und erklärte mir bestimmt, daß er mit Wechseln noch nie etwas zu schaffen gehabt habe. ES hielt mir schwer, ihn wieder zu beruhigen und ihm klar zu machen, daß die Wechselwirtschaft in der Laubenkolonie nichts mit Reitwechseln und ähnlichen Sachen zu schaffen habe, daß man vielmehr damit eine sachgemäße Frucht- folge bezeichne. Die verschiedenen Gemüsearten müssen sich auf dem gleichen Beete folgen,Sie dürfen nicht zwei oder gar drei- mal hintereinander auf derselben Stelle Kohl bauen, der Ertrag geht sonst zurück, Pilzkrankheiten stellen sich ein und verseuchen Ihre Kulturen." Zu beachten ist folgendes: Nach reichlicher frischer Düngung pflanzt man zunächst(in erster Tracht) stark zehrende Gemüse, es sind dies solche, deren Blätter, Blüten und Früchte wir genießen, also Kohlgewächse einschließlich Blumenkohl, Spinat, Salat, Gurken, Kürbisse, Tomaten. Diesen folgen im nächsten Jahr, nachdem vor dem Graben eine leichte Düngung gegeben wurde, die Wurzel- und Knollengemüse, also Rüben. Karotten, Zwiebeln, Sellerie, im dritten Jahre ohne alle Düngung Hülsen- srüchte und Kartoffeln. Peinlich genau läßt sich diese Wechsel- Wirtschaft nicht durchführen, weil beim Gemüsebau das Land in einem Sommer oft mehrmals bepflanzt wird, da viele Gemüse von der Saat bis zur Ernte nur 6 10 Wochen erfordern. Wenn Sie Kartoffeln legen wollen, Herr Prictzke, so tun Sie dies etwa am zehnten April. Da kommen freilich nur bessere «orten in Frage, denn gewöhnliche Sorten kauft man billiger. Eine gute Kartoffel ist eine Delikatesse. Gute Frühkartoffeln sind die Sechswochenkartoffcln und die Sorte Perle von Erfurt , herrliche, sehr ertragreiche Winterkartoffeln sind die Sorten Vor der Front und Dorfgrobschmied; letztere ist außerordentlich mehlreich und für mick als Pellkartoffel das, was vielleicht für einen Lebemann eine Auster, dabei ist sie sehr dick." Gegen dicke Kartoffeln zeigte aber Prietzkc ein Vorurteil, er glaubte, die anderen Kolonisten könnten ihn damit hänseln, weil im Volke die Annahme eingewurzelt sei, daß nur die dümmsten Bauern die dicksten Kartoffeln hätten. Ich setzte Prietzke auscin- ander, daß der Volksmund mit diesem Spruch nur sagen wolle, daß der ungebildete Bauer weit bessere Erfolge als ein über- studierter Großgrundbesitzer erziele. Auf allen Gebiete» mensch- licher Tätigkeit unterscheidet man Praktiker und Theoretiker.Der einseitige Praktiker." so etwa sagte ich zu Prietzke,ist ein Mann, der seine Arbeiten ausführen kann, sie aber nicht versteht, das heißt, er kann sich keine Rechenschast über das Warum und Weil geben, im Gegensatz dazu ist der einseitige Theoretiker ein Mann, der Ihnen eine Sache haarscharf erklärt, ohne sie selbst ausführen können. In der Praxis würde ich natürlich mit dem be- 'chränktesten Bauer besser als mit dem klügsten Professor zurecht- kommen. Am besten fahren wir aber, wenn wir Praxis und Theorie vereinen, ein einseitiger Praktiker ist und bleibt ein praktischer Stümper, Theorie und Praxis müssen speziell beim Gartenbau Hand in Hand gehen." Wir waren im Verlauf des Gespräches glücklich in Fredersdorf «landet und befanden uns auf dem Weg zur Kolonie MbertShain. Als Prietzke mein Grundstück in der Ferne auftauchen sah, be- fchlcunigte er seine Schritte. Bald standen wir vor dem Tore, nun aber siutzie er. Die große» Tafeln mit der InschriftWarnung! Fußeisen!" hatten ihn kopfscheu gemacht. Ich beruhigte ihn mit der Erklärung, daß diese Eisen nicht in den Wegen, sondern an mir genau bekannten Stellen der Äultiirbrcte liegen, und daß sich bisher außer meinem Hunde noch nichts Lebendes darin gefangen labe. Nun waren wir auf dem Grundstück, und Prietzke kam gar nicht aus dem Staunen heraus. Manchen Baum und Strauch er- lannäe er nach den Abbildungen meines praktischen Taschenbuches für Garteirfreundc wieder, und die vielen Obstbäume, die er ver- gcblich zu zählen versuchte, imponierten ihm ebenso, Ivie die Erd- becrbccte, die Tauben und Hühner. Solche Stauden, Beeren- sträucher und Obstbäume wollte er nun auch pflanzen, aber ich mahnte ab, weil er zunächst erst in der Laubenparzelle lernen müsse. Aber Erdbeeren, sagte ich ihm, könne er zum Herbst pflanzen, und diese wolle ich ihm dann stiften. Ich erklärte Prietzke nunmehr die den Hauptweg begrenzenden Rabatte» und zeigte ihm, wie diese jetzt mit den billigen Samen der Sonnenblumen, des Mohns, Ritter- spornes, der Reseda besät werden, worauf sich bald ein reicher Flor entfaltet. Blumen müssen wir haben, denn die Schwiegermütter, Tanten, Basen und all die guten Freunde, die uns Sonntags in der Kolonie besuchen, kommen mit leeren Körben und treten meist abends mit dicker, Blumensträußen, mit Rüben,.Kohl und Kar- toffeln schwer beladen den Heimweg em; sie betrachten diesen Tribut als selbstverständlich und reden sich«in, daß das alles den Kolonisten nichts koste, weil es aus der Erde kommt. Wir saßen lange in der noch kahlen, aber mit edlen Reben be- ivachsenen Laube, ich erzählte Prietzke dies und das, auch von den Tauben, und er erzählte mir von den, großen Starkasten, den er auf langer Stange an seiner Laube befestigt habe. Zweimal hat er die frechen Feldspatzen herausgeschmissen, bis endlich Starmatz und Frau ihren Eiryug hielten. Die jungen Stare wird er zur rechten Zeit aus dem Kasten holen, seine Frau wolle sie dann mit Käsequark aufpäppeln und schließlich durch ihre Gesprächigkeit auch zum Sprechen überreden. Als wir schließlich den Heimweg antraten, ivare» wir gute Freunde geworden, und ich trennte mich von Prietzke mit dem Ver- sprechen, ihn demnächst in seiner Laube zu besuchen, und dann nichtig mit zu arbeiten, womit er natürlich einverstanden war. Max Hesdörffer, Kleines feuUleton. dg. Die letzten Gäste. Die Uhr ging stark auf eins, das Lokal war betnah menschenleer, nur in der einen Ecke saßen noch ein paar Damen und Herren um den runden Stammtisch. Ihre Gläser waren fast geleert, allein fie diskutierten noch immer weiter, irgend welche Zeitfragen", die ihnen offenbar furchtbar wichtig waren. Im Hintergrunde des langgestreckten Raumes lehnte der Kellner. Er hatte hier bereits die Tische abgedeckt und die Stühle umgekehrt, nun stützte er sich müde aus den Schenktisch, hinter dem der Büfettier ebenfalls eingenickt war. Sie hatten wohl beide das Recht, müde zu sein. Den ganzen Tag auf den Beinen, nee, wahrhaftig, da» war kein Spaß! Die Augen fielen ihm zu. Ein verworrenes Halbdänunern legte sich über ihn, allerhand Bilder tauchten vor ihm auf, sein Bett zu Hause. Ach, wenn er nur erst da wäre I War er denn nicht da? Ja da stand es ja jetzt legte er den Kopf auf die Kissen, ach war das schön so hinein zu sinken, tiefer, immer tiefer. Ja. ich bin sehr dafür. Wir haben Pflichten gegen die Arbeiter. Sie müssen den Lohn und die Ruhe haben, die ihnen zukommen", sagte eine Stimme. Ein schallendes Gelächter. Der Kellner schreckte aus. Ach, es Ivar also noch nichts mit dem warmen Bett I Er stand noch hier in dem öden RestaurationS» räum, der jetzt auch allmählich kalt zu werden begann. Ein Frösteln lief ihm über den Rücken. Er dehnte und reckte sich. Das Lachen an dem Tisch im Vordergrund klang fort. So, das waren die gewesen, die ihn aufgeweckt hatten? Dann war auch die Stimme von dorther gekommen. Was verhandelten sie denn eigentlich noch? Die schlechte Lage der unteren Stände? Ein verächtliches Lächeln spielte um seine müden Lippen. Na, der lange Prokurist mit seinen dreihundert Mark im Monat mußte es ja ver» stehen, und der dicke Lehmann ans der Spinnerei und seine tvohl» genährte Frau auch. Schlecht genug waren ja die Löhne, die in ihren Fabriken gezahlt wurden. Ob fie da auch so klug schnackten? Wat lachen Sie denn?" fragte der Büfettier,»er auch auS seinem Nicker aufschreckte. Ach, nichts." Na, denn is't ja jut." Sein Haupt sank loieder schwer herab. Der Kellner lachte weiter, aber in sich hinein. JWaS sagte aber da? Fräulein, das immer in allen WohlfahrtSvereinen war?: ES wäre daS schönste, was man könnte den Arbeitern zeigen, daß man ein Herz für sie hätte? Na, warum zeigte sie denn das Herz nicht selber und machte, daß sie nach Hause kam, damit er auch endlich ins Bett kriechen konnte? Er Ivar wirklich nahe am Zusammenbrechen. Er lehnte sidjj schwer auf den GaSofen und stützte den Kopf in die Hand. Seit wann war er nun eigentlich auf den Beinen? Seit acht Uhr früh, siebzehn Stunden, siebzehn Stunden auf den Beinen, abgerechnet die fünfzehn Minuten, die zum Mittagessen übriggeblieben und die mußte man sich auch noch abknapsen; siebzehn Stunden auf und abspringen, auf- und abrennen und laufen, laufen und rennen, und immer in dem Tabaksqualm und dem Bicrdunst! Ach ja, das war schon'n Leben! Und wofür nu eigentlich? Wen» man auch'n paar Jroschen mehr verdiente, kaput ging man auch dabei und noch früher wie die andere». Ach ja I Er seufzte schwer. Waren die da vorn denn»och nicht fertig? Nee, weiß Jott, sie quasselten immer weiter. Die schlechte Lage der unteren Stände machte ihnen wahrhaftig furchtbare Kopffchmcrzeii. Warum sie denn bloß nicht b'ton änderten, was sie selber ändern konnten. Ja, das Herz blutet einein manchmal, wenn man all daS Elend sieht," sagte eine Stimme, fast als ob sie auf seine Gedanken antworten wollte.Aber kann man denn, ivie man will? Man ist doch schließlich auch gebunden; wenn ich meine Löhne erhöhen wollte, wo bliebe ich denn dann?" Ach so, das war der dicke Lehmann aus der Spinnerei. Nun ja, Sohnekin, alle Abend fein soupieren könnteste De dann freilich nicht»nd mit Brillanten protzen und mit Deiner dicken Alten ins Bad reisen auch nicht. Des Kellners Gesicht verzog sich höhnisch. Aber wenn man den Leuten daS Leben erleichtern kann, tut man cS gewiß. Dafür hat man doch ein Herz," sagte eine andere Stimme. EL war die derdicken Alten". Dann macht wenigstens jetzt, daß Ihr nach Hause kommt!" murrte der Kellner in sich hinein, und es schien, als ob seine Worte auf den Tisch vorn gewirkt hätten. Irgend jemand sagte:Aber. Kinder, es ist gleich Viertel Zwei, wir müssen doch nach Haus« gehen I" Die anderen opponierten:Wir sitzen ja hier so gemütlich." Und die Unterhaltung ist gerade so interessant!" So jung kommen wir nicht wieder zusammen." Also schon, bleiben wir noch'n bißchen!" Aber denn müssen wir noch'ne Lage trinken." Ach ja, trinken wir noch siic Lage.... Kell neer!" Wir können ja morgen ausschlafen," sagte das Wohlfahrts- fräulcin vergnügt, während der Kellner mit müden Bewegungen die leeren Gläser zusammensetzte. Theater. Neues Theater. Cäsar und Cleopatra. Eine historische Komödie in 5 Akten von Bernard Shaw , Teujschj