Kellner stehen gclanglveilt herum. Und selbst die Schar der dicken Studenten, die schon bejahrt aussehen wie im Dienst ergraute Familienväter, wirken nur wie ein Witz, der in dieser Natur um so grotesker erscheint. Grau steht die Wetterwand am Himmel, mit dem Horizont zu feinem Grau sich vereinend. In dieses gleichmäßige Licht ist nach und nach die ganze Aussicht getaucht, graue Schleier, die Ebene, Berg und Himmel überziehen. Tritt man auf den Basteifclsen, der senkrecht zur Ebene ab- stürzt, so erblickt man drunten die Elbe in großer Windung, dicht dabei ein Torf mit Wiesen; das alles hebt sich haarscharf heraus, gleich einer Perspektiven Zeichnung, da das Auge fast senkrecht hinab- sehen kann. Ein stiller Weg und Wald. Links Tannen, der Boden mit braunen Nadeln bedeckt. Rechts Laubwald, helleres Licht; zu Füßen der Stämme wächst Heidelbcerkraut. Die Felsen türmen sich wieder grotesk auf, der Weg verengert sich und führt in abgeschlossenen Windungen abwärts. So wild und düster ist die Gegend, daß man ihr wohl glaubt, daß während des dreißigjährigen 5lrieges die Umwohner sich in diese Schluchten flüchteten. Schwcdcnlöcher heißen sie daher. Es sind wirklich Bcrstcckc, in denen niemand Menschen vermuten konnte. Immer enger treten die Schluchten zusammen. Moosbewachsene Felsen versperren den Weg. Man kriecht unter dem Felsdach hindurch. Hoch oben das Licht. Das gelbe Moos, das dort oben die Felsen bedeckt, leuchtet in der Sonne wie Edclpatina. Wie Kulissen schieben sich die Felswände eng zusammen. Bäume liegen, übercinandcrgestürzt. von Fels zu Fels. Stufen führen hinab. So eng ist der Durchgang, daß immer nur eine Person hindurchkommt. Kühle Luft weht uns an. Wie auf einer Bühne sieht es aus, alle Augenblicke verändert sich das Bild, schließt hinten ab und öffnet sich vorn zu neuen Ausblicken. Dicht am Weg das Bett eines ausgetrockneten Baches. Ganz still. Still und kalt. Und immer tiefer führt der steile Weg hinab, der sich zwischen den Felsen hindurchzwängt. Tief im kühlen Felsenloch ein Wirtshaus; der Amselfall. Vögel flattern scheu über dem Gestein. Eine Höhle, darüberhin spritzt das Wasser, das von hier aus wie ein Schleier aussteht. Diese romantische Szenerie soll dem Verfasser desFreischütz", Joh. Fr. Kind, für die Wolfsschlucht vorgeschwebt haben. Und der findige Wirt benutzte diese Anregung und verkündet aus einer Tafel an einem Felsvorsprung: Hier goß der Freischutz seine Kugeln. Er ist sich offenbar über Ursache und Folge nicht recht klar. Er liebt offenbar das Bangcmachen. Eine andere Tafel warnt vor dem Betreten einer Höhle, die man nur auf eigene Gefahr besuche, Eltern seien verantwortlich für ihre Kinder. Sommerfrischlcrromantik. Man gibt dann das Trinkgeld lieber und entschuldigt die hohen Preise. Nach fünf Minuten hört der Wasserfall auf, plätschert nur noch, bis wieder neue Besucher kommen, dann wird er wieder aufgezogen. Aber dennoch sitzt sichs hier nett, ganz zwischen Felsen eingenistet, die uns kühl an- wehen. Run ist der Weg ins Dorf nicht mehr weit. Er schlängelt sich sacht in die Ebene, vorläufig»och an hohen Abhängen vorbei, deren Enge sich mählich erweitert. Waldwicsen verbreiten Duft. An der Felswand entlang, die sich in breiten Schichten hoch auftürmt, führt der Weg hinab. Der Abend kommt. In sanftem Rot leuchten matt die kahlen jhtppcn des Gesteins. Dieses sanfte Glühen ist der Abschied deS Lichts. Und gut stimmt dazu das Plätschern eines Baches, der zur Seite des Weges dahinkullert. Es stört auch nicht, daß die An- sichtspostkartcnverkäufcrin, an deren geschmückter Holzbude wir vorübcrkommcn. ein schmachtendes Lied singt. Abend. Tie Mühle klappert am Weg. Ter Bach rauscht stärker. Blütenbäume umstehen die Mühle im Grunde. Ab und zu kommen uns Leute entgegen, mit einer Holzkiepe auf dem Rücken. Man sieht sie von weitem herankommen auf der grauen Chaussee, gebückt, still vor sich hinsehend, und der Gruß kommt ein- fach von ihren Lippen. Zusammengedrängt liegen die Häuschen von Rathen an den Hängen. Ucbcr die kleinen Holzzäune der Gärten sehen die Büsche herüber, über und über mit roten Blüten behangen, tränende Herzen. Darüber Fliedcrbäumchen, dicht in Büscheln blühend. Die Elbe fließt grau und rosig im Abendschein dahin. Langsam gleiten die Flöße abwärts. Die Gestalten der Arbeiter heben sich einfach und schwarz ab. Noch wartet die Fähre, die uns hinübertragen soll. Ueber- fahrt über den abendlichen Fluß. Wie ein Bild von Schwind oder Richter. Vom Wasser aus sieht man die grauen Felswände sich stumm emporrccken. Und während wir auf dem Bahnhof des kleinen OertchcnS warten, bis der Zug hcranbraust, der sich Bahn bricht durch die Felsen, wie früher Wasser sich hindurchfraß durch das Gestein, steigen drüben, vor der Felswand, vom Wasser Nebel sacht auf, und alles versinkt hinter matten Schleiern in einen schönen Traum, der allgemach in die Nacht hinübcrschwindet. Dann singt der Nachtwind dunkle Lieder in der stillen Gegend, sieht die träumenden Dörfer am Wasser liegen, an die Hänge sich schmiegen, und nur die Lichter hinter dem kleinen Fenster zeigen ihm an. daß hier noch Menschen wohnen und wachen. er. KkimQ fcirilleton* st. Ein zun. Narre» gehaltener Serenissimus. Unter den fünf« zehn Herzögen, die das WürttembergerLändle", bevor es von Napoleons Gnaden Königreich ward, mehr oder weniger despotisierten, war Friedrich I. (15931603) der schlimmsten einer. Seine absolutistische Willkür und Gewalttätigkeit wurde nur von seiner Geldgier übertroffen, die seine von Verschwendungssucht byzantinische Geschichtsschreiber nennen sie Prachtliebe stets genährt wurde. Die infame Verschacherung von Landeskindern zu Soldaten, womit einer seiner Nachfolger, der berüchtigte Karl Eugen , seine ewig hungrigen Kassen füllte, und die von Schiller inKabale und Liebe " an den Pranger gestellt ward, wurde damals noch nicht praktiziert; dagegen stand der alchymistische Schwindel der'G o l d m a ch e r k u n st in höchster Blüte. Was Wunder, daß SereniffimuS trotz seines sonst leidlichen Verstandes daraus hineinfiel und förmlich Jagd auf Goldmacher machte, indem er solche aus aller Herrn Ländern durch ein Ausschreiben an seinen Hof einlud. Er richtete ein prächtiges Laboratorium ein. worin er selber häufig hantierte, ,n Schurzfell. Lcderhosen, mit aufgestülpten Llermeln, wie ein ge- wöhnlicher Schmied. Auf Empfehlung des bayerischen Tausendkünstlers und Gold- apostcls Bürkheimer berief Friedrich einen HanS Hasen­bühl e r aus Regensburg , des römischen Königs Ho falchy misten. Dieser fand sich zunächst in der Bezirksstadt Göppingen ein, ließ sich jedoch schwer krank melden. Flugs eilte Friedrich per Wagen dahin, um dem Sterbenden sein Geheimnis zu entreißen. Er saß bei des Herzogs Ankunft kerngesund wie ein Fisch im Wasser im warmen Bade. Der Herzog trat ein, ohne sich vorzustellen. Der Schwindler, wohl wissend, wen er vor sich hatte, grüßte ihn mit matter Stimme;Ihr seid Herzog triedrich der Weise von Württeniberg, das sagt mir mein innerer piegcl". Er fuhr mit ihm nach Stuttgart und betrat nach längerer Pflege die Goldküche, und siehe da, schon die erste Probe gelang; im Schmelztiegel fand sich wirkliches Gold im Wert von zwei Dukaten. Täglich wurden allerejMetalle geschmolzen, dieEndschmelzung aber immer nur beim Erscheinen des Vollmonds vorgenommen, wobei sich jedesmal etwas Gold vorfand. Die beiden Galgenstricke. Hasenbühler und Bürkheimer, hatten nämlich zuvor Dukaten abgefeilt und das so ge- wonncne Pulver heimlich in den Tiegel gleiten lassen. Nach etwa sechs Monaten verlangte endlich der Herzog eine tüchtige Ausbeute. zumal die Zeche der flottlebenden Fremden wöchentlich 200 Gulden verschlang. Der große Tag war gekommen, und in freudigster Spannung begab sich der Herzog in aller Frühe zum Laboratorium. Die Tür war verschloffen. Ein Bote ward in das Quartier der Goldmacher geschickt, um die.Schlafbauben" zu holen. Der Bote kehrte mit der Meldung zurück, Hasenbühler mit seinen zwei Gesellen hätte sich in der Nacht auf und davon gemacht. Als man in die Werkstätte drang, war sogar das Silber in den Tiegeln verschwunden. Nun gingen dem Herzog die Augen auf. Rasend vor Wnt schlug er'mit geballten Fäusten den herbeigeschleppten Bllrkheinier ins Gesicht, weil er nicht verraten konnte, wohin sein Spießgeselle geflohen. Dieser hatte ihn nämlich am Abend zuvor betrunken ge- macht. Mit knapper Not entging Bürkheimer dem Galgen, wurde an den Pranger gestellt, nnt Ruten gestrichen und über die Grenze gejagt. An 19 Ovo Gulden kostete die Geschichte dem Herzog, der aber von seinem alchymistischen Aberglauben keineswegs kuriert war. f. Neuentdeckte antike Literaturschatzk. Ueber die wichtigen Funde literarisch wertvoller Papyri auf der Trümmerstätte von Oxyrhynchos machen die beiden Entdecker, Dr. B. P. Grenfell und Dr. A. S. Hunt, in denTimes" nähere Mitteilungen: Es ist nicht ungewöhnlich, daß man auf einer so reichen Fundstätte wie Qxyrhynchos große Mengen von Papyri findet, aber diese Funde bestehen hauptsächlich nur aus Briefen, Berichten und Kontrakten. die sich auf die Verhältnisse von Privatpersonen beziehen, oder aus den mannigfaltigsten offiziellen Dokumenten, während literarische Fragment« bis jetzt sich kaum gefunden haben. Niemals bis ins letzte Jahr hat ein Forscher das Glück gehabt, einen Fund von solcher Bedeutung zu machen, bei dem die Papyri eine» hohen literarischen Wert haben. Zum erstenmal stießen wir auf so wichtige Papyri am 28. Januar, als wir einen der wenigen übrig gebliebenen römischen Schutthügcl aufgruben. Kurz vor Sonnenuntergang stießen wir etwa sechs Fuß unter der Oberfläche auf eine Stelle. an der im dritten Jahrhundert ein ganzer Korb von zerbrochenen literarischen Papyrusrollen auf den Schutt geworfen sein mutz. Läßt man die kleinen Fragmente beiseite, so sind zehn größere Manuskripte, aus einem oder mehreren längeren Stücken bc» stehend, aufgefunden worden, die alle dem zweiten oder dritten Jahrhundert angehören. Zwei von ihnen enthalten poetische Er- zeugnisse, beide noch nicht aufgefundene Gedichte und von Dichtern höchsten Ranges,- P i n d a r und E u r i p i d e S. Der Pindarische Papyrus enthält vornehmlich Päane, das sind Oden, die Verehrung. Bittflehen und Danksagung an einen Gott ausdrücken, und die Autorschaft des großen Hymnendichters wird erwiesen durch die Uebereinstimmung mit einem schon bekannten Pindarischen Frag- ment. Ter Text ist von einer sorgfältig ausgearbeiteten Scholie begleitet. Soweit wir sie bisher zusammengestellt haben, ergeben sich neun ganz vollständige Kolumnen von etwa fünfzehn Zeilen,