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mehr berbraucht, als er gehabt hatte. Wäre der Vater nur nicht immer so riesig forrekt! Liebe Beit , es ist eben nicht zu bermeiden, daß man die Hände boll Geld aus den Taschen zieht, wenn man's dazu hat! Hier denen, denen sagte er nur zu ungern davon! Sie waren ja im Grunde guie Leute, aber sie hatten eben gar keine Ahnung! Gute Leute- Nein, das waren sie denn doch nicht!
Nun kam die Empörung. Wie konnte der Vater sich's einfallen laffen, ihn so anzufahren, ihn abzukanzeln in solchem Tone? Wie einen Verbrecher! Und sie, warum starrte sie ihn denn so an mit Blicken, in denen er etwas wie Verachtung zu lesen glaubte?! Nun, so wollte er sie denn noch mehr entseßen, ihnen ins Gesicht schleudern:" Natürlich hab' ich Schulden, was ist den dabei?!" Aber mitten in der Size fam ihm die kühle Berechnung: wie hatte der Vater gesagt? ich würde die Hand von Dir abziehen"-?!
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Wolfgang bekam auf einmal einen großen Schrecken: den hier brauchte er, den hier konnte er doch nicht entbehren! Und so raffte er sich denn auf in schnellem Umschwung: nur nichts eingestehen, nur sich nicht verraten! Er fagte, vom tropigen Aufbrausen hinübergleitend zur glatten üble: ch weiß nicht, warum Du Dich so aufregst, Papa! Ich habe ja keine!"
Wirklich keine?" Ernst fragend fah ihn der Vater an, aber aus dem Ernst leuchtete schon die frohe Hoffnung. Und als der Sohn erwiderte:„ Nein!" da streckte er ihm die Hand über den Tisch hin:„ Das freut mich!"
( Fortsetzung folgt.)
( Nachdrud verboten.)
Der Verfchwörer.
Von E. G. GIüd.
Autorisierte Uebersetzung aus dem Französischen. Aristides Robinot, Subalternbeamter der Pariser Untergrundbahngesellschaft, erfreute sich einer ganz besonderen Wertschätzung von seiten seiner Kollegen. Aristides Robinot war nämlich ein bollendeter Birtuose im Dienstschwänzen. Er. betrachtete es als Ehrenfache, nicht zum Dienst zu gehen, und fühlte sich nie befriedigter, nie glücklicher, als wenn er eine geniale Entschuldigung ersonnen hatte, mit der er sein Fehlen rechtfertigen konnte. Wenn er fich nach längerer oder fürzerer Abwesenheit doch entschloß, wieder im Bureau zu erscheinen, so geschah es nicht aus Furcht vor dem Born der hohen und höchsten Chefs, sondern weil er fein löstlicheres Bergnügen fannte, als sich an den ob seiner phantastischen Ausreden verblüfften Mienen von Vorgesetzten und Kollegen zu weiden.
Robinot schwindelte mit solcher Ehrlichkeit im Blid, mit soviel Ueberzeugungstreue im Ton, daß man nicht gut an feinen Worten zweifeln tonnte. Er arbeitete durchschnittlich sechs Tage im Monat, aber niemand wäre es auch nur im Traume eingefallen, über diese in Permanenz erklärte Faulheit entrüstet zu sein. Im Gegenteil, man wurde unruhig, wenn der Zufall es einmal fügte, daß er zwei Wochen hintereinander zum Dienst fam. Seine beispiels lofe Unregelmäßigkeit wurde eben von Vorgesetzten wie von Sameraden als etwas unabänderliches hingenommen..
Robinot hatte einen Kollegen, Camille Larpy, der über alles und jedes Statistiken führte. Dieser Larpy notierte gewissenhaft, zu Nuß und Frommen fünftiger Generationen, wie oft Robinot den Dienst versäumte und mit welchen Gründen er die Versäumnis motivierte.
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Sehen Sie, hier befindet sich das Bett, hier der Dfen, hier das Fenster. Und nun stellen Sie sich vor: mitten in der Nacht erwache ich infolge eines intensiven Geruches nach Kohlenoxydgas. Der Kopf ist mir schwer wie Blei. Ich glaube ein Stöhnen zu hören. Bielleicht ist es bloß ein Traum, denke ich zunächst. Leider nein! Es ist meine Frau, die, halberstidt, röchelt. Schwankend wie ein Betrunkener erreiche ich schließlich das Fenster, reiße es auf... Es war die höchste Zeit!"
Dieses Abenteuer wurde von Herrn Larpy in feiner Statistit der Erstickungstrid" getauft. Der Gedächtnißschwundtrick" ist nicht minder originell.
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Robinot, verließ ihn plöglich das Gedächtnis. Er konnte sich obsolut Eines schönen Morgens auf dem Wege zum Bureau, erzählte nicht mehr erinnern, bei welcher Gesellschaft er angestellt war. Bum Unglück hatte er kein Papier bei sich, das feinem schwachen Gedächtnis hätte auf die Sprünge helfen können. So irrte er denn von der Orleansbahugesellschaft zur Nordbahn. von da zur Dstbahngesellschaft und wieder zurück. Vielleicht würde er noch heute umber irren, wenn er nicht zufällig einem Bureaudiener der Untergrundbahngesellschaft begegnet wäre, der ihn auf den richtigen Weg Er schilderte seinen Fall mit solch unerschütterlichem Ernst, mit folch verstörter Miene, daß sich niemand auch nur das leiseste Lächeln des Unglaubens gestattete.
brachte.
Wahrscheinlich würde Aristides Robinot noch reichliches, intereffantes Material für die Statistit seines Kollegen Larpy geliefert haben, wenn Herr Delabon, der Direktor der Untergrundbahn gesellschaft , länger gelebt hätte. Aber genau wie jeder simple Bañagier dritter Klasse war auch der Herr Direktor sterblich. Eines Tages war er tot, und auf diesen nachsichtigen Vorgesezten folgte Herr Lechant d'Ussigne, ein unbeugsamer, starrer, hochfahrender Bureaukrat. Es hieß von ihm, er sei besonders gegen die Faulenzer und Schwindler im Dienst unbarmherzig streng.
Robinot sollte bald erfahren, wie begründet dieses Gerücht war. Nach einer bescheidenen Versäumnis von drei Tagen, die ihm nicht genügend entschuldigt schien, ließ der Herr Direktor ihn zu fich fommen, hielt ihm sein ganzes Sündenregister vor und stellte ihm für den Wiederholungsfall Disziplinarstrafen in Aussicht. Diese erste Warnung blieb ohne jede Wirkung. Robinot schwänzte schon nach wenigen Tagen wieder den Dienst. Zur Strafe wurde ihm das Derselbe negative Gehalt von 2600 auf 2400 Franks herabgesetzt. Erfolg wie vorher. Am nämlichen Tage, an dem ihm die Gehaltsfürzung mitgeteilt war, besaß der unverbesserliche Aristides die Kühnheit, den Dienst versäumen zu dem banalen Borwand, er müffe einen alten Dntel Als er wieder ins Bureau pflegen, der im Sterben liege. tam, eröffnete ihm Herr Lechant d'Ussigne, daß er bei der nächsten geringften Unregelmäßigkeit seine Entlassung zu gewärtigen hätte. als die Segel zu streichen. Er mußte fich dazu bequemen, pünktlich Vor diesem schweren Geschütz blieb Robinot nichts anderes übrig Man amüsierte sich föstlich über feinen ungewohnten Fleiß und lachte und regelmäßig ins Bureau zu kommen, wie alle feine Kollegen. über des Widerspenstigen Zähmung.
abermals
unter
Aristides verbis tapfer feinen Zorn, während er über phantastischen Racheplänen brütete. Aber, durch die Erfahrung gewißigt, wartete er geduldig auf eine günstige Gelegenheit oder eine geniale Idee. Beide ließen nicht lange auf sich warten.
Die Regierung hatte foeben eine große, gegen die Republik gerichtete Verschwörung entdeckt. Er beschloß, sich in diese Verschwörung verwickeln zu lassen.
Er kaufte die Bilder des Herzogs von Orleans, des Prinzen Bittor Napoleon und des verstorbenen Grafen von Paris und befestigte fie an den Wänden seines Speisezimmers; er traf berschiedene andere Vorbereitungen, die alle dazu bestimmt waren, ihn zu kompromittieren, und schrieb schließlich an den Richter, der mit der Voruntersuchung im Verschwörerprozeß betraut war, folgenden
Mein Herr!
Ich habe die Ehre, Ihnen mitzuteilen, daß Herr Aristides Robinot, 40 Jahre alt, wohnhaft Rue des Dames 172, im Solde der Reaktion steht, und daß sein Tun und Treiben im höchsten Grade verdächtig ist. Ein alter Republikaner.
Während der fünfzehn Jahre, die er der Pariser Untergrundbahn- Brief: gesellschaft angehörte, hatte Aristides Robinot 152 Verwandten oder Freunden das legte Geleit gegeben, war 37 mal Taufpate und 198 mal Trauzeuge gewesen, batte er bei 43 Gerichtsverhandlungen und 11 sogenannten Ehrenhändeln zugegen sein müssen. Aber das waren nur Notbehelfe, die er aus tiefster Seele verachtete und die er nur vorbrachte, wenn ihm nichts Besseres einfiel. Für gewöhnlich ließ er seiner Phantasie die Zügel schießen, und wenn er ein- Bald bemerkte Robinot, daß seine Denunziation auf fruchtbaren mal wirklich wegen einer Influenza das Bett hatte hüten müssen, Boden gefallen war. Häufig begegnete er von nun an zwei Herren, erzählte er gewiß später, spannend wie ein Kriminalroman, von die sich den Anschein von pensionierten Offizieren gaben und die einer Vergiftung durch Austern oder Giftpilze, der er nur durchfeltsames Zusammentreffen stets den nämlichen Weg hatten einen glüdlichen Zufall nicht erlegen sei. wie er.
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Eines Nachmittags erschien Robinot mit verstörten Mienen und Bespitelt! Er wurde bespitelt!.. Schon nach wenigen angsterfüllten Augen im Bureau. Sein Abteilungsvorsteher wollte Tagen fonnte er einen weiteren Erfolg verzeichnen. ihn fragen, wie es fäme, daß man drei Tage nicht das Vergnügen gehabt hätte, ihn zu sehen, aber Robinot ließ ihn nicht aussprechen. In tragischem Lon begann er:
Mein Herr, um ein Haar hätte ich Sie nicht mehr wieder gesehen 1" Und mit vor innerer Erregimg zitternder Stimme er berauschte fich an seinen eigenen Lügen- fuhr er fort:
Meine Frau und ich, wir sind beinahe erftict. Wir haben in unferem Schlafzimmer einen fleinen eisernen Dfen.
Um feine Erklärungen anschaulicher zu machen, ergriff er einen Bleistift und entwarf einen Situationsplan.
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Ias.
In dem Café, in welchem er täglich seinen Abfinth zu trinken pflegte, hörte er eines Abends, wie ein Gaft den Kellner um die Autorité " und den Soleil" ersuchte. Er sah sich den Herrn an und erkannte in ihm den einen seiner beiden Verfolger. Selbstverständlich war es ein reiner Zufall, daß der Herr die Robinot gerade die beiden Zeitungen wünschte, Robinot ließ fie ihm fofort überreichen. Der Herr dankte und grüßte beim Fortgehen sehr höflich. Am nächsten Tage faßen sie am näm lichen Tische und tauschten ihre Ansichten über das Wetter usw. aus. Am folgenden Tage wechselten fie die Karten, und Robinot erfuhr, daß er dem Baron Cachey Moissat, einem pensionierten Kavallerie