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1893 wurde Grane zum Direktor der städtischen Kunstschule in Manchester   ernannt. Damit war ihm Gelegenheit gegeben, seine Kunstanschauungen erzieherisch weiter zu verbreiten. Er war einer der Wenigen, denen diese Tätigkeit nicht schadete. Im Gegenteil, fie lag ihm gerade und er fand in dieser öffentlichen Wirksamkeit das Feld, das er suchte.

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Ehr abnahm"; Spuren diefer Ehrabnahme trägt fie noch heute in Gestalt zahlreicher Beschädigungen durch Steinwürfe an sich, die mit Sicherheit auf die vor K. Simrod in feiner deutschen Mytho logie erwähnte Gitte des Heidenwerfens", der finnbildlich an solchen alten Götterbildern in den ersten Zeiten des Christentums vorgenommenen Teufelsabschwörung, zurückgeführt werden dürfen. Für uns ist Crane der ausgesprochen dekorative Künstler. Doch nicht diefes Schicksal der erwähnten Benus, sondern ein Er hat die Welt der Formen um ganz neue, eigentümlich reiche und anderer Umstand in ihren früheren Erlebnissen ist an ihr das Inter phantastische Linien- und Farbengebilde bereichert. Seine Ornamentit effante, die Tatsache nämlich, daß fie nach sicherer Ueberlieferung ift reich verschlungen. Von graziöfem, weißgegittertem Rantenwert während eines großen Teiles des Mittelalters auf dem Friedhof heben sich in fattem Schwarz seine Figuren ab. Es blüht allenthalben. zu Trier   in Ketten aufgehängt gewesen war. Diese Aufhängung, Blumengewinde füllen den Raum, lein freies Plätzchen duldet seine für die, wie gesagt, bis in die jüngste Zeit eine zureichende Er schöpferisch überquellende Phantasie. Es ist darum nicht von Vorteil lärung gefehlt hatte, ist nun soeben von Professor L. Radermacher für Crane, wenn eine Ausstellung, wie die, die augenblicklich im in Greifswald   in der" Westdeutschen Zeitschrift für Geschichte und Kunstsalon Gurlitt stattfindet, nur Bilder bringt. Man wird Kunst" in offenbar zutreffender Weise gedeutet worden, indem damit der Bedeutung Cranes des Künstlers nicht gerecht. Ein Radermacher diese Aufhängung mit einem Verfahren in Zusammens Mann, beffen Begabung im Dekorativen liegt, muß mit dekorativen hang bringt, das in ganz entsprechender Weise nicht selten während Entwürfen vertreten sein. Wir sehen da einen in trüben Tönen ge- des Mittelalters gegen die Heren Anwendung gefunden hat. Es haltenen Baltürenritt", die üblichen Barzen", die Vier Jahres ist aus zahlreichen Berichten bezeugt, daß nicht selten während des zeiten" alles symbolisch- allegorische Bilder, die uns nicht viel Mittelalters Heren hängend verbrannt worden sind, weil man lagen. Am geschlossensten wirkt noch die halb an Botticelli  , halb an glaubte, nur auf diese Weise die zauberische Kraft brechen zu können, Burne- Jones fich anlehnende Geburt der Benus", deren zarter, die dieselben sonst aus dem Betreten des Erdbodens gewanner; ist blaffer, graubräunlicher Gesamtton gefällt. Crane hatte seinerzeit es doch aus zahlreichen Legenden und Volksbräuchen erwiesen, daß die Genugtuung, daß bei der ersten Ausstellung dieses ein solcher Glaube an geheimnisvolle Kräfte des Erdbodens bei den Bildes, als er noch nicht so bekannt war, der be- indogermanischen wie bei anderen Völkern weite Verbreitung besaß. rühmte englische Maler Watts dieses Bild ankaufte. Nur weffen So befagt denn auch das bekannte maßgebende Handbuch des mittels Blick geschult ist, der sieht unter dieser Oberfläche des malerischen alterlichen Herenprozeßverfahrens, der Herenhammer", im achten schon den Reichtum der ornamentalen Phantafie. Sie zeigt sich in Kapitel mit Bezug auf die Heren ausdrücklich: es ist sehr ratsam, der ein wenig übertriebenen Linienführung im Ausdruck der Gefichter. eine solche Gefangene sofort von der Erde aufzuheben, wenn man Die hellen Farben auf dem einen der Bilder, die einheitliche Farben ihrer habhaft wird, daß sie nicht den Fußboden berührt; sie könnte stimmung der Geburt der Venus" fündigt den dekorativen Maler sich durch Zauber sonst wieder befreien". Damit ist aber ohne an, der ein Gemälde einem Raume einzufügen weiß. Die Bilder weiteres der Weg geebnet, um das so seltsam anmutende Schicksal find darin charakteristisch für die Entwidelung der Kunst Englands. jener Trierer   Venusstatue verstehen zu können. Ist es doch genug­Sie stellen die Ueberleitung der Malerei der Präraffaeliten zum sam bekannt, daß die christliche Welt den Statuen der alten Heidens modernen Kunstgewerbe dar, eine Entwickelung, die fich in Crane götter lange nicht nur Mißachtung, sondern auch geheime Furcht lonzentriert, da es ihm selbst gelang, diesen 8wiespalt in fich zu entgegenbrachte, und ihnen entweder unmittelbar allerhand böse überwinden, das hervorragend stilistische Element, das in den Werken Wirkungen zuschrieb oder doch glaubte, daß böse Geister in der Präraffaeliten stedte, zur vollen Ausbildung zu bringen und so ihnen verborgen seien. So erklärt es sich, daß man die alte Ab­die Entwickelung zu vollenden, womit der Anschluß an das gottin" behandelte, als wäre sie selbst eine Here, und den von ihr moderne Leben der Gegenwart, der sich die Präraffaeliten entfremdet ausgehenden bösen Zauber dadurch brechen wollte, daß man ihre hatten, wieder erfolgte. Verbindung mit der Erde löfte. Uebrigens hat die Trierer   Venus nicht als die mächtige Liebesgöttin, die in der mittelalterlichen Legende so vielfach auftritt, sondern wahrscheinlich als Diana ihr Schicksal erdulden müssen, für deren Darstellung man fie lange Zeit hielt, und die ja im alten deutschen Boltsglauben als böser Dämon und Begleiterin des wilden Jägers ebenfalls eine große Rolle ge­

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Dazwischen sehen wir feine, intim gesehene Landschaftsstudien, frisch im Ton, aus Italien  , aus der Schweiz  , von Nürnberg   und Rothenburg  . Die natürliche Anschauung des Malers Crane lommt in diesen kleinen Momentnotizen besser zum Ausdruck als in den großen Bildern.

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Von nun

Ein Kleines Triptychon in Tempera, das wie ein Hausaltar gespielt hat. fügt ist, zeigt drei Bilder, die die Märchenwelt Dornröschen" illustrieren. In diesem Entwurf lebt schon die Empfindungswelt, die des Gaulois": Zwischen den Beamten des Allgemeinen Sicher­kh. Bom französischen Polizeiwefen erzählt ein Mitarbeiter späterhin Cranes ureigenste Domäne wurde. Die dekorativen Bilder standen in ihrem Stil noch gesondert für sich. Sie waren heitswesens", der Geheimpolizei, die ihre Wachsamkeit über ganz geschaffen für einen Raum, der nicht existierte. Als Crane anfing, Frankreich   ausdehnt, und denen der Parifer Bolizeipräfettur be= das Bilderbuch zu reformieren, die Welt des Märchens und der standen lange Eifersüchteleien, die zu einer Konkurrenz der beiden Sage in Jlluftrationen, Randleisten, Vignetten auferstehen zu lassen, Institute führte. Sie bekämpften fich, spionierten sich gegenseitig da hatte er das Gebiet gefunden, in dem er allein heimisch war. aus und beobachteten fich argwöhnisch. Die Geheimpolizei, deren Mit diesen billigen Bilderbüchern drang er ins Boll und gab den Tätigkeit fich hauptsächlich auf das politische Gebiet erstrecken sollte, Anstoß zu der reformatorischen Bewegung, die uns das moderne kam der Pariser   Polizei häufig ins Gehege und die Beamten bes Eines Tages kam der damalige Kinderbuch gibt, das nun auch bei uns heimisch wurde. Auf diesem obachteten sich untereinander. Spezialgebiete des Dekorativen hatte er feinen Rivalen, während er Polizeipräfeit von Paris  , Camescaffe, au der Ueberzeugung, daß er auf den anderen Gebieten einer unter mehreren war. seit einigen Tagen von einem Individuum beobachtet und bewacht werde. Der Präfekt ging direkt auf ihn zu und sagte brüst: Warum spionieren Sie mich aus?" Aber... Herr Präsident..." stammelte der Angeredete. Leugnen Sie nicht. Sie find Beamter Der eingeschüchterte Bes des Allgemeinen Sicherheitsdienstes"." amte bat den Präfekten  , ihn die Befehle seiner Borgesetzten nicht entgelten zu lassen. Nun gut," antwortete Camescaffe, von diesem Tage an will ich Ihnen Ihren Dienst erleichtern; tommen Sie jeden Abend auf mein Bureau und ich werde Ihnen dann den Be­richt über mein Tagewerk geben." Und so geschah es. ab erhielt der Inspektor des Allgemeinen Sicherheitsdienstes" jeden Tag einen äußerst detailierten Bericht über das Tagewerk bes Polizeipräsidenten, den dieser selbst eine Stunde vorher dittiert hatte. Ift so selbst der Polizeipräfeft vor der Beobachtung der französischen   Geheimpolizisten nicht sicher, so erstreckt sich ihre Wachs famteit auf alle Persönlichkeiten, die im politischen Leben stehen. Der Präsident ist von ihnen umgeben, die Minister werden von ihnen bewacht, und ebensowenig entgehen die Senatoren und Deputierten Auch Journalisten, Schriftsteller und ihrem spähenden Auge. Redner in öffentlichen Versammlungen werden von ihnen sorg­fältig beobachtet. Und alles das nur darum, um die Attenbindel anschwellen zu lassen und stets neue Faszikeln in den Kanzleien auf­zuhäufen. Es ist der Stolz der Geheimpolizei, über jeden, der mir irgend einmal politisch hervorgetreten ist, ein Aftenstück angelegt zu haben; ob es nun wahre Tatsachen enthält und ein vollständiges Bild des Mannes liefert, darauf kommt es weniger an. Das erste, was jeder Minister des Innern tut, wenn er fein Amt antritt, ift die Aufforderung an den Chef der Sicherheitspolizei, ihm das ihn betreffende Aftenstück auszuhändigen. Der Direktor ist vorsichtig genug, das Faszikel vorher zu reinigen", aber eines Tages vergißt er wohl auch in einem Moment der Zerstreutheit, einige scharfe Be richte zu entfernen, und es soll schon vorgefommen fein, daß der Minister dann voller Erstaunen ein ganzes Register von allerlei

Zum Schluß sei noch erwähnt, daß Crane Sozialist ist. Er hat diese Gesinnung in Bildern, in Zeichnungen oft betätigt, hat oft be­tont, daß er von einer Aenderung der Gesellschaftsordnung alles erhofft. So z. B. in dem Bilde, wo dem Jüngling, der, eine Jakobinermüße auf dem Kopf, in Fesseln im Gefängnis fitt, von einem Ritter und einem Mönch bewacht, die Freiheit in Gestalt eines hereinschwebenden Engels erscheint. Auch hier entwickelte Crane die sozialen Anschauungen von Rustin und Morris, die viel­fach noch unflar und verschwommen blieben, wenn sie auch von dem Ernst der Ueberzeugung, der tiefgehenden Liebe zu allen Menschen und der Hoffnung auf Befferung erfüllt waren, zur Klarheit. Den englischen Künstlern und Kunsttheoretikern gereicht dies zum Borteil: fie bleiben nicht eng in ihrer Kunstsphäre befangen, fie erweitern die Kunst, die allen dienen soll, zur Weltanschauung, ohne daß dadurch ihr Kunstideal an Realität verliert. Es ist dies ein Zeichen, daß ihre innere Entwidelung eine umfassende war und darum ist ihrem Werk auch alle Kraft der Ueberzeugung eigen, die ihm den Erfolg in allen Ländern brachte. Seit 1886 zeichnet Crane alljährlich für die Maifeier ein Erinnerungsblatt.- Ernst Schur.

Kleines feuilleton.

ks. Venus in Ketten. Im Provinzialmuseum zu Trier   be­findet sich der Torso einer Venus, dessen merkwürdiges Schicksal während früherer Jahrhunderte schon zu manchen Deutungs­bersuchen seitens der Gelehrten Anlaß gegeben hat. Diese Venus bar, che sie dem genannten Museum einverleibt wurde, neben der Kirche zu St. Mathias auf einen Sodel geftanden, auf dem eine Inschrift besagte, daß sie in früheren Zeiten eine Abgottin" ge­wesen sei, bis St. Eucharius nach Trier   gekommen sei und ihr die

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