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ist der älteste. Die Bauern vererben ihr Gut hier nicht, wie in anderen deutschen Gegenden, auf den ältesten, sondern auf den jüngsten Sohn. Den Martin, der zwei Brüder über sich sieht, packt als zwanzigjährigen Menschen die Lust, nicht mehr den Knecht des Baters und des Bruders zu spielen, sondern sein Geschid selber zu lenten. Er sieht in den Revolutionsjahren die Preußen durch das Tal ziehen, hört Lieder fingen, wie er fie nie vernommen hat, schnürt sein Bündel und geht auf gut Glück nach der Stadt, guter Dinge, obwohl ihm der Vater voraussagt, er werde nicht anders heimkommen als mit einem Verrudtentopp". In der Stadt findet der Martin feine Stellung als Kutscher bei Herrelit", auf die er's abgesehen hat, sondern er wird Hausknecht in der Taube". Aber er ist bald mehr; der erklärte Liebling alles Weibervoltes der Küche. Er spielt den Koch, so oft er Zeit hat, und tauft auf dem Markt billiger und schneller ein als die Mägde, bei seinen Bekannten, die ihn zum Wohlgefallen des Wirtes an den Markttagen auch an der Stätte der Erquidung besuchen. So steigt er weiter im Ansehen und wird Oberbefehlshaber über das gesamte Küchenpersonal. Alle Einkäufe besorgt er auch ferner selber, er läuft ohne Unterlaß durch die Gaffen zum Bäcker, Metzger und Kaufmann, die Zipfelmüße auf dem Kopfe, das Körbchen am Arm. Zehn Jahre ist er auf dem Posten; für alle Gäste der Zaube" und faft für die gesamte Bürgerschaft ist er der Marie geworden. Da rafft der Sensemann daheim seinen Bruder fort. Der Marte wird heimgerufen, bindet die Küchenschürze ab, hängt das Körbchen an die Wand, und pflicht bewußt, wie er ist, wandert er drei Tage und drei Nächte, bis er wieder auf der ihm vertrauten Erde steht. Als die Sonne eben aufgegangen ist, langt er vor dem Dorfe an. Es ist Frühjahr, und durch die meisten Felder ist längst der Pflug gegangen; nur einige Aecker des Kirchbauern sind noch unbearbeitet, und der Pflug liegt ungebraucht am Raine. Der Tod hat diesmal die Sense ge­schwungen, ehe noch recht angebaut war.

Neben einem der unbearbeiteten Meder ist schon ein Mädchen mit der Sichel tätig, des Mattenbauers Theres, eine Schulfameradin des Marie. Trotz der langen Trennung erkennen sie fich sofort; er geht ohne Umstand auf sie zu und fragt, ob sie ihm das Feld pflügen helfen wolle, da kein Stündlein Zeit zu verlieren sei. Sell isch sicher!" antwortet sie. Der Marie spannt den Ochsen von ihrem Wagen, legt ihn an den Pflug und beginnt die Arbeit, ohne noch einen Blid in seinen nunmehrigen Hof getan zu haben. Wenn er schon Bur" sein solle, wolle er erst erproben, ob er noch buren" fönne, sagt er. Als er vor Hunger nicht weiter tann und ein Stück ihres Brotes verzehrt, padt das Mädchen den Pflug und lenkt ihn, bis der Rest des Ackerstückes nach frischer Erde duftet. Der eben der städtischen Küche entronnene Mann prüft ihre Arbeit, verspricht ihr, bei nächster Gelegenheit auch ihr zu helfen, und sie ziehen mits einander ihren Höfen zu. Nach einigen Tagen schon steht er im Sternenfcheine vor ihrem Fenster und wirbt mit dem alten Gefang:

Was sage denn die Leut, Daß uns das Lieben so freut?"

Und sie sagt ihm die Antwort:

Die Leut sage allezeit:

' s Liebe goht weit und breit!"

Ein paar Monate darauf wirtschaften der Marie und die Theres als Mann und Weib. Jetzt ist der Marie ein Greis, dessen Sohn auf dem schönen Bauernhofe schafft und dem das Libdighüsle eine Wohltat ist. Die dienstwillige Pflügerin hat Mutter Erde längst als ihr müdes Kind zugedeckt zum gemeinsamen Schlummer mit anderen Müden. Und wer den Marie ausforscht, ob er den da­maligen schnellen Entschluß, der Theres Schicksal und seines zu berketten, nie bereut habe, erhält die Antwort: Ha nei! Selle isch die Best gii!"-

( Nachdruck verboten).

Wie gehts Dir, Hodja, der Friede Allahs sei mit Dir!" be ginnt der Wirt nach minufenlangem Schweigen. " Gut, Dank dem Ewigen!"-

sagt

" Und Dir, Schlaufuchs? Auch mit Dir sei der Friede Allahsl der Wirt herablassend dem anderen, einem Zigeuner. Gut, Dank dem Ewigen!"

Dann schweigen sie wieder einige Beit es ist ein morgen­ländisches Gespräch.

Und wie gehts Dir abermale, Hodja- der Friede Allahs sei mit Dir-?"

Gut, Dant dem Ewigen!"

Nach einer neuen Pause fährt der Hausherr fort:

Und was hat Dich in die Gesellschaft dieses Schlaufopfes ge­bracht, frommer Sohn?"

Der Hodja( Priester) schtveigt.

" Jst er etwa tein Schlaufopf, der Zigeuner? Ihrer einer hat einst den Sultan betrogen."

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Die Gäste horchen auf. Denn nicht die Pritsche allein macht den Han Slender Agas berühmt, sondern auch des Wirtes Erzählungen, mit denen er die Gäste unterhält, er, der reiche Mos­lim, der seinen Han nur aufgetan hat, um immer Gesellschaft zu haben. Ja da war einmal ein Zigeuner, listig wie Du und alle Deines Stammes, der an nichts anderes dachte, als die Welt recht zu betrügen. Er hörte einft, daß der Sultan dewleti ali, gnädige Hoheit! einen Schmied brauche, der die kaiserlichen Pferde mit Gold beschlagen sollte und ging schnurstrads nach Stambul in dewleti ali den Serail und bot dem Sultan feine Dienste an. Was berlangst Du an Lohn?" fragte der Beherrscher aller Gläubigen, die ihm von Allah Gutes wünschen. " Jch, geehrter Sultan , heische keinen anderen Lohn als den: Du mögest befehlen, daß mir jeder, der sich vor seiner Frau fürchtet, öffentlich zwei Bara geben muß.

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Der Sultan ist lachend einverstanden und gibt ihm den Freibrief, daß er öffentlich von jedem, der sich vor seiner Frau fürchtet, zivei Para verlangen dürfe.

Der Zigeuner geht an seine Arbeit. Nach einigen Tagen tritt er wieder vor den Herrscher und ruft aus voller Stehle:" Padischahl Ich hab Dir zu Deiner Freude ein Mädchen gebracht, an die fünf­zehn oder sechzehn Jahre alt, vierzig Ofa schwer und rosig wie eine Fee."

" Sprich leise, Unglüdsmensch," flüstert der Sultan , meine Frauen tönnten Dich hören!"

" Zvei Bara, Badischah! Zwei Paral" Und der Zigeuner tanzt vor Freude auf einem Bein. Da hat der Sultan seinen Freibrief um schweres Gold zurüda getauft."

Als sich das Lachen gelegt hatte, begann der Hodja: Wie sollte ein Zigeuner nicht den Sultan betrügen fönnen, hat doch ein Zia geuner einmal den heiligen einzigen Muhammed selber betrogen, Und das war fo:

Die Stute Saklawi, der Allah das Glück beschieden, seinen Abgesandten tragen zu dürfen, hatte ihre Hufeisen verloren, und ein Zigeuner, der am Wege lagerte, hatte sie beschlagen.

Da wollte ihm Muhammed alejhi selam we sellem zahlen, er aber same, wie er den Abgesandten betrügen könnte.

" Eh, mein goldener Heiliger," begann er, wenn Du errätst, was man zu einem gut beschlagenen Pferde braucht, solle miz Deinen heiligen Dank. Errätst Du aber nicht, dann zahle für jeden Nagel so viel, wie andere für ein Hufeisen.

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Gut," sprach Muhammed alejhi selam! ist das so schwer zu erraten? Zu einem gut beschlagenen Pferde braucht man bier Eisen und vierundzwanzig Nägel, Hammer und Zange. Hab ichs erraten?"

" Onein, Heiliger! Sieh her ist Dein Pferd gut beschlagen?" Es könnte gar nicht besser sein?"

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Jn Skender Agas berühmtem Dan. Beutel und zahlte fo viel, wie ſonſt ſechs bezahlen."

Von Roda Roda .

Auf der Höhe der Kraljewa Gora, dem Königsberge, den das Lange Tal der Tara vom montenegrinischen Drobnjat trennt, im Baffe von Dragaschi, steht Stender Agas berühmter Han.

Was ein Han ift? Das Wort stamunt aus dem Persischen, wo es Khan" lautet, und der Name ist das einzige, was sich auf dem Wege vom Euphrat an die Drina geändert hat.

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Ein Han ist ein eingezäunter Platz, dazu ein Schuppen von Holz, eine elende Hütte ohne Herd und Rauchfang, ein Tor. Und wenn das alles fehlte der Schuppen, die Hütte, das Tor, ja selbst die Einzäunung es wäre immer noch ein Han, ein tür. fisches Cinkerhaus.

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Es brauchte nur ein Windschirm aus Ziveigen da zu sein, ein Mann mit wettergebräunten Zügen und weiten Bluderhosen, eine Sohlenpfanne, eine Sutferlanne, Sabat und Kaffeebohnen.

Stender Agas Hen ist aber fein gewöhnlicher Han. Er ist ob Hat er doch einen geftampften Lehm feines Komforts berühmt. Hat er doch einen geftampften Lehm boden, eine Feuerstelle und eine Pritsche, die an den rußigen Wänden Hinläuft.

Und drinnen am Feuer fist der ansehnliche Wirt und pafft mächtige Wolfen, ihm zur Rechten und Linken zwei Reisende, wie er, mit untergeschlagenen Beinen.

Nun fich braucht es Eisen? Nägel? Zange? Hammer?" Stumm griff Muhammed alejhi selam! nach seinem Die beiden Moslim fchmunzelten, während der Zigeuner leb. haft lachte.

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Eh, da weiß ich einen besseren Schwant!" rief er.- Fallen da eines Sommertages die Heufchreden in die Saaten. Zuerst freffen fie des Popen Garten tahl und jetzt hausen sie in dem des Richters. Man läutet die Sturmglode, das ganze Dorf strömt mit Haden und Schaufeln, Herten und Sägen herbei, um Gräben zu ziehen und Holz fürs Feuer zu bereiten. Mit den anderen der Enkel meines Großvaters, der's schon lange auf den Richter abgesehen hatte.

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Ruhig Blut, Kinder," mahnt der Richter." Bleibt alle draußen vor dem Garten, bis ich" Sturm!" rufe. Dann aber stürzt Ala herein und tötet von den Heuschreden so viele wie möglich." der Richter Sturm!" ruft, fißt ihm eine Heuschrecke gerade auf der Stirne. Bum, hat sie mein Verwandter mit der Agt erschlagen, Während die Männer drinnen über die freilich den Richter dazu. Heuschreden herfallen, sammeln sich vor der Gartenmauer die Weiber." Nun, wie steht der Kampf?" fragt eine von draußen, des Richters Frau. ,, Gut, Gottlob!" schreit mein Verwandter. Bisher ist einer von den Feinden gefallen und einer von den Unfern."

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" Daran hat Dein Vertvandter nicht wohl getan," sagt Stender Aga und schüttelt das greife Haupt. Nach einer Weile fährt er fort: Po weiß ich eine schönere Geschichte von givei Zigeunern

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