Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 64.

Sonnabend, den 31. März.

( Nachdrud verboten.)

1906

Fließpapieres beim Abklatsch einer Inschrift keine andere Flüssigkeit als seinen eigenen Speichel.

Dafür lernte er aber auch den erhebenden Stolz des­

Die Eroberung von Jerufalem. ienigen fennen, der aus wenigen Worten die Geschichte eines

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Noman von Myriam Harry . Autorisierte Uebersetzung aus dem Französischen von Alfred Beuter.

14.

Am nächsten Morgen bewilligte der Gelehrte alle For derungen Slamins. Vom Morgen bis zur Vesper flapperten die Talaris auf den Fliesen des Hofes. Dann schlachtete man ein Lamm und tauschte, während man sich mit dem noch warmen Blute besprengte, Treuschwüre und Bruderküsse aus. Und als am Firmamente der erste Stern aufglänzte, zog Elias mit bräunlich gefärbtem Antlig und bis zur Unkenntlichkeit bermummt mit ihnen.

Als sie außerhalb der Mauern waren, trennte er sich von ihnen und galoppierte nach Bethlehem , um Frau und Kind zum Abschied zu umarmen; er holte sie aber bereits wieder im Feuertale ein, wo sie hinter den mit Sänften beladenen Kamelen ernst und schweigend einherritten.

In einer der hellen Sänften schlummerte star. Und in dieser gespenstischen Nacht, in dieser biblischen Wüste, in diesem Lande Siddim glaubte Elias, von einer vor ihm schwankenden Lichtsäule geleitet, wie einst die Kinder Jsrael dem Gelobten Lande, dem Kanaan seiner Wünsche entgegen­zuziehen.

Volle drei Monate berauschte er sich an der unbegrenzten Weite.

Er durchstreifte Berge, wiederhallend wie Tempel und Syrten, beweglich wie das Meer. Ueber ihm breitete sich ein Himmel aus fahl und düster wie eine Sandwüste, und er ritt auf Luftspiegelungen zu, die sich im Himmelblau ge­badet zu haben schienen. Der Zipfel seines Mantels warf in dieser Einsamkeit den einzigen Schatten; und auf das Wiehern seines Pferdes gaben allein die Gäste der Totengrüfte

Antwort.

Oft lag er, seine Wange an itmars Knie gelehnt, träu­mend in der Nähe eines Quells oder Myrrhengebüsches. Sie kühlte dann seine Stirn mit Schilfzweigen, die sie in die Quelle getaucht hatte und sang dazu fremdartige, flagende Weisen. In der Ferne weinte eine Hirtenflöte, ein Geier 30g in langsam ruhigem Fluge seine Straße, und aus den Nüstern der im duftigen Kraute grafenden Dromedare stiegen Kleine Wölfchen er por. Elias Körper badete sich in Duft, seine Augen in Licht, seine Seele in Harmonie; zum ersten Male glaubte er seine wahre Bestimmung erfaßt zu haben und ganz der menschlichen Natur gemäß zu leben.

ganzen Volkes wieder aufbaut und mit seinem Hauche die Seele einer ganzen Nasse wieder belebt.

Denn es sah aus, als ob diese heidnische Erde ihm die ihr entgegengebrachte Liebe wieder vergelten wolle; trob aller Schwierigkeiten, die er zu überwinden hatte, krönte fast jeden Tag ein Erfolg seine Anstrengungen. Dort, wo so viele Forscher durchgezogen waren, ohne die geringste Spur zu finden, entdeckte Elias Ruinen und grub Inschriften aus. Auch fand er so viele Schalen, Amphoren, Lampen, Toten­urnen und Liebesvotive, daß er darüber wenigstens für den Augenblick ganz sein Idol vergaß.

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Außerdem besaß er in star eine lebendige Göttin, und wenn bei der Rückkehr in sein Zelt der Duft ihres Körpers sich in den Modergeruch der Grabmäler mischte, schlief er so glücklich ein, als ob er das Arabien aus unvordenklichsten Beiten erobert an seinem Herzen halte.

Eines Tages jedoch erwachte der Gelehrte, sehr leicht bekleidet, aber mit bleischwerem Kopfe am Ufer eines Flusses. Er wollte aufstehen, sank jedoch, viel zu schwach, auf sein aus Tamarinden bereitetes Lager zurück.

Um ihn weder Belte, noch Sand, noch Beduinen.

"

,, Wo sind wir?" fragte er den zu seinen Füßen kauernden Slamin fläglich.

,, Auf dem rechten Ufer des Jordan." Warum?"

"

Weil der Glutwind über die Wüste und Deine Stirn hinwegstrich. Zehn Tage sind es, daß Du von nichts mehr weißt. Ich hielt Dich für tot und erwarte hier die Boten, welche mir eine Tragbahre aus Jerusalem bringen sollten." Und der Stamm?"

weit

Slamin zuckte mit den Schultern.

Die Weidepläge sind versengt; er ist fortgezogen. weg... dem glücklichen Yemen zu."

Und Istar?"

Slamin geruhte nicht, eine direkte Antwort zu geben. Aber er wandte sich nach einer verblühten Distelstaude um, pflückte einen von den flockigen Köpfen und blies darauf. Hunderte von winzigen, ganz, ganz leichten, kaum wahrnehm­baren Federchen flogen nach allen Seiten hin und verzogen sich noch rascher als ein Rauchwölfchen.

fielen ihm die Augenlider zu, er stieß einen tiefen Seufzer Einen Augenblick folgte Elias ihnen mit dem Blick, dann aus und verlor von neuem die Besinnung. Drei Tage darauf fehrte er mit dem Heidentum im Blute, und dem Geschmac der Wüste auf den Lippen nach Jerusalem zurüd.

Dritter Teil.

Jahre waren über Jerusalem hinweggezogen. Manches Die Beni Hameidis liebten ihn. Er entzückte sie durch Mal war es unter dem eisigen Winde, der vom Hermon her­seine wunderbare Phantasie und seine Herzensgüte. Den bläst, fröstelnd erschauert; manches Mal hatte es unter dem Männern erzählte er Legenden und Fabeln, wenn die Wacht- Gluthauche der Wüste lechzend gekeucht. Den Zeiten der feuer knisterten und die Eulen schrien. Und den Frauen Pilgerfahrten waren Zeiten der Erstarrung gefolgt, den schenkte er Amulette und Arzneien gegen die Krankheiten ihrer mystischen Weihrauchdüften die Ausdünstungen des aus­Kinder. Man hielt ihn für einen Hafim( Arzt), für einen gedörrten Bodens und der fiebernden Sinne. Pflanzensucher und harmlosen Zauberer.

Wenn aber nachts der Stamm in tiefem Schlummer lag, zog Elias in Slamins Begleitung freuz und quer durch Moab . Wenn sie so in ihren weißen Gewändern um die Totenstädte strichen und in die Grabmäler eindrangen, sahen sie selbst wie Schatten aus, welche den Tod in seiner Ruhe störten.

Elias rizte sich das Gesicht an den Dornen blutig und schürfte sich die Stnie am spigen Gestein ab. Auch setzte er sich dem Biß giftiger Reptilien und dem Ueberfall durch wilde Tiere aus. Er lief Gefahr, lebendig begraben, zwischen ein paar Blöcken eingeklemmt oder von seinem Gefährten im Stich gelaffen zu werden. Dabei lernte er auch alle Kämpfe mit der Furcht und der Dunkelheit kennen, die plötzlichen An­fälle von Hallucinationen, das ängstliche Aufhorchen und zum Schluß die Verzweiflung über gescheiterte Unternehmungen und fruchtlose Anstrengungen. Ueber eine zerbrochene Stele fonnte er außer sich geraten und über das Verlöschen eines Lichtes vor Wut weinen. Oft hatte er zur Anfeuchtung des

Abwechselnd hatte es seinen Rosenkranz gebetet und seine Sutane lustig geschwenkt.

Auch über Elias varen die Jahre hinweggegangen und hatten Silberfäden unter sein braunes Haar gewebt. Zwei senkrechte Falten freuzten seine hohe Stirn, und unter seinen müden Lidern blickten die schwermütigen, gläubigen Augen mit traurigem, verschleiertem Ausdruck hervor. Aber sein Mund, der jung und rot und fest geblieben war, verriet noch Willenskraft und Lebensfreudigkeit.

Er hatte gelebt; er hatte gestritten.

Er hatte den Wonnerausch eines Gottes wie auch die Leiden eines Gelehrten kennen gelernt.

Eine Welt hatte er geschaffen, sein erträumtes Ziel jedoch nicht erreicht.

Oft seit jenem ersten Male hatte er den Jordan über­schritten. Von einem Ende zum anderen hatte er die Wüste durchstreift, das sandige Leichentuch von den Tempeln hinweg­gezogen und dem Tode seine Geheimnisse entrissen.