der sie die Lieblinge spazieren geführt! Sie raffte sie auf, sie schrie, wimmerte. Das Einsetzen packte sie iimncr stärker. Ihr war, als erhielt das Leblose Gewalt über sie, als stände dort etwas an der Tür und drohte ihr. Wie gehetzt floh sie ins Schlafzimmer. Sie stieß an einen Korb und warf ihn um. Die Körbe loarcn leer alle drei. Schreiend lief sie zurück, durchs ganze Haus gellte ihr Rufen. Aber das Haus war leer. Keiner hörte sie. Wenn sie wenigstens hinaus könnte! Aber an der Tür stand etwas und drohte. lind die furchtbare, grenzenlose Einsamkeit I Jn der Hand hielt sie noch immer die Leine.Toki Toki!"'Die Skimme klang blechern. Bis zur Erschöpfung hetzte sie das Entsetzen durch die Räume vom Wohnzimmer ins Schlafzimmer und wieder zurück... Der Aiistvartesrau. die sich am nächsten Morgen in das Haus gewagt halte, ward auf dreimaliges Klopfen nicht geöffnet. Als sie einen Tag später wieder vergeblich gepocht, benachrichtigte sie die Polizei. Mail erbrach die Wohnung und fand die Katzen- Prinzessin' tot. Sie hing am höchsten Riegel des Fensters. Die rote Lederleine Tokis harte ste vom Entsetzen und der Einsamkeit i'acs Lebens befreit. Kleines feuilleton. ' Eigenartiges Sprachgefühl. Wir lesen in den.Münchener N. Nachr.": Bekannt ist ja einem jeden von uns, daß jede Sprache einen anderen Charakter hat. daß die eine Sprache uns weich und melodisch umschmeichelt, während eine andere mit ihren rauhen, kernigen Tönen ganz andere Stimmung erweckt. Um ganz der- schieden- Eindrücke zu erhalten, denke man z. B. a» den Wort- klang des Altgriechischen  , des Lateinischen, des Italienischen  , Französischen: Welch' eine Fülle musikalischer Emvfindungcn er- wecken diese Sprachen in uns! Zweifellos steht dieser musikalische Eindruck, den wir von den einzelnen Sprachen erhalten, in gc- wissem inneren Zusammenhang mit dem Charakter des Volkes, doch läßt sich dies leichter fühlen, als in Worte fassen. Ob es uns je gelingen wird, diese Beziehungen präzis zu formulieren, sei dahin gestellt; daß sie aber bestehen, kann keinem Zweifel unterliegen. Auch innerhalb eines jeden Volkes gibt es Nuancicrungcn der. Sprache, die wiederum nichts Zufälliges sind, sondern in organischem Zusammenhang mit dem betreffenden Bolksstamm stehen. Hier ist die Unterscheidung natürlich noch schwieriger. Wenn eS sich nicht gerade um charakteristische Worte handelt, wie z. B. um polnische Ortsnamen oder um Namen mit der Endungiugen". die auf Württemberg oder Baden lenkt, dürfte eS in der Regel schwer. wenn nicht unmöglich fein, zu sagen, dies oder jenes Wort muß sächsisch, schlesisch, bayerisch usw. sein. Wie es scheint, läßt sich aber durch andauernde Uebung die Feinheit des Sprachgefühls bedeutend verschärfen. Tie folgenden Mitteilungen darüber verdanken wir einem hochgebildeten Postbeamten in Nürnberg  . Nach ihm nehmen Postbeamte, die sehr viel oder seit Jahren ausschließlich mit der Spedition von Korrespondenz zu tun haben, insbesondere Bahn- Postbeamte, als zum letzten Mittel ihre Zuflucht dazu, Briefe und dergleichennach dem Gefühl" zu spedieren. Sic versenden nämlich folckie Sendungen mit unbekannten oder in den Verzeichnissen nicht auffindbaren Bestimmungsorten nach dem Klang des Wortes, d. h. sie senden solche Briefe einem größeren Orte der Provinz, welcher. wie sie mutmaßen, der Ort angehört, oder einer Bahnpost derselben zu, in der Hoffnung- daß dann irgend ein Bcainicr dort den Be- stimmungsort kenne.' Diese Hoffnung erweist sich meist auch als begründet. Dieses Gefühl ist bei solchen Speditionsbcamten derart entwickelt, daß man oft aus dem Klang des Wortes schließt,das muß in Niedcrbayern oder oberpfälzisch sein"; das klingt preußisch, brandcnburgisch, schwäbisch, schlesisch, thüringisch usw. Wie schon bemerkt, handelt es sich dabei nur um Orte, von denen mau noch nie gehört hat und die keinen typischen Klang haben. Dieses spezielle Sprachgefühl entwickelt sich allmählich und unbewußt. Nach einigen Jahren trifft man beim.spedieren nach dem Gefühl" etwa in zehn Fällen neunmal das Richtige. ie. Tic Verwertung von Frühlingsblumen. Die in den ersten Frühliugsmonaicn März und April erscheinenden Blüten erfreuen sich begreiflicherweise einer besonderen Vorlieoe seitens der Menschen. Zwar kann man jetzt Blumen zu jeder Jahreszeit haben, aber im Winter weiß man. daß sie in einem Zusammenhang mit einem langen Eisenbahntransport oder mit mehr oder weniger unnatürlichen Wachstumsbedingungeit stehen, und im Sommer gibt es wieder zu viel Blumen, als daß auch die einfacheren und gc- wohnlichen einzeln geschätzt werden sollten. Im Frühjahr dagegen hat fast jedes Blümchen seinen Rang, auch wenn es nicht so be- sondere Eigenschaften hat wie das Veilchen durch seinen Geruw, das Schneeglöckchen durch seinen Triumph über die winterlichen Schnee- restc und andere mehr. Außerdem haben die Frühlingsblumen vereinzelt auch ihre besondere Verwertung gefunden. Einen medizinischen Gebrauch findet eine bekannte Art des Himmel- schlüsselS, die deshalb auch mit dem lateinischen Zunamen olficina'.is oder mit der deutschen Bezeichnung Apothckerprimcl belegt wird.