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Mah' und Not bestreiten mußte, niemals durften die Beschenkten es ihr Glüd zu befestigen, und so willigte der Vater in alles. Stüd merten. Für eigene Arbeiten fiel dabei wenig Zeit und noch weniger um Stüd tamen die Möbel herbei. Bald erscholl die Stube von Geld ab. Dennoch war Elsas geheimer Ehrgeiz darauf gerichtet, ein Elsas Gesang und Spiel; und schließlich, wenn fie der Vater neues Erzeugnis ihrer funstgeübten Finger zu vollbringen, das heimlich betrachtete, fie war doch ein schönes Mädchen. Und der mur ihr allein gehören und zugleich alles bisher geleistete verdunkeln moderne Schnitt ihrer Kleider hob ihre zierliche feine Gestalt. Ja, sollte. Die Mutter durfte davon wissen, denn sie mußte ja Rat Elsa war eine Dame, sie paßte nicht für die grobe" Hauswerfelei", schaffen, wie und auf welche Art das für diese Stickerei wirklich sehr sollte sie auch nicht mehr verrichten, so wollte es die Mutter, und foftbare Rohmaterial herbeiläme. Der Vater hatte schon manchmal nichts lag ihrem bräutlichen Glücke im Wege. über die Zumutungen, die an sein Portemonnaie geftellt wurden, besorgte Aeußerungen getan; allein die Mutter wußte ihm mit dem Hinweis auf Elfas Talent, dem man nicht wehren dürfe, zu be­gegnen. Er seufzte und zahlte wieder.

Dies alles täuschte sich der Vater vor, so oft ihn die Sorgen drückten. Ach, und welche schweren Sorgen! Er hatte sich in furcht­bare Schulden gestürzt. Die Gläubiger mahnten, wurden dringend und dringender. Er wußte nicht, wie ihrer Herr bleiben. Stopfte Endlich war der letzte Nadelstich getan. Elsa empfand un- er mit mühsam erborgtem Gelde ein Loch zu, so riß er zwei andere bändigen Stolz über die gelungene Arbeit. Es war ein Sofalissen auf. Längft hatte er den Abendschoppen im Streise seiner Kollegen bon wundervoller Schönheit. Zwei Goldfasanen, ausgeführt mit einer fistiert. Dafür plagte er sich in seinen Freistunden bis spät in die die Natur täuschenden Bollendung, ergingen sich in einem erotischen Nacht hinein mit Privatarbeiten, die er auf sich genommen hatte, Blumengelände. Wer das Kissen in Augenschein nahm, war einfach um noch ein Weniges zu seinem spärlichen Einkommen hinzuzufügen. entzückt. Niemals hätten sie dergleichen gesehen, riefen die Tanten. Nur nicht müde, nur nicht grämlich werden, sagte er sich, wenn ihn Das Wunderwerf müsse in einer funstgewerblichen Ausstellung dem ein lauernder Blick der Frau oder gar ein besorgtes Wort der Tochter Urteil des Publikums zugängig gemacht werden, die Kunstkritik berührte. werde davon Notiz nehmen, Elsas Zukunft sei dann gesichert usw. Aber tiefer und tiefer fraß die Kümmernis an seiner Seele. Richtig wanderte das Riffen in das Schaufenster eines Wenn er, so hieß es Mal für Mal, bis zum nächsten Fälligkeitstermin Bilderrahmen und Antiquitätenhändlers, wo es während nicht zahle, so stehe ihm Klage und Pfändung bebor. Nein, nur einiger Tage die Aufmerksamkeit aller Passanten fesselte. das nicht! Aber wie denn anders seine Verpflichtungen erfüllen? Damit schien es freilich sein Bewenden haben zu sollen. Seine Bekannten, die ihm früher bereitwillig ausgeholfen hatten, Aber was wäre ein solches Brachtstück nüße, wenn es to ließen ihn nun mit achselzuckendem Bedauern stehen, teiner mochte in einem Schranke unbeachtet herumläge! Allein auf einem Sofa ihm mehr beispringen. Wozu hätte er sich auch so unsinnig in inr modernen Jugendstil würde es zu voller Geltung gelangen! Schulden hineingeritten? Mit dem Baron, das sei doch auch bloß Doch woher dies Möbelstück nehmen denn das alte Sofa war so so, und wie würde das Ende sein? wirklich zu schäbig. Man hielt Familienrat. Alle Tanten waren darüber einig, daß zu dem Kissen ein neues Sofa höchst notwendig sei. Elfas Mutter befand ähnlich. Der Vater wollte aber nicht den Wünschen gefügig sein. Es tofte Geld, und das hätte er nicht. Schließlich legte sich Elfa bei ihm aufs Schmeicheln und Bitten. Da fonnte er denn nicht länger widerstreben, ging zu einem Möbel­händler und bestellte das Sofa in Ausführung nach vorgelegter Zeichnung auf Pump. Bald zgierte es an Stelle des altmodischen Universalsofas, das nunmehr in die Küche gebracht worden war, die Stube. Und obendrauf prangte im Farbenschmelz der Goldfäden und Brussaseiden das Fasanenliffen. Es war ein Prachtstaat! Nie­mand wagte sich auf das Sofa zu setzen, so toftbar erschien es allen. Das Familienhaupt, wenn es müde vom Bureaudienste heimtam, hatte sonst auf dem alten lieben Dinge seinen Ehrenplatz gehabt. Jetzt drückte er sich seufzend in einem harten Rohrstuhl und dachte mit stiller Sorge an den näher und näher rückenden Termin, an dem der Möbelhändler sein Geld wollte. Nein, ihm bereitete das neue Sofa, so vornehm es sich mit dem goldflimmernden Kissen ausnahm, leine Freude.

Dennoch schien es Glüd ins Haus zu bringen. Ja wahrhaftig, so schien es. Damals in der Ausstellung hatte das Kissen auch einen enthusiastischen Lobredner gefunden. Es war, so sagte man, ein reicher Baron, der aus lauter Langweile in verschiedenen Kunstdingen dilettierte. Er malte, sang und spielte Klavier. Der Mann gab fich sehr vornehm, kein Zweifel, er mußte vermögend sein. Man war daher rein weg vor Glück, als er sich Elſa als Bewunderer näherte. Bon da bis zum Anbeter war nun nicht weit. Bald schmeichelte fich die Mutter mit der Hoffnung, daß Elfa und der Baron ein Baar würden. Und die Tanten tuschelten ähnliches. Elsa war glüdlich in diesem Gedanken. Wenn aber der Baron an das Mädchen gefesselt werden sollte, so mußte man auch tun, als ob man etwas übrig hätte. Da war nun flar, daß das neue Sofa allein nicht genüge. Es stäche wirklich zu auffällig gegen das andere Gerümpel" ab. Es ginge nun nicht mehr anders: auch dieses müßte nun stilvollen Stücken, als da find: Büfett, Polsterstühle, Schränke, Tische, Nippsachen aller Art über kurz oder lang Blaz machen. Ein Pianino gehörte selbst­verständlich dazu; der Baron hatte gewünscht, daß Elsa sich in Spiel und Gesang bervollkommne. Und man durfte sich nun nicht blamieren. Die Sympathie solch vornehmer Herren hängt meistens an einem seidenen Fädchen; man müsse also vorsorgen, daß es nicht reiße. Dahin regele sich nun aber auch die Toilettenfrage. Unmöglich fönne fich Elfa mit dem Baron in ihrer bisherigen Garderobe öffentlich sehen lassen. Eine Komplettierung, die den Ansprüchen der modernsten Pariser oder Wiener Mode Rechnung trage, sei unbedingt in Erwägung zu ziehen. Ueber all dieses waren sich die Tanten mit Elsas Mutter einig. Es galt jetzt den Gatten und Vater dafür zu erwärmen.

Er sträubte fich dagegen mit aller Macht moralischer und wirt schaftlicher Einwände. Schon durch das Sofa wäre er in unnötige Schulden geraten. Nun auch noch die Möbel und die Toiletten für Elsa. Woher sollte er die Mittel nehmen? Es kam zu Szenen zwischen den Eltern. Elsas Talent ist unser Unglüd; das Sofa fissen ist unser Ruin!" rief der Mann ein über das andere Mal in schmerzlicher Empörung. Meine Stellung, mein ehrlicher Name steht auf dem Spiel. Eines Tages wird alles offenbar und ein schmähliches Ende sein!"

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Elsas Mutter ließ aber nicht locker; auch die Zanten wurden ins Gefecht geschickt: die Sache mit dem Baron sei so ficher wie das Amen in der Kirche, und wenn Elsa erst einmal seine Frau wäre, so würde der reiche, vornehme Mann und Schwiegersohn die Eltern gewiß nicht in Sorge zurüdlassen. Dieser Ansturm verfehlte seine Wirkung nicht. Elsa war ja doch die einzige Tochter, es galt

Doch was konnten ihm noch solche Zweifel frommen! Wohl sagte er sich, daß seine Liebe zu weit gegangen, ja daß er leicht finnig gehandelt hatte. Er fühlte sich nicht frei von jeglicher Selbst. verschuldung. Komme nun, was tommen mag, aber den Muin des lieben äußerlichen Scheines wegen um jeden Preis aufzuhalten: das erschien ihm nunmehr als die wichtigste Aufgabe seiner ferneren Lebenslage, Um jeden Preis!

Wenige Monate später las jeder, der lesen mochte, in den Zeitungen die Kunde von der Verhaftung des Buchhalters Grünberg  im Kontor der Firma Hartig u. Co. wegen unredlicher Buchführung und Unterschlagung geschäftlicher Gelder. Zwar war es nur ein lächerlich kleiner Betrag in Ansehung der Riesensummen, die Grün berg   täglich zu verbuchen gehabt hatte, trotz seiner unauskömmlichen Besoldung. Aber er war den Chefs längst im Wege, weil er über die Jahre höchster Leistungsfähigkeit hinaus war. Ihnen kam dies geringfügige Bergehen gerade recht, um dem gealterten Manne die Tür ihres Geschäfts zu weisen und dafür die Pforte des Gefäng nisses zu öffnen.

ch. Auf der Flucht. Unter den Schilderungen der Augen­zeugen, die jetzt von dem Unglück in San Francisco   befannt werden, ist wohl eine der ergreifendsten der Bericht, den die Schrifte ftellerin Helen Dare von Stockton   aus dem" New York   Ameri­can" telegraphierte. Niemand, der es nicht gesehen hat, kann sich den Schrecken und die mitleiderregende Hülflosigkeit menschlicher Schwäche den zerstörenden Naturgewalten gegenüber vorstellen. Wir schrien einander zu, so angstboll, wie wenn der Untergang der Welt herangekommen wäre. Die Schwankungen der Erde pflanzten sich nacheinander von Norden nach Süden fort und verstärkten die Stöße zu einer verwirrenden und frankmachenden Bewegung. Als ich aus dem Schlafe auffuhr, war ich mir nur eines furchtbaren Angstgefühls bewußt, ohne zu wissen warum. Dann empfand ich ein schreckliches und andauerndes Hin- und Herschwanken des Bettes, des Bodens und der Wände, die Möbel waren durcheinandergerüttelt, und ich hörte das Getöse von krachenden Schornsteinen, fallenden Mauern, zerbrechendem Glas und die gellenden Schreie von Frauen und Kindern. Wie durch einen plöblichen Schlag fühlte ich das Bett, von Norden her durch einen schweren Stoß erschüttert, gewaltsam in die Höhe gehoben. Ich sprang hinaus auf den ebenfalls emporfliegenden Fußboden und versuchte dort festzustehen; aber die gegenüberliegende Wand schien vor mir zurückzuweichen, der Boden schwankte ivie ein leichtes Boot im Sturme hin und her; es deuchte mir, als ob es fein Ende nähme, und doch hörte ich nachher daß es nur zwei Minuten gedauert hätte. Mein kleiner Junge tam in mein Zimmer gelaufen. Wir umfaßten einander mit den Armen und standen dann in dem Hausflur, ohne zu wissen, was mit uns geschehen würde und was wir tun sollten. Mit einem immer schwächer werdenden Zittern gleich einem ersterbenden Seufzer sant die emporgeschnellte Erde wieder in Ruhe zurück. Wir zogen uns an und tasteten uns durch zerbrochene Möbel und Glasscherben hindurch in der Dunkelheit müh fam hinaus auf die Straße. Da wimmelte es von unbekleideten Menschen, die in hülfloser Panik hin- und herranten. Ich sah eine junge Mutter, nur in ihr Nachtgewand gehüllt, die mit dem leichten Leinen ihr schlafendes Kind umhüllt hatte, das sie in ihren Armen trug, ganz vergessend, daß sie sich selbst entblößte. Irre Menschen­schwärme fletterten die Hügel hinan, da sie eine neue Erderschütte rung fürchteten. Die Bai erglängte im hellen Morgenlicht, und die großen Gasbehälter am Waffer standen in lodernden Flammen. Biele Leute, die von der Größe des Unglücks noch keine Ahnung hatten, meinten, eine Gasexplosion habe die Zerstörung verursacht. Jch wanderte weiter und fand in jedem neuen Viertel immer furcht barere Szenen und grauenvollere Bilder. Ueberall starrte Bere wüftung, Chaos und Grauen um uns, als wir uns in der Mitte der