Brunnen und pumpte aus Leibeskräften. Als er mich sah, lieh er den Tchweimel fahren, zog sei» riesiges rotes, schwarz- und weih- getupftes Taschentuch aus dem Hemdschlitz hervor, wischte damit das heiße, aber wie immer freundliche Gesicht, führte mich in die kühle Laube und klagte mir sein Leid. Wir waren allein auf der Parzelle. Seitdem es heih geworden, geht Frau Rosine Prictzke der Pumpe beharrlich aus dem Wege; die Pumpe krächzt ihr zu sehr, das zieht ihr durch Mark und Bein, auch geht sie ihr zu schwer, kurzum, Frau Prictzke pumpt nicht mehr. Einen ähnlich ablehnenden Standpunkt nimmt auch die älteste Tochter ein, ihr tut das Kreuz weh, die Korsettstangen brechen, und dann hat sie auch einen Freier. So pumpt denn Prietzke allein, wenn er nach Feierabend aus der Gießerei kommt, um dann erneut, aber mit Waffer, zu gießen; die Töchter holen die Blumen, die Frau das Gemüse und das soll dann eine gerechte Arbeitsteilung seinl Ich beruhigte Prictzke, sagte ihm, daß ich selbst zwar auch nicht gern pumpe, weder Wasser»och Geld, daß aber das Waffcrpumpen eine ganz gesunde Arbeit sei, gegen welche sich auch vom moralischen Standpunkt aus nichts einwende» lasse. Beim Brunnen soll eine Bütte stehen, je größer, um so besser. Am Abend, wenns kühler wird, pumpt man diese Bütte bis zum Rand voll, läßt dann das Wasser bis zum nächsten Abend stehen und verwendet es nun erst zum Gießen. Abgestandenes Wasser hat die Temperatur der Luft angenommen und bekommt den Pflanzen gut. frisch gepumptes kaltes, auf den von der Sonne gewärmten Boden gegeben, lähmt die Wurzeltätigkeit und schadet de» Pflanzen. Unser märkischer Streusand, erklärte ich Prietzke, sieht bei Dürre in Wirklichkeit ja viel schlimmer aus als er ist. Da glaubt man, trotz tüchtigen Gießens am Tage vorher, unergründliche� Staubmaffen vor sich zu haben, aber nur die obere Schicht ist Staub; im Inneren hält Sand das Wasser lange fest, und bedenklich wird die Sache erst, wenn er bis auf Spatenstichtiefe ausgeglüht ist. Wenn wir auch auf künstliche Bewässerung bei Trockenheit durchaus angewiesen sind, so können wir doch auch bei manchen Kulturen den örtlichen Verhältnissen Rechnung tragen, indem wir jenen Gemüsen den Vorzug geben, die mit den Wurzeln in die Tiefe dringen, wo sie fast stets genügend Feuchtigkeit vorfinden. Wir, säen also nicht kurze. stumpfspitzige Karotten, sondern lange, nicht ovale Rettiche, sondern den langen Münchener Bicrrettich, lange Petersilienwurzeln, Schwarzwurzeln und anderes. Prietzke hatte eine große Weiße hervorgeholt, die er behutsam in ein Riesenglas füllte, damit die Hefe nicht mit hineinlaufe, und ich bot ihm meine Zigarren an. Als wir wieder auf die Parzelle hinaustraten, war der fcuerige Sonnenball schon stark nach Westen hinabgesunken; eS war kühler geworden und wir konnten nun in beschaulicher Ruhe die einzelnen Beete durchgehen. Allenthalben war die Hand der Frau Prietzke zu erkennen; die Beete waren nicht mehr voll, überall hatte sie fort- geholt, was ihr begehrenswert erschien. Dazu ist ihr kein Tag zu heiß, wie Prietzke meinte, kein 5iorb zu groß und zu schwer, er wird vollgepackt und heimgcschlcppt. Die Kohlrabi waren stark gelichtet, die frühen Erbsen und Zuckerschoten sowie die Karotten fast völlig abgeerntet, der Kopfsalat verschwunden, ja Frau Prietzke hatte heute in der Frühe bereits in den Frühkartoffeln herum- gebuddelt, weil es am Abend neue Pellkartoffeln mit Heringen geben soll. Und Prietzke läßt seine Frau gewähren; er weiß warum, das Essen schmeckt ihm und allen zehnmal so gut, seitdem der Ertrag der eigenen Parzelle auf den Tisch kommt. Wenn es aber so weiter geht, sagte ich zu Prietzke, wird die Parzelle bald leer sein; deshalb ist es Zeit, dem jetzt vorzubeugen. Auf ein nicht zu sonnig gelegenes sauber gegrabenes Beetchen säen Sie jetzt»och einmal frühe Kohlrabi und Rosenkohl für den Winter. Wenn diese Gemüse zum Verpflanzen stark genug sind, dann ist auch das Beet mit Frühkartoffeln leer. Dann karren Sie reichlich von Ihrem Straßcnschlick hinauf, verteilen ihn gleichmäßig, graben und harken das Beet und bepflanzen es dann mit Blätter- und Rosenkohl, jede Sorte getrennt in 5l) Zentimeter Abstand, zwischen zwei Pflanzen immer ein Kohlrabipflänzchen. Diese Kohlrabi sind langst in den Küchentopf gewandert, wenn der Winterkohl im Herbst ins Wachsen kommt und den ganzen Raum beansprucht. Blätter- und Rosenkohl bleiben ohne Rücksicht auf die Kälte draußen; je mehr sie durchfrieren, um so schmackhafter werden sie. Wenn Sie gcri? grünen Salat essen, sagte ich Prietzke weiter, dann säen Sie jetzt die trausblätterigen Winterendivien; sie werden später auch auf ein gut gedüngtes Beet in 30 Zentimeter Abstand gepflanzt, aber bei Eintritt des Winters mit den Wurzeln ausgegraben und daheim im Keller eingeschlagen. Prietzke ist. wie ich, kein echter Berliner, sondern ein Lands« mann von mir aus dem Maintal . Dort geht man mit einem scharfen Rettich in der Hosentasche ins Bräuhans und macht ihn zurecht, bevor man das Bierseidel in die Hand nimmt. Die besten und schärfsten Rettiche, die man, nachdem man die dünnen Scheiben mit Salz bestreut, tüchtig zwischen beiden Händen ausdrücken muß, daß die Brühe nur so herausläuft, werden nach deni 15. dieses Monats gesät, nicht früher, sonst gehen sie in Samen. Auch das hierfür bestimmte Beet wird mit etwas abgelagertem Straßcnschlick gedüngt, tief gegraben, geharkt, dann werden die Samen sehr weit- läufig ausgestreut und mit einer 0 Zentimeter hohen Hacke leicht eingehackt. Rettiche verlangen im Sonimer reichliche Bewässerung; die besten sind die schwarzen Winterrrttichc. Man kann jetzt auch noch frühe Erbsen säen, die dann wieder vom September ab junge Schoten liefern, und frühe Karotten. Diese keimen und wachsen laugsam; im Oktober werden sie aber verbrauchsfähig; sie sind dann so glatt und zart wie im Frühling unter Glas gezogene und bleiben in den Beeten, die mit Eintritt von Frost eine Dungdecke erhalten, damit sie nicht ausfricren. Diese Julisaat versorgt die Küche bis zum Frühling mit einem wirklich delikaten Gemüse. In den letzten milden Wintern habe ich meine Rettiche und Karotten stets ohne jede Bedeckung auf den Beeten gelassen, die Kälte hat ihnen nichts geschadet. Im Februar muß aber der Rest aufgebraucht werden, denn mit Eintritt de? Frühlings werden die Wurzeln schwammig, wie Radieschen im Hochsommer, und unbrauchbar. Arbeit gibt's auch im Juli genug auf der Parzelle. Denn abgesehen von Saat und Pflanzung heißt's pumpen und gießen. hacken, um den Boden zu lockern und das so rasch überhandnehmende Unkraut zu vernichten. Auch die Raupen sind abzusuchen. Ge- häufelt werden die Kohlgewächse, deren Köpfe jetzt mächtig schwellen, die Bohnen, die Gurken und Kürbisse. Bei letzteren kann man dem Haupttrieb nach dem vierten Blatt den Kopf nehmen, es bilden sich dann Seitentricbe, die sehr bald blühen. Haben diese Seiten- triebe Früchte angesetzt, so kann man sie wieder drei Blatt über der letzten Frucht köpfen. Dadurch, und wenn man an jeder Pflanze nur drei bis vier der schönsten Früchte läßt, sehr reichlich bewässert, bei trübem Wetter auch flüssigen Dünger gibt, erzielt man in unserem Sand bei großen Sorten wahre Riesenkürbisse. die ein Gewicht von 100 Kilogramm und darüber erreichen können. Gurken läßt man am besten ungestört wachsen, während man bei Tomatcnpflanzen, nachdem genügend Früchte in der Entwickclung begriffen sind, alle Zweige iviederholt köpft, um eine Beeinträch- tigung der Fruchtentwickelung durch weitere Blätter- und Blüten- bildnng zu verhindern, den» die nach Mitte Juli erscheinenden Tomatenblüten bringen in unserem Klima doch keine reifen Früchte mehr. Es war spät geworden, als ich mich, todmüde, von Prietzke ver- abschiedete. Ich suchte gleich Haus und Bett auf und verschlief am anderen Morgen gründlich die Zeit. Erst gegen acht Uhr weckte mich das mächtige Rollen des Donners. Ich sprang mit beiden Beinen aus dem Bett und eilte zum Fenster; es fiel ein wölken- bruchartiger Dauerregen. Ter Himmel tränkte gründlich die Laubengärten in und um Berlin . Ich mutzte an meinen lieben Prietzke denken, er hätte sich am Abend vorher das Pumpen wirklich sparen können i Max Hesdörffer. ' ffleims Feuilleton. Improvisatoren am oberen Nil. DerFrankfurter Zeitung " wird geschrieben: Eine bestimmte künstlerische Begabung ganzer BolkSstäinine ist eine von de» Ethnologen oft beobachtete Erscheinung. Die uuisikalische Begabuna bringt jeder Zigeuner, fast jeder Böhme, bringen die meisten Südlander mit auf die Welt, fast ebenso sicher, wie der DurchschnittS-Amerikancr oder Engländer ihrer völlig bar ist. Die Schnitzkunst, die in bayerischen und tiroler Bauerhäusern heimisch ist, bringt oft Werke von bewunderungswürdiger Vollendung hervor. Und in allen Alpentälern lebt die Kunst der dichterischen Improvisation, in ihren Acußcnmgcn oft roh und ungeschickt, oft aber in knappem trefflichem Ausdruck das lebendige Gefühlsleben des Volkes bedeutsam wiedcrspiegelnd. Die Belege dafür, daß es zu allen Zeiten und in allen Erdteilen solche Dichtcrvölkcr gab und gibt, sind der Wissenschaft wohl bekannt, in weiteren Kreisen weiß man aber wenig darüber. Ein hübsches Beispiel solcher Begabung bei asrika- irischen Eingeborenen finden lvir in dem jüngst erschienenen Werke des Grafen Gleichen ,,Tbe Auglo Egyptian Sudän." Er er­zählt da. Ivie ein englischer N i ch t e r, der ans einem Dampfer den Blauen Nil hinauffuhr, von den Mannschaften einer Abteilung des 13. Sudanesen-Negiments, die im Schlepptau seines Schiffes be- fördert wurden, besungen worden ist. Jede Nacht, wenn die Er- löfung bon der glühenden Sonnenhitze die Lebensgeister weckte, Huben die Soldaten zu singen au; der schwarze Sergeant improvisierte und die Leute fielen im Ehorus ein. Eines Abends begann er: Das Lied von der großen Tim sah.*) Der hohe Richter, er lehnt im Stuhl, Er raucht seine Pfeife, er liest sein Buch, Da ruft der Kapitän vom Deck her: Eine Timsah! eine mächtige Timsahl" (Chor:Eine Timsah! Eine mächtige Timsah I") Der hohe Richter, er springt von, Stuhl, Wirst weg die Pfeife, wirft weg das Buch. Er ruft seinen Diener Mohammad Hassan, Bring mir Patronen, bring mein Gewehr!" (Chor:Bring mir Patronen, bring mein Gewehr!') Der hohe Richter, er wirft sich aufs Deck, Er lädt sein Gewehr, nimmt gutes Korn, Er trifft'S Krokodil grad in die Mitte, Die mächtige Timsah, die, nächtige Timsah I (Chor:Die mächtige Timsah, die mächtige Timsah!") ") DaS Lied vom großen Krokodil.