Nr. 23.
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Norwärts
8. Jahrg.
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Fernfpredjer: Amt 6, Nr. 4106.
Redaktion: Beuth- Straße 2.
Mullerwerkstätten.
Mittwoch, den 28. Januar 1891.
Aber gerade der entgegengesetzte Weg ist eingeschlagen worden. Die Verwaltungen der Staatswert
Expedition: Beuth- Straße 3.
das richtige Erfassen der Zeitströmungen, wie sie sich in den Bestrebungen der erleuchteten Geister und nachher auch mehr oder weniger kräftig in der Gesetzgebung und schließlich in der Auffassung der nach innerer und äußerer Befreiung ringenden Schichten des Voltes geltend machen. Eine solche Zeitströmung ist die Fürsorge für das Wohl der gedrückten Klassen durch Verbesserung ihrer Existenzbedingungen und bürgerliche Gleichstellung von Arm und Reich.--Wenn Gemeinden, Kantone oder der Bund eigene Werkstätten betreiben, so dürfen sie es daher den Leitern der letztern nicht gestatten, die Arbeiter nach Willkür zu behandeln oder an sie Forderungen zu stellen, welche es ihnen erschweren oder verunmöglichen, zum Zwecke der Verbesserung ihres Looses zu Gewerkschaffen oder Vereinen sich zusammenzuthun; sie dürfen ihnen ferner nicht erlauben, das durch Verfassung und Gesetze allgemein gewährleistete Vereinsrecht für ihre Arbeiter dadurch illusorisch zu machen, daß sie ihnen, sobald es benutzt werden möchte, mit Entlassung drohen."
Das Blatt benutzt gleich die Gelegenheit, die Ab
Es bestehen noch weitere Etablissements, wo eine genaue Nachfrage darüber, in welchem Sinne sie mit Bezug auf das Verhältniß zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer geleitet werden, ergeben könnte, daß es an dem weitherzigen Geist, der hier regieren sollte, fehlt. Man läßt dort den Arbeitern äußerlich zwar alle Freiheit, aber man zeigt ihnen doch, daß es sehr mißfällt, wenn sie Arbeitervereine bilden, wenn sie sozialistische Propaganda treiben, oder wenn sie gar den 1. Mai zu einem Arbeiter- Feiertag erheben möchten, und gelegentlich läßt man sie auch dafür büßen. Wir denken dabei an das ein und andere eidgenössische Etablissement, und be= dauern, daß diese noch nicht Musterwertstätten genannt werden können, wo die Arbeiter nicht nur Arbeit und entsprechenden Lohn, sondern außerhalb Der Arbeitszeit auch ein voll und ganz aner tanntes Recht auf freie Bethätigung in Vereinen u. s. w. finden."
Ein Bischen Vereins- und Versamm- stätten haben es den Beamten und den Arbeitern direkt Iungsrecht steht bei uns wohl auf dem Papier; in untersagt, sich an Verbindungen zu betheiligen, die nicht Wirklichkeit existirt es aber nur für Diejenigen, welche nach dem Geschmack der Regierungen sind. In den den herrschenden Klassen nicht gefährlich erscheinen oder Werftordnungen, in den Arbeitsordnungen für die für diese selber. Für den Arbeiter ist dies erste aller fiskalischen Bergarbeiter und die Eisenbahnarbeiter sind politischen Rechte tausendfach beschnitten und verstümmelt, solche Vorschriften enthalten, und wo sie nicht geschrieben auch nach dem Falle des Sozialistengesetzes. Dem Kapi- ftehen, da wird eben so gehandelt. Am weitesten sind talisten- und großen Unternehmerthum ist Nichts so verhaßt, natürlich die Militärbehörden gegangen, welche es sich zur als wenn die Arbeiter in Masse zusammentreten, um ihre Pflicht machten, keine Lieferungen an Unternehmer zu verAngelegenheiten selbständig zu berathen, weil aus diesen geben, die sozialdemokratische Arbeiter beschäftigen. Berathungen gewöhnlich neue Arbeiterorganisationen her- Unter dem System Buttkamer gediehen alle vorgehen oder die alten eine Stärkung erfahren. Die diese Dinge zur höchsten Blüthe und der Unternehmer, der Gewerbe- Ordnung, die keine bestimmt formulirte Arbeits- seine Arbeiter am meisten Knebelte, konnte gewiß sein, bei Ordnung enthält, läßt den Kapitalisten die Hand frei und dem famosen Polizeiminister darob in Gnaden ange- stellung solcher Mißbräuche in allen Fällen zu verlangen, stellt den Unternehmer und Arbeiter angeblich gleich, indem schrieben zu sein. Herr von Buttkamer war gleich bereit, indem es sagt: sie den Arbeitsvertrag der freien Vereinbarung" die Verdienste" solcher Herren um die deutsche Industrie überläßt. In Wirklichkeit ist nur der Unternehmer dabei rühmend anzuerkennen. frei; der einzelne Arbeiter kann keine Bedingungen Das ist glücklicher Weise nicht überall so, und so machen, weil sich der Unternehmer jederzeit aus der dürfen wir hoffen, daß es auch bei uns einmal Reserve Armee " andere Arbeitskräfte aus- anders wird. suchen kann. So tommt es, daß dem Arbeiter, der Wir sind von den sozialen Zuständen in der Beschäftigung braucht, so häufig die Bedingung auferlegt Schweiz gewiß nicht allzusehr begeistert. Auch das wird, der Organisation seines Gewerkes, sowie dortige Fabrikgesetz bedarf noch einer enormen Ausden politischen Organisationen der Arbeiterklasse ferne zu bildung, wenn es wirksam werden soll. Aber es ist ein bleiben. Dieser Terrorismus wird bis zum Aeußersten guter Anfang und es hat einen anderen Geist in die Begetrieben; man erinnert sich doch daran, wie die Ham- völkerung gebracht, auch in Sachen des Vereinsrechts. burger Kapitalisten den Versuch gemacht haben, auf diesem So hat jüngst der Direktor des Bernischen Gas- und Wege alle Arbeiter- Organisationen in Hamburg zu ver- Wasserwerkes furz und brutal erklärt, er werde diejenigen nichten. Die Kundgebungen einzelner Unternehmer, nament- Arbeiter, die einer Gewerkschaft angehörten oder sich zu lich in kleinen Städten und auf dem Lande, fönnten manch- einer solchen zusammenthäten, sofort entlassen. Zu diesem mal, wenn man nicht anders wüßte, den Glauben er- schneidigen" Auftreten hatte der Herr Direktor gewiß in aber es mögen sich unsere deutschen bürgerlichen Sozialwecken, als befänden wir uns in einem Zeitalter der unserem lieben Deutschland sich sein Vorbild gesucht. Bei politiker einmal von dieser Stelle gesagt sein lassen, was Sklaverei, denn das Theilnehmen der Arbeiter an uns würde auch in der That solch ein Beamter ob seiner eine Musterwerkstätte ist. Bei Leuten, die sich eine gewisse der Arbeiterbewegung, die Zugehörigkeit zu einem Verein rettenden That" von den Bourgeoisblättern eifrigst be- Unabhängigkeit des Denkens und Handelns bewahrt haben, und dergl. wird da zuweilen geradezu zum Verbrechen lobt worden sein; er wäre sogar Anderen zur Nach- iſt eine solche denn doch etwas ganz Anderes, als bei gestempelt und die Arbeiter werden als Menschen ahmung empfohlen worden. In der Schweiz ging es unseren Herren Bureaukraten und Denjenigen, welche sich nie deren Grades hingestellt, denen keineswegs, wie allerdings ganz anders. Dort wendete man sich nicht nur auch in der Sozialpolitik mit der bureaukratischen WeisAnderen, zusteht, sich in Vereinen zusammenzuthun. Man an die städtischen Behörden, was man bei uns von vorn- heit begnügen. nennt diese Anschauungen patriarchalisch, d. h. Die herein als ganz aussichtslos hätte betrachten müssen; auch Bei uns beklagt man sich immer, daß die Arbeiter Herren Kapitalisten halten sich selbst für so ehrwürdige die Presse nahm entschieden Partei für die Arbeiter und auch mit allem unzufrieden seien. Das ist zwar Erscheinungen, wie die Erzpäter der Bibel. Dies famose forderte die Behörden auf, das Vereinsrecht der Arbeiter nicht richtig; wo es aber so ist, hat es seinen Grund. System gipfelt bekanntlich im Königreich Stumm. zu schützen. Versuche man es doch einmal mit solchen MusterWir wollen anführer, wie der Winterthurer Land- werkstätten, die zugleich ein Vorbild für die Privatbote", ein sehr angesehenes Blatt, zu dieser Sache Stellung industrie fein sollen, ob sie keine Anerkennung finden. nimmt. Er schreibt: Bis jetzt existiren solche nirgends im Deutschen Reich.
Und der Staat? Wäre es nicht eigentlich seine Aufgabe, hier mit gutem Beispiel voranzugehen und zu zeigen, daß die Gleichheit vor dem Geseze respektirt werden muß, daß der Kapitalbesitz noch kein Recht verleiht, dieselbe aufzuheben?
Feuilleton.
Nachdruck verboten.]
Bei Mama.
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" Zu den sittlichen Prinzipien, welche für die Handlungsweise der Behörden maßgebend sein sollen, gehört vor Allem
nicht. Das hatte Fanny längst bemerkt. So ging das Ganze wegen Grethe in die Brüche;- das war gräßlich abscheulich von Grethe Magnesen.
Der„ Landbote" ist kein sozialdemokratisches Organ,
Leben auf Erden. Wer seinen Vater oder seine Mutter verwünschte, mußte gewiß sterben. Wer seine Mutter erzürnte, war vom Herrn verflucht.
Ach, wenn Gott sie doch verschonte und sie noch eine Weile leben ließ, so würde es wohl anders. Sie wollte ein anderer Mensch werden. Sie wollte nichts
Fanny ging zu Kaplan Holck von der Vestre AkersKirche. Dieser Holck war auch ein tüchtiger Priester, wenn gleich lang nicht so gescheit wie Pastor Löchen. Er war auch nicht so schön. Er war fast häßlich; sein Antlitz als gut sein gegen ihre Mutter. Brennend vor edlen war lang und wie schief, die Nase dünn und mit einem Vorsätzen ging sie heim. Arme Mama; sie hatte schrecklich leichten Buckel, der Mund schmal und traurig, die Haut- viel gelitten. Nichts als Schlimmes hatte sie gehabt. Nur Denke Dir nur, Fanny! Er hat Häuser, da und farbe schusterbleich; die Augen sahen aus wie ein Paar Mühe und Plage, mur Kummer und Elend. Und dann dort, rund in der Stadt- ja, ja, Lea ist immer Schlitzer unter den Brauen. Die ganze Geſtalt war hager machten ihr nicht einmal die Kinder Freude. Sogar Lea ein vernünftiges Mädchen gewesen!... Nun, gottlob, und die Art der Bewegungen langsam und steif. Er war nicht wie sie sein sollte gegen Mama. Denkt Euch, seine gottlob! Du wirst schon sehen, nun wird es besser, schaute fürchterlich betrübt aus. Auch seine Stimme erschien Mutter im Glend lassen, wenn man selbst reich geworden! auch für uns. Ach, ich hoffe, die ärgste Zeit ist nun vorbei. betrübt; sie klang still und schmerzlich, als spräche er in Es war schändlich von Lea; schändlich war es; Mama Gott sei Dant, Gott sei Dank! Es tam übrigens nicht einer Krankenstube. Er lachte fast niemals. Allein lächelte hatte guten Grund, mißvergnügt zu sein. Und dann die zu früh!" er dennoch, so wurde er plötzlich fast hübsch. gräßliche Geschichte mit Tom. Es schien, als wollte sich Mama war ordentlich gerührt. Aber Fanny versank in Er war außerordentlich geschickt im Erklären des alles Uebel gegen Mama verschwören. Die Arme, sie hatte allerhand Grübeleien. Ratechismus. Die zehn Gebote wurden Fanny ordentlich begonnen, ein wenig auf Tom zu hoffen;„ es Hui, man war kaum konfirmirt, so erschienen natürlich neu; sie hatte vorher nicht gewußt, was in denselben lag. find keine Erben auf Elmerud", hatte hatte sie gesagt; all diese Freier... Sie erschien sich fürchterlich fündig. Wie viele fremde Götter wer weiß Jungfer Aaberg hat den Burschen hatte sie gehabt und wie oft hatte sie den Namen Gottes zu lieb; wenn er vernünftig ist und sich das zu Fanny besuchte den Konfirmationsunterricht; das Theater Gitlem angerufen! Es durchzuckte sie wie eine Schamröthe, Nütze macht Und da geht der kleine Junge mußte bis auf weiteres aufgegeben werden. daß sie sogar geflucht hatte, oh!... Am schlimmsten war ein halbes Jahr nach seiner Konfirmation auf einmal mit In diesem Halbjahr sollte man nur an Gott denken. es beim vierten Gebot. Still und gedämpft, wie seine Jungfer Aaberg's Kuhmagd nach Amerika durch!- Arme Grethe, die sich auch vorbereitete, wollte nicht einmal privat Worte von den Lippen fielen, weckten sie ihr Gewissen gleich Mama! Wenn Tom wüßte, wie Mama sich geärgert und Theater spielen. Das war übrigens häßlich von Grethe, einem anhaltenden Flüſtern; sie wurde festgehalten und geweint batte, er fände keinen frohen Tag mehr. Und das Erstens war sie es, die die Sache in Gang gebracht und gezwungen, sich selbst zu betrachten, und durch den schmerz geschähe ihm recht, dieſem abscheulichen Kerl!
XII.
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B
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Es begannen nun für Mama Zeiten, wo sie sich auf mat sicher, daß sie es gut machte. Ihr naseweises Kammer- eigenthümliche Art den Zorn Gottes über sich. Welch' ein niemand Anderen verlassen konnte als auf ihre Kinder. mädchen erwarb schon bei den Proben Beifall. Allein böses, schlechtes sind sie gewesen! Gott helfe ihr so oft, Onkel Solum war selten zu sehen, Bruder Nils gleichda 30g Grethe sich zurück. Sie ging zu Paſtor Löchen wie sie ihre Mutter geärgert hatte! Düfter tönten die falls; sie hatten auch wenig um zu helfen, jetzt, in diesen in die Dreifaltigkeitskirche und war sogleich gottesfürchtig Richtsprüche des alten Testaments vor ihren Ohren; es schlechten Zeiten; es blieben Diama ganz allein bie geworden. Außerdem gönnte sie Fanny das Kammermädchen konnte ihr nicht wohlergehen und sie konnte nicht lange Kinder, und von diesen sollte sie nur Verdruß und