-
354
nichts dabon, nur ab und zu ein französisches Wort. Auch der Gemeindevorsteher sprach wallonisch. Sie wurden beide lebhaft, erhoben ihre Stimmen und redeten laut gegeneinander an; fast flang es wie Zank.
Sie schienen nicht einig zu werden! Käte lauschte in verhaltener Angst. Würde sie es geben? Würde er's von ihr losbekommen?!
Heimlich zupfte sie ihren Mann. Biete mehr, gib ihr doch mehr, hundert Taler sind viel zu wenig!" und dem Bauer da mußte er auch etwas versprechen für seine Bemühung. Hundert, zweihundert, dreihundert, hundert mal hundert waren nicht zu viel! Ach, wie das arme Kindchen schrie! Es litt sie fast nicht mehr so tatenlos vor der Schwelle, Die Geschwister des kleinen Jean- Pierre- ein schönes Mädchen mit wirren Haaren und drei jüngere Knaben- standen, den Finger im Mund, die schmutzigen Näschen ungewischt, und rührten sich nicht vom Fleck.
Da fuhr die Mutter sie an: Heela," und sie stoben davon, eines fast über das andere purzelnd. Aus der kleinen Höhlung unter der Schwelle scharrten sie den Schlüssel vor, und die Größte stieß ihn ins rostige Schloß und drehte ihn, auf den 3chen stehend, mit aller Kraft ihrer beiden Händthen um,
Die Solheid wandte sich nun gegen die Fremden; ihre Hagere braune Rechte machte eine einladende Bewegung: Entrez!"
( Nachdrud verboten.)
Hilarion Amazonowitsch Amerikanski ist eine der interessantesten Bekanntschaften, die ich in meinem Leben gemacht habe. Originalität, Heiterkeit, Geselligkeit und eine fast unversiegbare findliche Zutraulichkeit im Verkehr zeichnen ihn vor vielen Menschen aus, und oft und gern gedenke ich des guten Augenblicks, der diese so angenehm hervorstechende Persönlichkeit zuerst in unseren Kreis eins führte. Die Originalität beginnt schon in der Kleidung; selbst in größerer Gesellschaft fällt sein grüner, tadellos sitzender Anzug unbedingt auf. Wenn ich sage, daß er sich stets grün fleidet, so meine ich damit nicht, daß er in eine jener zweifelhaften Nüancen gehüllt ist, die die Schnittwarenhändler für Herrenstoffe als grün bezeichnen. Nein, sein Kostüm ist freudig salatgrün mit breitem hellgelbem Schalkragen, wozu noch fleine rote scherzhafte Achselklappen fommen, die das Flette und Frische seiner Erscheinung erhöhen. Eine flache vergißmeinnichtblaue Müße ist dicht über die klugen goldbraunen Augen gezogen; und das Merkwürdigste ist, daß diese phantastische Farbenzusammenstellung sehr gut zusammen geht" und sowohl dem Schneider wie dem Träger des Anzuges Ehre macht. Besonders an melancholischen Herbst- und Nebeltagen, wo die gesamte Menschheit, oder doch deren männliche Hälfte sich in breiten schwarzen und frähenfarbigen Maffen durch die Straßen der großen Städte tastet, ist es eine wahre Erfrischung, den immer grünen Hilarion Amazonowitsch anzusehen, und alte Träume von einer Farbenreform der männlichen Kleidung tauchen bei seinem AnSie traten ein. Innen war's so niedrig, daß Schlieben blick auf. den Kopf bücken mußte, um ihn nicht wider die Balkendecke an die Hamburger. Hamburger, fleidet Euch rot!" sollte mein Seit Jahren trug ich mich mit einem flehenden Aufruf z. B. zu stoßen, und so dunkel, daß sie geraume Zeit brauchten, Ruf erllingen, die Nebelperspettiven Eurer Straßen, die Rauchbis sie nur irgend etwas unterscheiden konnten. Aermlicher und Dampfhintergründe Eurer Hafenlandschaften schreien nach fonnte es nirgendwo sein- alles in allem ein einziger Raum. farbigen Kleidern! Not solltet Ihr tragen in allen Schattierungen, Der Herd war von rauben Steinen kunstlos gemauert, bom zartesten Lachs bis zum feurigsten Purpur, nur nicht schmukdarüber hin vom geschwärzten Balken an eiserner Kette der grau und braunschwarz unter dem grauen Regenhimmel!" Und ich Reffel herab; offen stieg der Qualm der langsam schwelenden fräumte von einem riesengroßen Plakat mit scharlachroten BürgerZorfglut hinauf in den rußigen Rauchfang. Ein paar irdene schaftsmitgliedern, die prachtvoll und imposant zwischen türkischTeller im Schüsselbrett buntblumig aber riffig ein roten Börsenbesuchern hindurch zur Sibung gehen, und ich träumte paar verbeulte Zinngefäße, ein Melfeimer, ein hölzerner von der Wärme und Heiterkeit, die dann von außen nach innen durch Bottich, eine lange Bank hinterm Tisch, auf dem Tisch ein Aber seit ich Hilarion tenne, denke ich mir oft die Hamburger grün. die erfreuten Augen in die fühlen Herzen einströmen würde. halber Laib Brot und ein Messer, wenige Kleider an Nägeln, und alle tragen sie breite Schalfragen und scherzhafte rote Achselin die Wand halb hineingebaut das Ehebett, darin jetzt wohl flappen und vergißmeinnichtblaue Müßen und sind fröhlich, überdie Witwe mit. den Kindern schlief, und davor die plumpe mütig wie er! Was man nicht alles träumt! Holzwiege des fleinen Jean- Pierre das war alles. Wirklich alles?! Von einem Frösteln im dämmerfalten, fellerdumpfen Raum geschüttelt, sah sich Käte um. wie trostlos arm! Da war fein Schmuck, feine Bier! Doch, dort ein schreiend buntes Marienbildchen- ein roher Farbendruck auf dünnem Papier ein Weihwasserkesselchen aus weißem Porzellan darunter und dort, auf der anderen Seite der Wand, dicht beim Fenster, so daß das wenige Licht darauf fiel, ein Soldatenbild. Unter Glas und Rahmen, in drei Abteilungen, dreimal derselbe Infanterist. Links: das Gewehr geschultert, auf Posten vorm schwarzweißen Schilderhaus rechts: marschbereit, Tornister und Kochgeschirr aufgeschnallt, Brotbeutel und Feldflasche an der Seite, Gewehr bei Fuß in der Mitte: in Parademontur als Gefreiter, die Hand grüßend an den Helm gelegt.
-
-
-
Ah, das sollte wohl der Mann sein, Michel Solheid als Soldat?! Einen scheuen Blick warf Käte auf das Bild der da, der war ja erschossen worden beim Schmuggeln auf dem Benn! Wie schrecklich! Sie hörte wieder den Alten erzählen, sah den blutenden Mann im Heidekraut liegen, und das Grausen des Abenteuerlichen rüttelte sie. Ihr Blick glitt wieder und wieder hin zu dem Bilde, dem üblichen Soldatenbild, das in seiner stereotypen Nichtigkeit so gar nichts sagte, und von da zu der Wiege des kleinen JeanPierre: ob der viel vom Vater hatte?!
-
Schlieben hatte gewartet, daß seine Frau das Wort nehmen sollte sie würde ja am besten wissen, wie mit der anderen zu reden sei aber sie schwieg. Und der Gemeindevorsteher sagte auch nichts; nun er die Verhandlung eingeTeitet hatte, hielt er es für höflich, dem Herrn das Wort 311 lassen. Und die Solheid sprach auch nicht. Sie scheuchte nur mit einer stummen Gebärde die Kinder, die sich mit Gier über das harte Brot auf dem Tisch hermachen wollten. Dann stand sie still bei der Wiege; ihre Rechte, die noch das Beil vom Holzspalten hielt, hing schlaff herunter am armseligen Rock. Finster war ihr Gesicht, unnahbar, und doch spiegelte fich ein Kampf darin.
( Fortsehung folgt.]]
Aber Hilarion ist schuld. Er deutet so durchaus in die Zukunft. Keinen Allohol, keinen Tabak rührt er an, nicht einmal Fleisch. Wie alle Nichtraucher liebt er die Süßigkeiten, zu denen der kleine und beinahe überall zu haben. Kaffee und Tee sind seine LieblingsSchäfer in erster Linie Küffe rechnet! Immerhin sind sie billig getränke, fie erhalten, wie er behauptet, den Kopf Ilar und die Laune gehoben. Er lebt äußerst genügsam; sein jährliches Budget ist lächerlich klein. Wir bewundern ihn oft und beklagen es schmerzlich, daß wir ihm aus verschiedenen nicht nachleben können. Aber schon seine Ahnen beslissen sich dieser edlen Einfachheit und blutloser Roft, als die unfrigen noch grauenhafte Menschenopfer darbrachten es ist eine Sache der Vererbung.
für alle Arten von Sport. Er trainiert fortwährend, daher seine Modern ist auch Hilarions Neigung und entschiedene Begabung Ünermüdlichkeit, feine stählernen, leicht federnden Muskeln, die zweckmäßigkeit und Eleganz seiner Beivegungen. Er besitzt einen eigenen Flugapparat mit automatischer Steuerung. Aber die Sache ist sein Geheimnis; obgleich er ganz offen darüber spricht, scheint Nachahmung so gut wie ausgeschlossen, es sei denn, daß ein Japaner seine Bekanntschaft machte.
lichen Frohsinn und bringt seine schöne Gabe für geselligen Humor Hilarion ist ein Freund der Musik. Sie steigert seinen natürzur vollen Entfaltung. Es ist ein Genuß, ihn dabei anzusehen. Das fluge Auge blidt bald feurig, bald feucht und weich; unwillfürlich streckt er bei den schönsten Stellen die Hand aus, um sie jemandem au reichen, begeisterte Ausrufe werden laut. Und schweigt die Musik, dann summt er wohl in sich versunken ein Motiv leise nach, das ihm besonders die Seele bewegt hat
Groß ist auch seine Vorliebe für Bücher; er beschäftigt sich mit ihnen gern und intensiv, und ist beständig auf der Suche nach jemand, der ihm seine Bibliothek zur Verfügung stellt, da er die Absicht hat, die Klassiker aller Völker einmal gründlich zu bearbeiten. Bielleicht ist er fich nicht bewußt, was für eine Riesenaufgabe er sich damit gestellt hat, denn offen gesagt er ist nicht Pedant genug, um sie durchzuführen. Zu leicht wechselt er den Gegenstand seines Interesses. Boll Phantasie und Laune liebt er das Freie um des greien willen, entzückt sich an Bäumen und Simmfelsblau, schaut aber findlich bang empor zur dunklen Gewitterwolle und duct fich naib bor tem niederprasselnden Regen, Er huldigt einem einfachen innigen Naturfultus, berührt jedoch niemals religiose Fragen, offenbar aus Zartgefühl.
Entzückend ist er als Planderer ofte. Stirnen enirunzeln sich, alle Mundwinkel ziehen sich hinauf, sobald er seine schelmischen Solovorträge beginnt. Und was no die Wirkung erhöht er spricht allen verständlich. Es ist eine Mischung von Volapük und Esperanto, worin er sich meistens ausdrückt. Sein Lachen könnte einen
-