Adler werden.. 1" murnlelte er.Häng' Dich nicht an ein Weib!" Und wie ein Dieb zur Nacht stahl er sich aus der Schmiede und aus der Stadt fort, um ruhelos weiterzuwandcrn. Aber eine seltsame Veränderung ging doch mit ihm vor. Seine Augen suchten noch, aber weniger aus innerem Begehr, als weil er sich sagte, daß er doch finden und erreichen müsse, um nicht als Narr vor sich selbst und seinem Vater und Tetta dazustehen. Er ward älter, seine Fütze müder. Auf einem Wege, der er sonst hintereinander in gleichem Schritt und Tritt zurückgelegt, ruhte er jetzt mehrmals aus. Aus der freudigen Unruhe, mit der er fort- gegangen, war eine zehrende geworden, die gleich der ersten ihr Ziel nicht kannte. So geschah es. daß er sich einst am Rande eines Hügels, der bewaldet war, zur kurzen Ruhe streckte. Ruhe war das Beste. Er schob das Bündel unter den Kopf und schloß die Augen. Als er sie aufschlug, stand der Himmel in Gold und Orange. Ein Strom von hellem Rot zog sich, ein breites Band, hindurch. Und plötzlich kam ein Adlerschrei hernieder, kurz, weitschallend, rauh. Starren Auges sah Markus Tarras empor. Da wiegte sich der Aar wie spielend durch die Lüste. Auch das nur ein kleinerer, der in den Buchenwäldern wohl horstete. Keinen Blick wandte der Mann von ihm. So hatte er zu Hause die Steinadler kreisen sehen. Und die beiden Bilder, die sich durch seine ganze Jugend ge- zogen, standen vor ihm: die schwebenden Adler in blauen Lüsten! der dunkle Hof mit Tetta, mit dem lohenden Feuer und dem Spiel der Schatten, die den Vater zum Riesen machten... Immerfort sah er empor zum Adler. Aber je länger er es tat, um so lebendiger wurde das andere Bild. Tetta lief mit ver- bundenen Augen im Kreise... immer gleichmäßig, immer in den­selben Stapfen... die gute Tetta I Wie das wohl tat I Wie ruhig und sicher das war l Alles wußte man schon im voraus! Eine unsägliche Liebe überkam ihn. Gerade zu dem Pferdchen I Nicht einmal Lebewohl Hab' ich ihm gesagt I" dachte er.Und ob es noch lebt? Ob es noch immer läuft? Ob es auch jetzt noch das Leder vor den Augen hat?" Tetta, das Pferdchen... nur das Pferdchen wollt' er wieder- sehen, es streicheln, ihm ein Stück Zucker geben. Er war nicht mehr müde, nicht mehr unruhig. Er wollt' zu Tetta. Das erste sichere Ziel nach zwanzig Jahren des Irrens und Wanderus. Tage und Wochen ging er. Er schlief nicht lange. Er zog die Finger durch den Bart; er murmelte, er lächelte. Was Hab' ich gesagt," murmelte er fast triumphierend,»ich er- reich' es doch!" Nach langer Wanderfahrt war der große Bergwald sichtbar. Er betrat ihn.Da ist er ja I" sagte er immer wieder und hörte auf das dunkle Rauschen der Wipfel. Und siehe, droben kreiste etwas Großes: das war der Steinadler, der Bergadler. Er nickte herauf zu ihm, in Hoffnung baldiger Erfüllung, er murmelte einen Namen und sah selig empor zum König der Lüste:Tetta!" Einen Köhler traf er. Lebt Michael Tarras noch, der Zeugschmied?" Er lebt I' Und Tetta... wie steht es mit Tetta, Mann?" Der wußte nichts. Nun kam er über den Gipfel, wo die Mühle stand. Der Mühl- stein lag in der Sonne und war leer. Ihm schien, es fehlte da etwas. Doch da war das Dorf, das Ziel. Fast laufend erreichte er die Schmied«. Eisgrau, halb erblindet saß Michael Tarras auf der Schwelle. Markus stieß einen Schrei aus. Ihm war, nun hatte er erreicht, wonach er vor zwanzig Jahren ausgezogen war, vor Glück könnt' er erst nicht reden. Da bin ich, Vater," sprach er dann. 1Dein Sohn Markus!" Der Greis tasteste nach ihm. Mein Sohn Markus... ich seh' Dich nicht, ich erkenne Dich nicht... jeder kann das sagen. Er zog lange fort. Ich aber muß warten; nur stlr einen Tarras ist die Schmiede." Seine Stimme war daS einzige, was noch kräftig an ihm erschien. Dann lachte er auf. Adler oder Pferdchen... mein Sohn Markus, was willst Du? Tetta, Vater... wo ist Tetta?" Das Lachen scholl von neuem.Wüßt' eS, Söhnchen, wüßt' es. Tetta ist tot... eine andere Tetta steht im Stall. Läuft so gut wie die vorige... immer herum, daß es eine Freude ist." Mühsam erhob er sich und umarmte den Sohn. Der aber Sonnte sich k:ine Ruhe. Er schürte das Feuer, spannte das iferdchen-m. Dt- Flammen lohten über den dunklen Hof. Tetta lief mit verbundenen Augen. Markus TarraS aber legte die Hände vors Geficht. Alles war so ruhig, und alles war gut... »Wo ist Nastja?" fragte er nach einer Weile. »Sie hat den Bauern Bialka geheiratet und hat sechs Kinder!" Dann blickte er einmal zum Himmel empor. Dort hoch im Blauen hatten die Augen früher immer etwas gesucht. Seltsam, seltsam! ES war doch alles leer im Blauen, während hier unten das Pferdchen lief und alles seinen Platz hatte. Er schüttelte den Kopf. Als ob der Vater den Blick gemerkt hätte, sagte er mit seinem fast kindischen Lachen: Adler hier. Pferdchen da... Die Adler sind tot. fort- gezogen..,.�nur zwei sind noch übrig... es kommen zu viel Menschen in den Wald. Es gibt nur noch wenig Adler. Aber Tetta läuft... huh, Tetta I Auf Wiedersehen, mein Sohn Markus, Hab' ich damals gesagt. Ich Hab' Dich wiedergesehen! Wohl, wohl... fliegt da einer? Alle kommen sie zurück auf die Erde I" Nach zwei Jahren war Michael Tarras tot. Er hatte vorher Markus geraten, eine kinderlose Witttb zu heiraten. Sie war nicht schön, aber war im Walde geboren und hielt zusammen. Sie gebar Markus Tarras zwei Söhne. Und die Söhne spielten aus dem Hofe, und das Feuer lohte, und Tetta lief. Markus jedoch, der schwerhörig geworden war wie sein Bater selig, schlug auf den Amboß . Die letzten beiden Adler hatten sich im Todesjahr des alten Zeugschmiedes verloren. Lange, lange Jahre später durchlief das Dorf das Gerücht, daß ein mächttger, nie gesehener Vogel hoch über Berg und Wald kreise. Vielleicht ein Steinadler, sagten die alten Bauern. Markus Tarras' ältester Sohn kam mit der Nachricht zu seinem schon gebückt gehenden Vater gestürzt. Beide bleckten an- gestrengt nach oben. Ich glaub', ich seh' einen Punkt!" rief der Junge. Markus Tarras schüttelte mißbilligend den Kopf. Es gibt keine Adler mehr. Das ist so in der Jugend i.. in der Jugend glaubt man allerhand. Später erst wird man klug." Er wollt' in die Schmiede zurück. Da fiel ihm etwa? ein. Er holte ein Stück Zucker, und während er neben dem Pferdchen einher- ging, im ausgetretenen Kreis herum, steckte er dem Pferdchen daS Stück Zucker ins Maul. Tetta... ja doch! Wir beide... Tetta I" Und zärtlich klopfte er den Hals des Tieres, dessen Augen vom Leder bedeckt waren und d«s dankbar schnaufte. kleines feiiiUeton. e. s. Japanische Holzschnitte. Im Ausstellungssaal der Bi«. bliothek des Kunstgewerbemuseums findet augenblicklich eine Aus, stellung von japanischen Holzschnitten statt. Es ist eine Auswahk, keine chronologische Sammlung, mit Geschmack und Sachkenntnis ist diese Auswahl getroffen, so daß der Laie eine gute und richtige Vorstellung von dieser feinen, eigenartigen Kunst erhält. Die großen, oft drcigctciltcn Blätter von Utamaro , dessen graziös ge- schwungenc Linien das Leben der Frau schildern, sind in Rahmen aufgehängt. Ein wenig weicher ist Shunscho, der den üblichen Farben hellrot und schwarz ein mattes Violett zugesellt. Von eigentümlichem Reiz ist das eine große Blatt, dessen weiter Hinter- grund eine Ackcrlandschaft zeigt. Daneben hängt eine Arbeit von Tohokuni von ernsterem Charakter, der durch die düsteren Farben- töne hervorgebracht wird, schwarz und violett. In diesen Blättern tun wir Einblicke in das Leben des Volkes, wir sehen Spaziergänger, Ausflügler, Vergnügungen. Auf allen Bildern dieser Zeit bc- gcgncn wir der Frau, deren graziöse Haltung die Künstler schildern. Besonders die leichte, sichere Behandlung des Kleides, wie der Faltenwurf sich legt und herabfällt, wie überhaupt solch eine Gestalt schlank aufwächst, das ist eingehender Betrachtung wert. Eine spezielle Art bilden die in länglichem Format gehaltenen Blätter, die zum Aufhängen in den Räumen, zum Schmuck der Stuben bestimmt sind. Da sehen wir Einzelfiguren in kühnem Ausschnitt, so daß der Eindruck des Raumes doch erweckt wird. Der Ausdruck erhält etwas Statuenhaftes. Die Komposition ist bemerkenswert, weil in einen schmalen Ausschnitt mit großem Geschick eine menschliche Figur hineingebracht ist, die den Eindruck vollen Lebens macht. Kiyonaga ist hierin Meister; er ist entschieden in der Linie und zurückhaltend in der Farbe. Von besonderem Interesse sind die alten Meister, die hier in Nachbildungen vorhanden sind. Dunkle Tönung, von der sich die Farben in düsterer Glut abheben, von eigentümlicher, unheimlicher Phantastik, die den Orient in seiner ganzen brünstigen Empfindungs- tiefe zeigt. Teilweise chinesischer, dann indischer Einfluß. Nach China deuten die ernsten, strengen, nur in Schwarz , Braun und Gold gehaltenen Blätter. Nach Indien die Bilder der vielarmigen, flammenumzüngclten Gottheiten, deren raffinierte Farbigkeit, tief und glatt wie eingelegte Lackarbeiten, eine Vorstellung erweckt von dem tiefsinnigen, strengen und zugleich schwülen Naturkult der Inder. Ganz eigentümlich wirken die äußerst feinen Konturlinien dieser sonst ganz Plastisch wirkenden Figuren, die die tiefleuchtendcn, ost gleichsam flackernden Farben wie mit Filigran einsäumen. In Kästen sind eine ganze Reihe von Büchern ausgelegt, die den Reichtum der Motive in der Kunst dieses Volkes, die sich so eng an die Natur anschließt, ahnen lassen. Da sind ein« Reihe Musterbücher für Stoffe, die naturalistische Motive mit meister- hafter Sicherheit benutzen für dekorative Entwürfe. Die Spuren eines Vogeltrittes im Sand, die auseinandergespreizten Zehen geben ein lebhaft sich wiederholendes Motiv. Die Kühnheit und Leichtigkeit ist überraschend; kein Schema und doch merkt man überall die Tradition.