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Für sie beide begann nun ein neues Leben in dem alten| Tulpen, stolz wie goldene Lampen, Oleander, heiter fote farazenischen Hause und der toten Oberstadt. Freudenglöckchen, Agonietropfen" rot wie göttliches Blut, Ranunkeln mit Taubenfüßchen, weiß und strahlend der„ Stern der Magier", und gelblich, wie aus Wachs gegossen, die großen Königskerzen".
Von Cäcilie blieb nichts mehr übrig. Die Strickzeuge, die Bibeln, die Evangelienverse verschloß Elias in den unteren Gemächern und in dem Zimmer der Verstorbenen; für fich und Ziona behielt er nur die Terrassen, wo sie die Abende berträumten, und die Muscharabizimmer, wo sie die Tage verschliefen.
Die Wohnung des Agha hatte schnell wieder ihr altes Aussehen angenommen. Geranium, Königskraut und Nosmarin blühten in den Hängegärten. Am Jasmin und den Pimpernellen der Treppengeländer balsamierte man sich die Hände ein, und auf dem großen Hof, den niemand mehr betrat, ranften sich Winden um die Gelenke der Spannfetten, Ysop lockerte die Fliesen und Gipskraut zernagte den Mörtel der Mauern.
Noch nie war der Frühling so frühzeitig und so üppig gewesen. Selbst das graue Zion schien davon ganz verjüngt zu sein, und auch Elias verwandelte die Verjüngung dermaßen, daß er sich mit schwermütiger Rührung fragte, wie ein Wesen, das doch einst einen so großen Play in seinem Leben einnahm, in so furzer Zeit ganz aus seinem Herzen hatte verschwinden können.
Es war, als habe die Tote alle Bitterkeiten und Leiden mit sich fortgenommen.
Der Friede der heiligen Nacht fuhr fort, ihn mit seinem wohltuenden Segen zu erfüllen, er fühlte sich freier im Gemüt, Geist und Körper wurden wieder frischer und unter seinen schneeweißen Haaren strahlte sein Antlig von der Heiterfeit, mit der man vergangener Leiden gedenkt.
Dazu kam noch, daß jemand ihn liebte, daß jemand ihn verstand, daß jemand der Spiegel feiner Gedanken, die klingende Harfe seiner Gefühle war. Seine ganze, seit so langer Zeit zurückgedrängte Zärtlichkeit, all sein in den geheimsten Falten des Herzens aufgespeichertes Mitteilungsbedürfnis und alle getäuschten Hoffnungen übertrug er jetzt auf seine zwölfjährige Tochter, und zwar in um so innigerer, wenn auch gemilderterer Weise, als er sich heimlich Gewissensbisse machte, so spät erst gewürdigt zu haben, was er in ihr besaß.
Sie verließen einander nicht mehr. Von der übrigen Welt wollten sie nichts wissen. Sie ging weder zur Schule noch in die Kirche. Ihr Vater lehrte sie das Leben durch die Betrachtung des Vergänglichen und Frömmigkeit durch die Berührung mit dem Elend. Er weckte auch ihr Verständnis für das innerste Wesen der Dinge, für den Bauber des Schweigens, die Symphonie der Farben, den Stolz der Gebärde, die Poesie des Duftes und die Armut des Traumes. Oft gingen fie morgens Hand in Hand aus, sie in ihrem Trauerkleide, er mit einer wehenden Florschleife an seinem weißen Mantel, um am Jaffatore den einziehenden Frühling zu beobachten. Seine duftenden Kinder kamen von den Weideplätzen Bethlehems, von den Gärten Salomos , aus dem Terebintentale von St. Johann in der Wüste, von Hebron , von Emmaus, von Colonia, von Bethel, von Rama; sie kamen von Ephraim und Judäa , auf den Köpfen der Frauen und Mädchen thronend und auf dem Rücken geduldiger Efelinnen ausgebreitet.
Und Elias und Ziona nahmen Arme voll mit, um ihre Terrasse zu schmücken.
Oder fie gingen noch weiter hinaus nach dem Moghrebintore, dem verfallensten und niedrigsten aller Lore. Dort ging nicht einmal das Vieh hindurch; nur die Frauen von Beth phage und Siloa, die in Schläuchen ihr Quellwasser oder in Amphoren ihre Ziegenmilch zur Stadt brachten, benutzten es. Aber am besten gefiel es Ziona in der dunklen, geheimnisvollen Beleuchtung der Bazare, die ihre orientalische Phantasie mit Märchen bevölferte.
Auf dem fest gestampften Lehmfußboden flangen ihre Schrifte so gedämpft, als ob sie auf Tierfellen gingen.
Zur Linken wie zur Rechten reihten sich Läden an Läden, Höhlen, die mit blauen Schatten und schwarzen Ungeheuern angefüllt waren. Im Suf der Färber fochten blutbesudelte Menschenfresser allerlei Dinge, die bald schlaff, bald aufgebläht wie Kinderleiber aussahen. Weiter unten hockten auf einer Matte unheimliche Gestalten, die ein graufiges Glucksen ausstießen, bei dem schlangenähnliche Gebilde zu tanzen an fingen, während kleine Teufelchen mit blendend weißen Zähnen Getränke von höllischer Schwärze einschänkten und in der flachen Hand glühende Kohlen trugen.
Noch etwas weiter schmiedeten Bulkane mit einem leuchtenden Auge auf der Stirn Lampen, Dolche und Armspangen, und im Gewürz- und Essenzen- Süt verkauften Männer mit Wachsmasken vor dem Gesicht dicht verschleierten Frauen seltsame Liebestränke und Liebesgifte.
Voller Furcht und Entzücken schmiegte sich Ziona schmeichelnd an ihren Vater, der ebenfalls an solchen phantastifchen Bildern eine findliche Freude hatte.
Fast immer gingen sie durch die unteren Gäßchen bis zur Seifenmühle, wo in dem finsteren Loch das alte, blinde Kamel das Göpelkreuz drehte. Ziona bebte vor Mitleid mit dem armen Tier, Elias aber dachte, während er mit nachdenklichen Blicken das Tier verfolgte:
„ Das Kreuz, welches ich getragen habe, scheuert mir die Schulter nicht mehr wund."
Durch ruhige Straßen und steile Gäßchen, die in den Simmel zu klettern schienen, fehrten sie heim.
Schon hatten die Frauen mit ihren Blumen den Markt verlassen, aber noch trat der Fuß auf Blütenblätter, und Jerusalem hielt seine Mittagsruhe in dem schwülen Duft der absterbenden Frühlingsboten.
( Fortsetzung folgt.)
Kleines feuilleton.
ek. Das Kissen. Sie hatten immer in bescheidenen Verhält nissen gelebt, nie anders, als in Hinterhäusern eine Kleine Wohnung gehabt. Das war auch gar nicht anders möglich gewesen. Eine über- fechstöpfige Familie durchzubringen, ist keine Kleinigkeit, wenn man bloß fleiner Kontorist ist. Und weiter hatte es der Mann nicht bringen können, trotz aller Bemühungen.
Vom Morgentau glitzernd und vom Morgenrot Haucht, erwarteten diese Frühlingsboten auf dem Plage außerhalb der Mauern das Deffnen der Stadt.
Endlich öffneten die türkischen Soldaten die eisenbeschlagenen Torflügel; und unter der Last ihrer Blumen lächelnd, zogen die Frauen mit gekrümmtem Rücken und gebeugtem Nacken ein. Als Zoll warfen sie im Vorbeigehen den wachhabenden Soldaten ein duftendes Sträußchen zu.
Von den Wällen bis in die hintersten Läden in den engen Straßen der Davidsstadt und des Christenviertels war alles nur ein Meer von Blumen, ein einziger, beweglicher und schillernder Garten, der nach den taktmäßigen Bewegungen der schönen Trägerinnen wogte.
Dann senkten sich die Beete. Längs der Mauern kauernd, breiteten die Araber den Inhalt ihrer duftigen Störbe aus, und Jerusalem eilte herbei, um einen Anteil an Frühling und Blumen einzuhandeln. Und immer noch Blumen und wieder Blumen. Jetzt kommen die Eselfüllen an die Reihe. Diese hier verschwinden unter einem grünen Maismantel mit seidenen Büscheln, jene dort sind so mit Rosen beladen, daß fie beim Kopfwenden davon fressen könnten; hier sieht man bie Schmetterlingsflügel der blauen Lilien, die rosigen Fächer der Krokus, die schwarzen Szepter der Anemonen; dort stehen
Darüber waren die Jahre hingegangen.
Die Jungens, na die halfen sich schon allein durch.
Die einzige Tochter blieb der Mutter zur Hand. Sie war ihre treue Stüge im Haushalt, griff an, wo was anzugreifen war und scheute sich vor feiner noch so groben" Arbeit.
Eigentlich aber steckte in ihr was Besseres. Sie hätte sich gern mit Künstlerischen Dingen beschäftigt, aber hierzu hatte es immer an dem nötigen Kleingeld" gefehlt. Doch wo solch ein Sinn vorhanden ist, pflegt er sich trotz aller Hemmnisse hervorzudrängen. Und so war es auch bei Elfa. Endlich hatte sie ihr Talent" ents bedt. Sie warf sich auf die Stickerei. Was in der elterlichen Behausung an solchen Sächelchen vorhanden war, hatte sie in ihren freien Stunden angefertigt. Das puzte jetzt die Wohnstube Jeder, mit ihrem alten gebrechlich gewordenen Möbeltram. Elsas Mutter der zu Besuch tam, mußte die Arbeiten bewundern. " Nicht wahr, großartig! Elsa ist besonders tat es allen zubor. eine Künstlerin. Was sie macht, fann feine," sagte fie ein über das andere Mal. Es schmeichelte ihr, wenn ihre Worte allerseits Be fräftigung fanden. Natürlich wollten nun sämtliche Tanten ähnliche Sachen haben und Elsa hatte bald alle Hände voll zu tun. Gewinn aus ihrer Beschäftigung zu schlagen ging doch aber nicht an. hätten dann die Verwandten gesagt! Und wenn man auch bom magern wirtschaftsgelde das oft fostspielige Material mit größter
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