Sm Vater TeinigeS bestell' nur, er nwcht' das Hornvieh gleich dabehalten, anstatt es zu uns zu schicken." Ter Junge faltete das Zeugnis ruhig zusammen, ohne einen Blick darauf zu werfen, und steckte es in die Tasche. Das ärgerte den Lehrer. Aber er griff nach dem Hut, rief der Klasse noch das üblicheVergnügte Feiertage" zu und wollt' zur Tür hinaus. Mit einem Male war Valentin Zmur'o aufgestanden. Herr Toltor," sagte er,»ehe Sie fortgehen, möchte ich noch bitten.. Er machte eine ungeschickte Handbcwegung, die so viel heißen sollte wie: Bleiben Sie noch gefälligst! Die Klasse war schon im Aufbruch begriffen. Erst als Dr. Freetz sprach:Ranu, was willst Du denn noch?", ward sie aufmerksam. Und der Schüler, in seiner schwerfälligen Sprechart, erwiderte langsam, ruhig, aber in einer hartnäckigen Bestimmtheit: Ich will" Ihnen vorlesen, was ich mir in diesem Heft notiert Hab'. Da steht, wie Sie inich von Michaeli ab geschimpft haben." Plötzlich wurde es ganz still. Fassungslos trat der Ordinarius einen Schritt zurück. Er brachte leinen Ton heraus. Man hörte nichts nur einmal das Knittern eines Zeugnisses. Und wieder die schwersällige Stimme mit dem fremden Akzent: Hornvieh oder Rindvieh haben Sie, Herr Doktor, vierund- dreißig Mal gesagt. Weil ich rotes Haar Hab', haben Sie, Herr Doktor, vierzig Mal mich gehöhnt. Weil--" Zmurkol" schrie der Lehrer.Bist Du verrückt?" Ich bin nicht verrickt." Und hartnäckig:weil ich keine neuen Bücher l" Schweig'!" rief Dr. Freetz gell.Sonst sollst Du'was er- leben 1" Er war totenblaß. Ich werde nicht schweigen. Sie, Herr Doktor, haben ein ganzes Jahr geredet, und ich Hab' nichts gesagt. Nun rede ich auch!" Das wird ja immer besser-- Ungehorsam!" schrie der Ordinarius.Mensch, ich schlag Dich halb tot!" Und blaurot vor Wut sprang er auf ihn zu und hob die Hand. Wer Valentin Zmurlo wich keinen Schritt zurück. Er kam nicht aus seiner Ruhe. Er hob nur gleichfalls eine seiner groben Tatzen: Wenn Sie, Herr Doktor, mich hauen, werde ich auch hauen. Was ist da weiter?" Dr. Freetz hatte, als er die Bewegung sah, den Kneifer vom Gesicht gerissen. In dem jetzt wieder totenblassen, blutleeren Ge- sicht sah man tiefrot die beiden Einschnitte der federnden Bügel des�Klcimncrs. Niemand rührt sich vom Fleck," rief er heiser.Ich hole den Herrn Direktor." Doch mit einem einzigen Schritt war der Rotkopf an der Tür, schloß sie ab und steckte den Schlüssel in die Tasche. Wie gelähmt saßen die anderen Schüler. Was da bor sich ging, faßten sie nicht. Starre, erschrockene Augen überall. Ter Jüngste hatte ein Gesicht wie eine Leiche. Ter Untertiefer hing ihm schlaff herunter, als hätte er nicht mehr die Kraft, den Mund zu schließen. Ter Lehrer wandte sich. Langsam die hohe Gestalt schwankte etwas schritt er zum Katheder, faßte mit einer Hand danach, drehte sich wieder den Schülern zu. Alle Muskeln schienen sich an ihm zn spannen, auf der Stirn waren die Adern empor- getrieben, die schmalen Lippen verschwanden fast, so preßte er sie aufeinander. Mit unheimlicher Anstrengung zwang er sich zur Ruhe. Das ist... Rebellion," sprach er, leise fast, mit trockner, spröder Stimme.Wie kommt der Schlüssel ins Schloß?" Er allein stand, und vorn,> in der Bank neben der Tür, Valentin Zmurlo. Der gab Antwort:Gestern war der Arresttag. Sie, Herr Doktor, haben uns eingeschlossen." Es soll sofort geöfftrev werden." Ich werde öffnen, jedoch muß ich dieses sagen. Sie, Herr Toltor, haben mich ein Vieh genannt, weil ich einem schlechteren Kopf habe wie andere. Ich aber war serr fleißig. Sie haben mir das Heft hingeworfen, als ob ich ein Hund bin. Ich bin so loenig ein Hund wie Sie. Sie denken, Sie können das tun, weil ein Schüler nicht widersprechen darf. Sie, Herr Doktor, haben gehöhnt, weil ich rotes Haar Hab'. Im Torf haben das die Kinder auch getan, aber der Lehrer im Dorf hat ihnen gesagt, daß tun nur Straßenjungen. Sie haben mich verspottet, weil ich einen schlechten Nock Hab', und nur die alten Bücher, die billiger sind, und einen serr armen Vater. Mein Vater spart das Geld für mich jeden Tag. Denn der Lehrer im Torf hat ihm gesagt, daß ich viel lernen soll, weil man dadurch gut wird. Sie, Herr Dicktor, haben viel gelernt, aber Sie sind nicht gut. Sie verspottew die Armen und auch ihre Eltern. Aber ich lass' meinen Vater nicht verspotten. Sic sind ein serr schlechter Mensch. Das sage ich Ihnen vor allen Schülern. Denn Sie haben mich auch vor allen gehöhnt und den Förster gezwungen, mich ein Vieh zu nennen, das in den Stall gehört. Und meinem Vater wcrd' ich sagen, das viele Lernen nützt nichts zum Gutwerden.> Und ich werde nicht wiederkommen, sondern zu Hause bleiben, Denn im Stalle ist es besser, als in Ihrer Klasse. Dasselbe denken die anderen auch, aber sie haben Furcht vor Ihnen und sagen es nicht. Sie haben gefragt, ob ich mich nicht schäme. Herr Doktor, wer hat sich zu schämen Sie oder ich?" Zum erstenmal kam in die ruhige, hartnäckige Stimme ctwaö wie Erregung. Sie oder ich?" fragte sie noch einmal. Und derMeister Ungeschlacht" stand breit und massig in der Bank, und er streckte in dieser ersten Erregung den Zeigefinger aus aber auch das erschien ungelenk, als ob er seine Glieder nicht recht beherrschte. Tann atmete er tief. Es hatte alles geklungen, als hätte er sich Wort für Wart darauf präpariert. In den Tagen und Nächten vieler Monate mochte er es auch in seinem Schädel gewälzt haben» ehe es diese Form so spröde und eckig sie war bekommen hatte.! Dr. Freetz war, als höre er nichts, ans Fenster gegangen. Er trommelte mit den fein polierten Nägeln an. die Scheiben. Aber die hohe Gestalt zitterte. Er wußte, daß nach dieser Szene bor der ganzen Klasse seines Bleibens hier nicht mehr war. Daß er durch unerbittlichste Strenge zwar auch weiterhin einen äußeren Respekt bei den Schülern er» zielen würde, daß aber der innere heute den Todesstoß erhalten hatte. Er konnte nichts tun: er war machtlos. Es gab nur eins: möglichste Ruhe und Würde bewahren, um durch vergebliches Auf» begehren nicht noch lächerlich zu werden.> Valentin Zmurlo aber packte langsam seine Bücher zu» sammcn. Adieu Ihr!" sagte er mit seinem gutmütigen Lächeln zur Klasse gewandt.Wenn einer von Euch nach Podlicc kommt* nun, ich würde mich serr freuen." Und ruhig zog er den Schlüssel aus der Tasche, schloß auf und ging langsam, in seiner massigen Schwerfälligkeit, in dem aus- gewachsenen, schäbigen Röckchcn, aus der Tür. Man hört« seine ruhigen, bedächtigen Bauernschritte nicht nur aus dem Korridor tönen, sondern auch noch von der Steintrepp� her, die aus dem Gymnasium hinaus und ins Freie führte. Kleines feiriüeton. e. s. lieber denneuen Stil" sprach am Mittwoch H c n r h van de Velde im Verein für deutsches Kunstgewerbe. Er ging davon aus, daß unsere moderne Zeit in der Kunst die Logik der Linie entdeckt habe, während alle anderen Zeiten bis zurück zur Frühgotik, in ihren künstlerischen Arbeiten den Schmuck liebten, der äußerlich angesetzt war. Blumen, Blätter, Säulen mid Säulchen überall, daran freuten sich die Menschen. Nur keine Einfachheit, nur keine Logik. Das Gefühl für den RhthmuS der Linke war verloren gegangen. Im Zusammenhange damit betonte man den sentimentalen Inhalt. Jedes Ding sollte irgend etwas erzählen, einen Vorgang illustrieren. Selbst Architektur und Kunstgelverbe sollten hier mit» tun. Und so sehen wir das Vorherrschen sentimentalen Gefühls auch in diesen wesentlich praktischen Künsten. Renaissance, Barock und Rokoko gingen gegen die Logik und Einfachheit an, als sie ihre überladene Ornamentik an die einfachen Dinge des Lebens hefteten. Es war eine Stilsprache, die nichts nach dem Sinn und dem Zweck des Gebrauchs fragte. Dann kam die Revolution und mit ihr das reinigende Gewitter» da? über Europa hinfegte. Eine Folge dieses Ereignisses war der Empirestil, der sich in England als Chippeiidalestil, in Deutschland als Biedermeierstil Geltung verschaffte. Aber so einfach er sein wollte, so nützlich die Reaktion war, zur wirklich organischen Neu« bildung drang er nicht bor. Es blieb bei der MKHode, den Dingen äußerlich ein Ornament anzukleben, das Schmuck sein sollte. Und diese Epoche währte auch nicht lange. Dann begann die Hochflut der Stilerzeugnisje, die alle vergangenen Stile wieder auf» ivärmten, sich in Renaissance, Barock und Rokoko noch einmal ver- suchten»nd so von einer an sich unsinnigen Sache noch einmal eine charakterlose Jnntation gaben. Es ist die Zeit der Nachahmer und Kopierer, die noch nicht vergesse» ist. In diese Zeit, führte der Redner aus, fällt unsere Entwickelnng. Wir wuchsen in einer Umgebung ans. die an Häßlichkeit und Blöd- süm ihresgleichen nicht hatte. Wir sahen uns von Gegenständen umgeben, die uns lieblos betrachteten, zu denen wir kein Verhältnis hatten. Unser Leben spielte sich in einer Umgebung ab, die nichts von unserem innersten Wesen an sich hatte. Mit nichtssagenden, sklavisch kopierten Ornamenten überhäuft, waren sie sinnlos und grotesk an der Oberfläche und unpraktisch in der Konstruktion. Diese Sinnlostgleit war das Kennzeichen dieser Epoche. Eine Epoche des tumultuarisch sich geberdenden Blödsinns, neben die keine ähnliche in der Entwickelungsgeschichte der Zeit gestellt werden kann. Allmählich begann eine Umbildung. Neue Anschauungen lockerten