losgezogen. Was Ware es auch auf ein paar Händevoll Silber, auf einige Jahre mühseligen Daseins angekommen, wenn man dafür eine ganze Ewigkeit eingetauscht hätte! Ach, frei sein, dem Unbekannten, Abenteuerlichen entgegen- ziehen, die ganze Welt durch die Kraft seines Geistes besitzen, das Glück durch die Verachtung des Geschicks erobern können! Mit unruhigem Herzen und erregten Sinnen wälzte er sich auf dem Teppich hin und her. Von Zeit zu Zeit quoll aus der Tiefe des Hauses ein dumpfer Klageton, ein banger, fützer Seufzer zu ihm empor. Jedesmal durchschauerte es ihn. Denn er erkannte die Stimme des fahrenden Mädchens wieder, das sich im Schlafe nach seinem luftigen Zelt und den schrankenlosen Weiten sehnte. Sollte nicht sie es sein, die er damals im Zelte neben dem Absalomsgrabe gesehen hatte? Bestand doch vielleicht ein mysteriöser Zusammenhang zwischen ihr und der Göttin? Ein wenig ähnelte sie dem Bilde in Slamins Bude. Plötzlich richtete er sich auf seinem Lager in die Höhe. Das Wimmern hatte aufgehört, aber ein leises Klirren näherte sich ihm, und er vernahm ein sanftes Geräusch, als ob nackte Füße die Stufen emporstiegen. Sie tvar es. Auf der obersten Stufe blieb sie stehen. Ihr Busen wogte so heftig, daß ihr Gewand sich öffnete und ihr Halsschmuck laut klirrte. Zwischen ihren vollen weichen Lippen sah man die blitzenden Zähne hindurchschimmern, ihre Augensterne waren starr und erloschen wie die einer Statue. Die Falten ihres blauen Gewandes und ihre weiten Aermel schleppten lang nach; im hellen Mondenschein, der daran herabrieselte, sahen sie aus wie grell beleuchtete Basaltblöcke. Sie war groß und schlank, ihr Wesen gemessen, und ein scharfer, prickelnder Dust strömte von ihr aus. Elias regte sich nicht, leise flüsterte er: Das ist meine Göttin! Es ist meine Göttin in eigner Person." Sie legte die Hände auf ihre Brust. Ich ersticke. Mir träumte, ich sei bis auf den Grund Deines Brunnens gefallen und Dein ganzes Haus sei über mir zusammengestürzt. Da bin ich heraufgestiegen, um hier die Strahlen des Mondes einzuschlürfen und nach dem Lande Moab hinüberzuschauen." Sie trat bis zur Mitte der Terrasse vor und lehnte sich, ihr Gesicht dem Gestirne zukehrend, sanft hintenüber, wobei sie sich auf ihren Hüften, die schlank und mager wie diejenigen eines Jünglings waren, hin und herwiegte. Mit weit ausgebreiteten Armen und geöffneten Lippen schlürfte sie das Mondlicht ein. Der Schleier glitt ihr vom Kopfe, ihre langen schwarzen Flechten lösten sich und rollten wie hüpfende Schlangen an ihren gewölbten Lenden herab. Die goldenen Ringe in ihren Ohren blillten, und zwischen dem silbernen Stirnreif und den Ammonshörnern glänzte ihre glatte, verschlossene Stirn, auf die drei blaue Kreuze ein- tätowiert waren, wie diejenigen eines Götzenbildes. Elias war aufgesprungen: Es ist Astaroth," wiederholte er flüsternd. Und laut setzte er hinzu: Nenne mir Deinen Namen!" Ich habe keinen. Jeder nennt mich nach seiner Laune. Die einen Nour(Nacht), die anderen Nahar(Feuer). Und wie wirst Du mich nennen?" Dabei richtete sie sich wieder auf und wandte sich ihm zu. Ich werde Dich Jstar nennen," sagte Elias. Wie es Dir beliebt!" Bleibe und schlafe hier! Strecke Dich auf diesm Teppich aus. Ich werde fortgehen. Bleib! Von hier aus wirst Du wenigstens die Berge Deines Vaterlandes scheu." Mich dürstet noch, hast Du nichts zu trinken?" Doch: Wasser!" Er holte einen Holznapf aus seinem Arbeitszimmer. Sie nahm ihn und trank gierig. Ihre mit einem Korallenknopf verzierten Nasenflügel beten. Einige Tropfen rieselten über ihre Lippen am Halse herab. Sie erschauerte leicht. ..Trink' auch Du!" Und sie reichte ihm die Schale hin. Er wollte sie nehmen, doch sie entglitt seiner Hand und fiel zwischen ihnen zu Boden. Angcnchm kühlte das Wasser ihre nackten Füße. In der Ferne heulten Schakale . Hoch aufgereckt sahen Hie Beiden sich tief in die Augen.< Er hatte Furcht und wich zurück. Strecke Dich hier aus. ich gehe fort," sagte er verwirrt. Doch sie näherte sich ihm, legte ihm beide Hände auf die Schultern und zog ihn langsam aber gebieterisch an sich. sFortsetzung folgt.), lNachdruck verböte».) IMM�eiigen der ruHirchen Literatur, t Schluß.) Mit Nikolaus Gogol , dem berühmten Verfasser des RomansTote Seelen" und des satirischen LustspielsDer Re- visor" hebt für die russische Literatur eine neue Epoche an. Gogol war es, der in jene das soziale Element einführte. Zwar ist er ebensowenig verbannt worden, wie der Dramatiker Alexander Ostrowsky, der allerdings seinen Beamtenposten verlor und unter Polizeiaufsicht gestellt wurde. Aber daß die Regierung seine Schriften als außerordentlich gefährlich erachtete, geht daraus hervor, daßDer Revisor " hartnäckig vom Theater ferngehalten und erst auf Befehl des Zaren gegeben wurde. Für den Druck des ersten Bandes seines vorhin genannten Romans hatte Gogol zwar nach Ueberwiudung unglaublicher Schwierigkeiten Erlaubnis bekommen; die zweite Auflage aber durfte bei Nikolaus I. Leb- zeitcn nicht erscheinen. Und als Gogol 1852 starb, wurde Iwan Turgenjefs, der nachmals europäische Berühmtheit als Novellist erlangte, verhaftet, weil er dem Verstorbenen in einer Moskauer Zeitung einen kurzen belanglosen Nachruf gewidmet hatte. Einer schwereren Strafe, als es seine Verbannung von Moskau und der Zwangsaufenthalt auf seinem ferngclegenen Gute war, entging Turgenjefs nur dank dem Einfluß hochgestellter Freunde. Er kehrte später Rußland den Rücken und starb 1883 in Paris . Wohl nur wenige russische Schriftsteller haben gleich bei ihrem ersten Austreten so viel Beachtung gefunden wie F e o d o r Dostojewsky, der Verfasser derMemoiren aus dem Toten- hause", des gewaltigen, erschütternden RomansVerbrechen und Strafe lRaskolnikoff)". u. a. Aber die wenigsten haben so furcht- bare Lebensschicksale zu erleiden gehabt wie er. Im Jahre 1843 war der 28jährige Dichter in einen Kreis von Mitgliedern einer sozialpolitischen Vereinigung geraten, welche der Titularrat Michael Pctrasckiewsky leitete. Man kam zusammen, um die Werke des französischen Kommunisten Fourier zu lesen und sich außerdem über die Notwendigkeit einer sozialistischen Propaganda in Ruß- land zu besprechen. Bei einer dieser Versammlungen las Tosto- jewsky einen Brief von Bjelinsky an Gogol vor, in welchem der große Kritiker über Kirche und Staat eine ziemlich scharfe Sprache führte; ferner nahm er teil an einer Versammlung, in der die Begründung einer Geheimdruckerei diskutiert wurde. Als dann am 5. Mai(23. April) 1849 Petraschewsky nebst 33Mitver- schworcnen" verhaftet wurde, befand sich auch Dostojewsky unter ihnen. Bei verschlossenen Türen wurde er nebst einigen anderen, darunter Petraschewsky, zum Tode verurteilt. Im Dezember brachte man ihn auf einen öffentlichen Platz, schleppte ihn zum Schafott und las ihm sein ausführliches Todesurteil vor. Erst im letzten Augenblick lief die Begnadigung ein. Drei Tage danach befand sich Dostojewsky auf den, Transport nach Sibirien , um zu schwerer Arbeit in einem Gefängnis in Omsk untergebracht zu werden. Während seiner vierjährigen Gefangenschaft hatte er die furchtbarsten Auspcitschungen zu bestehen. Als er dann befreit wurde, mußte er unter die Soldaten. Seit jener Zeit litt der Dichter an der Fallsucht(Epilepsie). Die Amnestie im Jahre 1855 änderte nichts an seinem schrecklichen Lose. Erst 1859 wurde er begnadigt und durste in sein Heimatland zurückkehren. Turgcn- jeffs Sterbejahr war auch das seine. Im Zusammenhang mit der Affäre derPetraschewsky- Gruppe" wurde 1849 auch der Dichter A l e x e i P l e s ch t s ch e- j e f f verhaftet und als gemeiner Soldat in ein Regiment bei Orenburg gesteckt. Das gleiche Los war ein Jahr zuvor dem klein- russischen Lyriker Taras Schewtschcnko widerfahren. GIcicbzeitig mit diesem und anderen wurde der ausgezeichnete politische Schriftsteller Alexander Herzen auf S Jahre nach Dyatka(Ural ) und zwei Jahre nach seiner Rückkehr nach Nowgorod verbannt; und der Dramatiker A. I. Palm mußte noch 1859 ins Gefängnis wandern, weil er mit Leuten aus der Petraschcwsky-Gruppe im Berkehr gestanden. Im Revolutionsjahr 1848 wurde ferner Michael Saltykoff. der einflußreiche Satiriker, wegen einer Novelle(Eine verwickelte Geschichte"). worin sozialistische Tendenzen in Form eines Traumes, den er einen armen Beamten träumen läßt, auf 7 Jahre nach Wjatka, einem elenden Provinzstädtchen in Ostrußland verbannt. Festung, mindestens doch Verbannung nach Sibirien wäre auch das Schicksal des bedeutenden Kunstästhetikers Wissarion Bjelinsky ge- wesen, wenn ihn davor nicht ein frühzeitiger Tod(1848) behütet hätte. Denn als der Schwindsüchtige schon auf dem Sterbebette üig, pfll'gte ein Gcndarmerieofsizicr von Zeit zu Zeit zu er-