Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 58.

Freitag, den 23. März.

( Nachdruck verboten.)

1906

,, Ach, wirklich! Keine Möglichkeit, Mosjö reinzulegen.

Die Eroberung von Jerufalem. Ich das gemacht haben zum Spaß, aber jetzt wir beide

19]

von Alfred peuter

Freunde, gute Freunde, nicht wahr, Mosjö?"

Roman von Myriam Harry  . Und er reichte Elias beide Hände mit so viel Grazie und Autorisierte Uebersetzung aus dem Französischen  Freimut hin, daß dieser sich sagte:" Vielleicht hat er mich wirklich nur auf die Probe stellen wollen." Und da der Bleich und regungslos heben sich die Maler scharf von dem Bastard eine feltene Pfiffigkeit und ungewöhnlichen Mut be­Goldgrunde der Heiligenbilder ab, während unter ihren halb- faß, bediente er sich Slamins öfters bei seinen Nach­geschlossenen Augenlidern, die beweglichen Augäpfel hin und forschungen. herrollend, die Straße auf und abschielen, rasch einen Blick nach rechts werfend, dann wieder nach links spähen, die Kunden am liebsten hypnotisieren und den Konkurrenten er­dolchen möchten. Weibisch schmachtend benehmen sie sich in Gegenwart der armenischen Popen mit den lang herabhängen­den Frauenfrisuren und den Witwenschleier, die mit Vorliebe das Bild eines zarten, feurig blickenden heiligen Sohannes kaufen, der ein wenig den Heiligenbilderverkäufern selbst ähnelt.

Geht aber ein an seiner Brille fenntlicher Franchi ( Franke) vorbei, so verwandeln sie sich rasch in Antiquitäten­liebhaber, sogleich schiebt sich der Kerzenvorhang zur Seite, prahlerische Anpreisungen schwirren von rechts und linft, gierige Hände krallen sich an den Fremden, eine geheimnis­volle Klappe öffnet sich im Hintergrunde des Ladens: fabel­hafte Altertümer, die stark nach Salpeter riechen, kommen zum Vorschein.

,, Herr, hier ist das authentische Szepter Salomos." ,, Herr, dies ist die Lampe der Aeltesten von den sieben Flugen Jungfrauen aus der Bibel; schau her, hier siebst Du auf dem Boden noch etwas eingetrocknetes Del.

,, Und Herr, für Dich, aber auch nur für Dich gebe ich diese edomitische Stele her, oder, wenn Du sie lieber haben möchtest, Davids Harfe, in der noch seine Psalmen nach­flingen!"

Denn scheinen diese Jerusalemer   Maler auch hauptsächlich von ihren Pinseleien für die Pilger zu leben, so ziehen sie doch ihr Haupteinkommen aus den für Touristen angefertigten Antiquitäten, von denen manche so geschickt nachgeahmt sind, daß sich sogar Kenner dadurch täuschen lassen.

Von diesen Schwindlern war Slamin, der Bastard, der

geriebenste.

Er war aber auch der liebenswürdigste Galgenstrick von ganz Palästina. Zierlich, elegant, mit mandelförmigen, ver­Schleierten Augen, blendenden Zähnen und fagenhaft geschmei­digen Bewegungen, hatte er sich unter den Sammlern eine große Kundschaft erworben; denn er verstand den oft zur Manie gewordenen Schrullen eines jeden zu schmeicheln und mit Intelligenz, im Brustton der Ueberzeugung voller An­mut zu lügen. Den Engländern erzählte er, daß er der flüch­tigen Verbindung einer berühmten Lady mit einem Beduinen­scheit entstamme; den Franzosen log er vor, er verdanke sein Dasein den verdammungswürdigen Liebesfreuden eines ma­

ronitischen Bischofs und einer drusischen Nonne.

-

Von allen Sprachen hatte er ein paar Brocken aufge­schnappt und gehörte der Reihe nach wie es seiner Börse gerade am besten bekam allen Religionen an, allerdings mit Ausnahme des Protestantismus, den er den Katholizis­mus für Arme" getauft hatte.

-

Heiligenbildermaler und Stelengraveur während der Bilgersaison, wurde er im Sommer Karawanenführer in der Wüste, wo er bei den Beduinen gegen billige, runde, blei­gefaßte Spiegel und Holzfämme Säde voll Mais und Füllen bon reinem Blute eintauschte. Manchmal kam es auch vor, das er ein paar jener braunen Wüstenmädchen in Harems verkaufte. Seine Adoptivmutter war das erste Klageweib Jerusalems  , sein Halbbruder Barbier und seine Milchschwester eine der gesuchtesten Enthaarerinnen.

Bereits seit seiner Ankunft in der Heiligen Stadt" fannte Elias Jamain den Allerwelts- Slamain. Denn von Anfang an hatte dieser ihn mit seinen Fälschungen verfolgt, deren Echtheit bei allen Göttern seiner verschiedenen Kon­fessionen beschwörend.

Wies Elias ihm jedoch auf den ersten Blick den groben Betrug nach, so fing er an zu lachen, daß man seine hübschen blizenden Zähne sah und sagte mit dem unschuldigsten Gesichte:

Ueberhaupt schlenkerte Elias gern durch das Ikonen­gäßchen mit seinem fahlen Kerzenschein und füßlichen Weih­rauchbuft, wo Popen und Klöstervorsteher in der Kleidung byzantinischer Kaiserinnen, von Rauchfaß  - und Kerzenträgern begleitet, vor den kleinen Buden ihren Bedarf an Beleuch­tungs- und Weihrauchmaterial einkauften.

Einige an den Gewölbedecken angebrachte Deffnungen sind die einzigen Lichtquellen für diesen Ort, und reďkt man den Kopf empor, so kann man gelegentlich das die Deffnung verdunkelnde Gesicht eines Beduinen oder die Astrachanmüze eines Persers sehen. Denn die andere Seite des Daches ge­hört den Türken, die dort ein Karawanserai für die auf der Rückreise von Mekka   befindlichen Pilger erbaut haben. Die Gebete der Moslemin von oben vermischen sich mit den, Herr, erbarme dich!" von unten, und so bleibt das kleine, von der Christenstraße zur Basilika der Grabeskirche führende Gäßchen stets zwischen zweierlei Konfessionen eingefeilt.

Am meisten interessierte es Elias, Slamin bei der Arbeit zuzusehen. In einer dunklen Ecke seiner Grotte hockend, wo selbst eine Nachteule nichts hätte sehen können, pinselte er ohne Vorbild oder Modell ein Bild nach dem anderen hin, wobei er sich seiner linken Handfläche als Palette bediente und die Pinsel zwischen die Fußzehen klemmte. Zum Firnissen zog er aus seinem Ohr einen in Del getauchten Wattebausch, den er nachher wieder an seinen alten Platz steckte. Und während er das feuchte Bild zusammenrollte, fing er auch schon mit einer in frommer Ertase vor seiner Bude stehenden Matuschka( russisches Mütterchen) zu handeln an:

,, Vier Rubel, mein Engelsmütterchen; dafür ist es rein geschenkt; nur weil Du es bist!"

Vier Rubel! Ach Gott, wo sollte ich die wohl her­nehmen? Habe bloß einen einzigen in meinem ganzen Ver­

mögen!"

"

Gib schon her! Gott   wird ihn vervierfachen!" Und während er ein griechisches Kreuz über das Bild schlug, riß er es mit einer solchen Fingerfertigkeit, daß die Alte nicht das geringste merkte, in vier Stücke.

,, Ein Wunder!" schrie er auf. Jesus   hat ein Wunder gewirkt. Aus einem Bilde hat er vier gemacht. Einen gewirkt. Aus einem Bilde hat er vier gemacht. Rubel das Stück!"

hier einen Arm, dort ein Bein und löste so mit Leichtigkeit Und an die zusammenströmenden Muschiks verkaufte er die beabsichtigte Summe, während die Matuschka vor Freude weinend und ihr wunderbares Heiligenbild füffend, eilig davonzog.

Eines Tages blieb Elias erstaunt vor einem neuen Bilde stehen, das, von einem roten Lichtstümpfchen beleuchtet, im Hintergrunde der Bude erglänzte.

Von weitem ähnelte es den traditionellen schwarzen Jungfrauen der Abessinier und Kopten. Näher betrachtet, unterschied es sich davon jedoch durch eine fräftigere Aus­führung, durch den Ausdruck feines feinen, rätselhaften und dabei finnlichen Gesichtes, das leise an die Kopie einer ägypti­schen Göttin erinnerte.

Nun wußte Elias aber, daß ein ähnlicher Kopf in Jeru­ salem   nicht existierte, und Slamin niemals ein europäisches Museum besucht hatte.

Wo, zum Teufel, hast Du diesen Kopf her?" Und den Kerzenvorhang zur Seite schiebend, fragte er aufgeregt den ihn lauernd betrachtenden Syrer. It's ein Frauenkopf, den Du da kopiert hast, oder soll es ein Gößenbild darstellen?" Vielleicht ist es ein Weib, vielleicht eine Göttin!" ,, Wo hast Du es gesehen? Wer hat Dich darauf gebracht? Sprich!" Und Elias ließ die Piaster in seiner Tasche klingen.