und sie soll helfen, den lebendigen Sinn des Kunstwerkes auf-zuschließen.Nun habe ich Kritik zu üben. Sie ist mir als solche nichtmehr wichtig. Was ich über die Kritik gesagt habe, ist mir wichtigerals sie selbst. Draußen blaute der Mai, und ich saß und laszwei neue Romane. Einen, der mit allen möglichen guten Ab-sichten herumvagiert. aber keine Gestaltung aufweist und keineSpur von Dichtung in sich hat:„Zum G e s u n d g a r t e n" vonKarl Albrecht Bernoulli, verlegt bei Eugen Diederichs inJena. Der andere, der nur ein Stück Leben geben will, ein StückHeimat und ein Stück Fremde, ein Verirren und ein Heimfinden,und der das ohne eigentliche Poesie, aber auch nicht gerade mitPose, sondern mit guter Beobachtung und Richtigkeit und Ironietut:„Thomas Kerk Hoven" von Korfiz Holm, verlegtbei Albert Langen in München. Der„Gesundgarten" ist auslauter Theorien und Theoristereien zusammengesetzt. Keinelebendige Gestalt ist in ihm geschaffen. Das Beste ist in Natur-schilderungen geleistet, obgleich auch hier der Wissenschaftler oderdie Wissenschaft störend dreinfahren. Alles ist aufs Exempel ge-stellt. Diese Auseinandersetzungen zwischen medizinischen Spezia-listentum und Naturheilkunde, darein sich sogar die Politik mischenmuß, ich glaube, die Sozialdemokratie soll so was wie die Natur-Heilkunde in Pacht nehmen zur allgemeinen Völkerbcglückung, wärenvielleicht in einer Broschüre wirksam gewesen, im Kunstwerk, dassie erzeugen sollten, müssen sie versagen. Es kreisen hier die Berge,aber sie gebären nur eine Maus. Man kann verstehen, daß derWeltanschauungsverleger Eugen Diederichs das Buch verlegenkonnte, aber man kann nicht verstehen, daß der Verleger so künst-lerischer und dichterischer Bücher wie er sie im Verlag hat, zwarin der Belletristik spärlich, am schönsten in den Büchern seinerFrau, Helene Voigt-Diederichs, daß er es gerade sein mußte, dersich zu diesem Buche verstand. Dagegen paßt der„Thomas Kerk-Hoven" ausgezeichnet in den Verlag von Albert Langen. Er istdrastisch, deutlich, spöttisch, frei und auch wieder gefühlvoll genugdazu. Es ist eine Weltmännischkcitsnote darin, eine ausgesprocheneMünchener Note, eine„Simplizissiinus"-Note. Unterhaltsam, ge-lcgentlich stimmungsvoll, forsch und ein wenig— oder auch einwenig viel, wie es gerade notwendig ist, lasziv. Ein paar Gestaltensind tüchtig anrüchig, aber man kann doch nicht gerade behaupten,daß eine Spekulation damit getrieben sei. Obschon... Freilichgewisse Kreise von Jsar-Athen sind tüchtig getroffen. Die Familiedes Thomas Kerkhoven selbst in ihrem Standesanschensfanatismus,ihrer Rückständigkeit, ihrer spekulativen Konzessionsmacherei ist auchnicht übel mitgenommen. Und dann ist's mit Thomas Kerkhovenselbst und seiner Base aus Heimatboden gut zum Ganzen ge-rundet. Menschen, die sich selbst und einander verloren hatten,finden sich zu sich selbst und finden sich zu einander. Und Kerkhovenfindet sich zu seiner Kunst. Aber darin ist etwas billig gewordenin unserem heutigen Schrifttum, es kommt mir vor, als wärendamit ein paar Bucherfolgc gemacht worden in jüngster Zeit, wie?Nachwirkungen der Heimatkunst. Aber wir wollen das Leben er-obern, indem wir ins Leben hineinziehen, nicht indem wir unsin einem Winkel vor ihm verbergen! Können wir nicht auch anderszu uns selbst kommen? Ist Heimat nicht ein Besitz, der auch inder Fremde nachhält, in dem wir zu uns selbst erwachen, auchwenn unser Leben in tätige Bahnen geleitet ist, in die Aktivität,statt in die Passivität?Und nsm noch einmal das Wort des„Jost Sehfried", daßKunst gelebt werden müssei Geht hin und prüfet so— und tuetdanach.— Wilhelm Holzamer.Kleines f euiUetomst. Pythklgoras und die Bohne».— Unter vielem, was über denPhilosophen PythagoraS(zirka 500 Jahre vor Christi), den Autordes berühmten Lehrsatzes der Geometrie, gefabelt wurde, gehört seinVerbot, Bohnen zu essen. Als Grund wird von manchen die schwereVerdaulichkeit der Bohnen angegeben. Andere meinen, weil der Ge-nuß die Erotik reizt, weshalb auch unfruchtbare Römerfrauen imTempel der Inno Luciua(die Gcbnrtsgöttin) ein Gericht Bohnenverzehrten. Wieder andere begründen es mit dem Glauben an dieSeelenwanderung in Tiere und Pflanzen, weshalb schon Horaz inder 0. Satire des 2. Buches die Bohne spöttisch„Base des Pytha-goras" nennt.Wegen der Seclenwanderung soll der Philosoph auch Ent-haltsamkeit vom Flcischgenuß gefordert haben, was Shakespeare in„Was ihr wollt" als lustiges Motiv verwertet. Indessen habenschon alte Schriftsteller, darunter Aristoteles, das Verbot der Fleisch-speisen in seiner Allgemeinheit bestritten. Aber auch das Bohnen-verbot wird von neueren Forschern auf ein drolliges Mißverständniszurückgeführt. Die Athener bedienten sich bei ihren Abstimmnngcnin der Volksversammlung der Bohnen. Wenn PythagoraS, derFeind der demokratischen Verfassung, der lebhaft mit der DorischenAristokratie sympathisierte, seinen Schülern empfahl:„Enthaltet euchder Bohnen!" so meinte er, sie sollten der demokratischen Volks-Versammlung und Politik fernbleiben.—Im. Kakteen als Heilpflanzen. Die Alkaloide, Pflanzenstoffe ausKohlenstoff, Wasserstoff, Stickstoff und meist auch aus Sauerstoffbestehend, haben in.der Heilkunde nutzbringende Verwendung ge-ftmden. Diese Pflanzenstoffe treten in manchen Pflanzenfamilien ingrößerem Umfange, in anderen hingegen so gut wie garuichr auf.Bei den Kakteen sind diese Stoffe in mannigfacher Form anzutreffen,doch wurde ihnen bis vor kurzem keine allgemeine Beachtung zu teil.Daß manche Kakteen eine berauschende Wirkung ausüben, warbekannt, desgleichen, daß andere giftige Eigenschaften besitzen.Es wurden nun Versuche angestellt, wobei festgelegt werden konnte,daß die bekannte„Königin der Nacht" in ihrem Saft ein vorziiglichwirkendes Herzmittel birgt. Bei einem anderen Kaktus, der derLilooerous-Gattung angehört, konnte ein Alkaloid nachgewiesen werden,das' warmblütige Tiere unter den Erscheinungen plötzlichen Herzstill-standeS zu töten vermag. Auch bei einer Versus-Art konnte ein Giftnachgewiesen werden. Die Mexikaner benutzen diese Pflanze als Fisch-gift, indem sie die zerdrückten Pflanzenkörper ins Wasser werfen. DieFische werden alsbald betäubt und können dann von der Ober-fläche des WasserS leicht abgefischt werden. AuS dieser Pflanze wirddie Cereinsäure gewonnen, deren giftige Eigenschaft experimentalnachgewiesen wurde; sie löst die roten Blutkörperchen auf. Eindieser Pflanze nahe verwandter Kaktus, der ebenfalls in Mexikoheimisch ist, birgt ein Alkaloid, dem eine berauschende Wirkunginnewohnt.Aeußerst stark giftig wirkende Alkaloide sind in verschiedenenAnhalonium-Arten zu finden. Diese Kakteen kommen unter demNamen„Msscal buttons" in den Handel. Von Eingeborenen wirddieser Artikel schon seit langer Zeit in verschiedenen Formen als be-rauschendes Gewürzmittel gebraucht, über dessen Wirkungen Dr. H.Becker folgende Mitteilungen machte: Die hervorragendste Er-scheinung des Anhaloniumtraumes besteht in kaleidoskopartigwechselnden Farbenbildern von wunderbarer Pracht und nichtzu beschreibendem Glänze, bei denen Grün und Rotvorherrschend sind. Die Visionen zeigen sich sofort, wennman die Augen schließt und verschwinden, sobald diesegeöffnet werden. Während de? Anhalouiumrausches macht sichsubjektiv ein Gefühl erhöhter Leistungsfähigkeit geltend, die körper-lichen und seelischen Funktionen find nicht beeinträchtigt, die ge-sehenen Traumbilder bleiben längere Zeit in der Erinnerung hastenund können genau beschrieben werden. Die visionäre Erregung kannstundenlang andauern; nach ihrem Verschwinden macht sich vielfachBenommenheit und Schlaflosigkeit fühlbar.—Der Suezkanal. Man muß bis in die Morgendämmerung dergeschichtlichen Ueberlieferungen zurückgreifen, um die ersten Spurendes Suezkaualprojekts aufzufinden, das durch mehr als drei Jahr-taufende in der Geschichte unmer wieder aufgetaucht ist. Schon dieschiffahrtskundigen Phönizier trugen sich mit dieser Idee, die in derNeuzeit glücklich ausgeführt wurde, und größere Bedeutung erlangte,als ihre Urheber es wollten und ahnten. Die erste nachweisbareKannlanlage fällt in die Regierungszeit der beiden ägyptischen Könige,Sethos l. und Ramses II., d. h. in die Jahre 1443—1320 v. Chr.Nachdem der Kanal Sethos I. wieder zugrunde gegangen, legte Nechoeine neue Wasserstraße an, welche Darins Histaspis(521— 486 v. Chr.)vollendete; sie geriet jedoch auch wieder in Verfall. Dann wurdeunter Ptolemäus II.(280— 247 v. Chr.) der Kanal derart solidewieder hergestellt, daß er bis in die Römerzeit dem Verkehr diente.und auch in der Kalifenzeit sowohl als Transportweg für Fracht-güter, als auch von Mekkapilgern noch benutzt wurde, bis man ihn,m Jahre 707 n. Chr. aus strategischen Rücksichten zuschüttete. Esvergingen dann beinahe zehn Jahrhunderte, ohne daßirgend ein praktischer Versuch zur Erneuerung des KanaleSgemacht wurde. Sämtliche Kanalpläue des Altertums erstrebtennur eine Verbindung zwischen den, Mittelmeer und Roten Meerdurch den Nil; zn einem direkten Durchstich kam es nicht. Vondem Zeitpunkte ab, als Vasco de Gama den Weg nach Indienum das Kap der Guten Hoffnung entdeckt hatte, traten die Projektebezüglich einer Durchstechung des Isthmus wieder auf, ohne daßihre Durchführung praktisch versucht wäre. Lcibniz wies Ludwig XIV.von Frankreich auf die Vorteile eines Kanales über den Isthmushin, fand aber bei diesem kein Gehör. Napoleon I. würdigte eben-falls die Vorteile einer Snezstraße und ließ 1703 durch den Chef-ingenieur Lcpere die zu einem beide Meere verbindenden Kanalerforderlichen Vermessungen vornehmen. In den folgenden Jahr-zehnten des 10. Jahrhunderts wurde die Frage eines Kanales überdie Suez-Landenge von den verschiedensten Seiten erörtert. Der Schöpferdes Hauptprojektes, welches zur Durchführung kam, ist F. de Lcsseps.Nachdem der Durchstich des Kanals unter einem enormen Aufwandvon Arbeitskräften«nd Kosten sowie unter sonstigen gewaltigenSchwierigkeiten vollendet war, erfolgte am 10. November 180!) diefeierliche Eröffnung des Kanals, der neuen großen Völkcrstraßezwischen Orient und Okzident. Die Größe des von Lesseps ge-schaffenen Werkes geht aus einer Darstellung der Baukosten, derDeckung derselben und der bis in die Neuzeit erzielten Einnahme»hervor. Die Herstellungskosten betrugen 001 103 000 Fr., der Wertdes Vermögens der Suez-Kanal-Gcsellschaft belief sich auf 15033100Frank, zusammen 617 042165 Fr. Die Ausgabe ist gedecktdurch ein Aktienkapital von 200 Millionen Frank, durch Darlehen ,nHöhe von 204 100 000 Frank, durch eine Entschädigung der ägypti-schen Regierung von 34 Millionen Frank, sodann durch verschiedenevon der ägyptiichen Regierung gewährleistete Zessionen in Höhe von30 Millionen Frank; der Rest wird gedeckt durch die hergestelltenBauten und Konstruktionen. Die Gesamt-Bruttoeinnahmc betrugbis zum Jahre 1800 1 583 084 010 Frank. Der neu eröffnete Kanalwar noch in mancher Beziehung sehr verbesserungsbedürftig, ms-